
Erfolg durch Veränderung
Viren sind Meister der Evolution. Das neue Coronavirus kann sich offensichtlich gut an neue Wirte anpassen. In den letzten Monaten hat es sich speziell auch auf den Menschen als Wirt eingestellt.

Pandemien werden in Zukunft häufiger auftreten. Mit dieser Nachricht meldete sich der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) Ende Oktober 2020 zu Wort. Der IPBES-Bericht zu Biodiversität und Pandemien führt aus, dass die Ursachen für Pandemien die gleichen sind, die auch zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen. Hierzu zählt vor allem das Eindringen des Menschen in vormals intakte Ökosysteme. Auch zunehmend enge Kontakte zwischen Wildtieren und Tieren aus der Viehzucht spielten eine Rolle. Um den bisherigen Entwicklungen entgegenzuwirken, empfiehlt der Weltbiodiversitätsrat, vermehrt in Maßnahmen zum Schutz der Natur zu investieren.
Dieser Einschätzung stimmt der Kieler Evolutionsbiologe Professor Hinrich Schulenburg grundsätzlich zu. »Richtig ist, dass wir verstärkt in natürliche Lebensräume eindringen, wo es andere Säugetiere gibt, die auch Virusinfektionen haben. Und die können prinzipiell auch zu Infektionen beim Menschen führen.« Aber mit der Verallgemeinerung, dass solche Infektionswellen zukünftig häufiger zu erwarten sind, tut er sich etwas schwer. »Wir hatten solche Infektionswellen auch schon in der Vergangenheit. Grundsätzlich müssen wir immer damit rechnen, dass Viren und generell Krankheitserreger vom Tier auf den Menschen überspringen«, sagt Schulenburg, der die Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik am Zoologischen Institut der CAU leitet. Viren sind Überlebenskünstler. Durch ständige Veränderung passen sie sich den Bedingungen ihres Wirts an und sichern so ihren Fortbestand. Diese schnelle Evolution ermöglicht es Viren, von Tieren auf den Menschen überzuspringen und umgekehrt. Zoonosen nennt man solche Infektionskrankheiten, die wechselseitig zwischen Menschen und Tieren übertragen werden können. Tollwut und Ebola gehören dazu, aber auch HIV oder die Pest. Und auch für Sars-CoV-2 gibt es zahlreiche Hinweise, dass das Virus ursprünglich vom Tier stammt. Auf der anderen Seite gibt es auch einige wenige Beispiele von Tierkrankheiten, die nicht auf den Menschen übertragen werden. Hierzu zählt etwa die europäische Schweinepest, die Hundestaupe oder die Blauzungenkrankheit bei Wiederkäuern.
Welche Viren vom Tier auch für Menschen gefährlich werden können, lässt sich allerdings nicht einfach vorhersehen. Denn genetische Veränderungen im Virus passieren zufällig. Schulenburg: »Wir haben es hier mit biologischen Einheiten zu tun, die in nicht vorhersagbarer Art und Weise evolvieren. Das ist etwas, dass wir in der Vergangenheit beobachten konnten und jetzt bei Sars-CoV-2 auch wieder.« Die evolutionäre Anpassung des neuen Coronavirus wird aktuell von verschiedenen Forschungsgruppen weltweit untersucht. Dabei wurden insbesondere solche Mutationen festgestellt, die das Spike-Protein, also die Zacken in der Viruskrone betreffen. Das Virus benötigt dieses Protein, um sich an Zellen zu binden und sein Erbgut in die Zelle zu entlassen. »Die neuen Varianten ermöglichen dem Virus, sich besonders gut im Menschen zu vermehren, besser als es das Ursprungsvirus kann«, erklärt Schulenburg. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass sich das Virus generell sehr schnell an neue Wirte anpassen könne. Darauf deuten Studien an Nerzen hin. »Das Virus ist vom Menschen auf Nerze übergesprungen und mittlerweile gibt es innerhalb der Viruspopulation in den Nerzen neue Varianten, die anscheinend zu einer besseren Anpassung an die Nerze geführt haben.« Um die Rückübertragung vom Nerz auf den Menschen zu verhindern, wurden Millionen Tiere in Nerzfarmen getötet.
Die neuesten Daten weisen nun darauf hin, dass sich das Virus noch besser an den Menschen angepasst hat und sich verbessert ausbreitet wie anscheinend auch höheren Schaden verursacht. »Solche evolutiven Anpassungen sind bei Krankheitserregern grundsätzlich immer möglich«, so Schulenburg. Im Hinblick auf die bevorstehende Impfstrategie äußert sich Schulenburg jedoch zuversichtlich: »Aufgrund der Genomstruktur des Virus wie auch der Gestaltung der genehmigten Impfstoffe wäre ich vorsichtig optimistisch, dass wir nicht in die Situation wie beim Grippevirus kommen, wo wir jedes Jahr einen neuen Impfstoff brauchen.« Die bisher bekannten und genauer charakterisierten Veränderungen sprechen laut Schulenburg zumindest im Moment dafür, dass die derzeitigen Impfstoffe ihre Effizienz nicht verlieren. »Mit Hilfe der Impfstrategie sollte es in der Tat möglich sein, die Pandemie größtenteils in den Griff zu bekommen.« Entscheidend für den Erfolg sei, wie groß die Bereitschaft der Bevölkerung zur Impfung ist.
Autorin: Kerstin Nees
Anmerkung der Redaktion:
Zu Redaktionsschluss waren noch keine Details über die höhere Ansteckungsfähigkeit der mutierten Virusvarianten bekannt. Diese werden daher hier nicht erörtert.
Nähere Informationen dazu beim RKI unter
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante_Grossbritannien.html
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