25. Kieler Marktplatz: Maritime Kritische Infrastrukturen - Wie verwundbar sind die Versorgungsadern Schleswig-Holsteins?

Austausch zu Anforderungen, Strategien und Lösungen unter Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik

Kiel, 10. Juni 2023. Pipelines, Stromkabel, aber auch Häfen, Schleusen oder Offshore-Windanlagen gehören zu den Infrastrukturen an der Küste Schleswig-Holsteins, die für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung lebenswichtig sind. Doch wie können diese Kritischen Infrastrukturen geschützt werden? Welche Konzepte und Strategien gibt es, und wo bestehen Lücken in der Zusammenarbeit? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich der 25. Kieler Marktplatz, ein Austauschformat für Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, das Ende Mai im Kieler Wissenschaftszentrum (WiZe) stattfand. Mehr als 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung des Maritimen Clusters Norddeutschland (MCN), des WiZe und des Forschungsschwerpunktes Kiel Marine Science (KMS) an der Uni Kiel gefolgt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Holger Klindt, Leiter des Arbeitskreises Zivile Maritime Sicherheit der Gesellschaft für Maritime Technik (GMT).

 Schutz maritimer Kritischer Infrastrukturen immer wichtiger

  Nicht erst seit den Anschlägen auf die Gaspipeline Nordstream2 vor Bornholm nehmen die Gefahren für maritime Kritische Infrastrukturen zu: Ob Datenkabel, Cyberangriffe oder die Zerstörung von Versorgungsadern - für die Fachwelt kamen die jüngsten Ereignisse vor dem Hintergrund der unsicheren geopolitischen Lage nicht überraschend. Längst arbeiten die eingeladenen Expertinnen und Experten des 25. Kieler Marktplatzes an Notfallplänen für die eigenen Infrastrukturen - oft auch unter Beteiligung der Wissenschaft. Und auch die Bundesregierung hat reagiert und kürzlich erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie verabschiedet, die auf Bundesebene Maßnahmen für Cyber-Angriffe, Angriffe auf Kritische Infrastrukturen und auch den Klimawandel umfasst. Für die beteiligten Ressorts Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Finanzministerium geht es dabei um drei zentrale Dimensionen: Verteidigungsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Trotz der neuen Bundesstrategie bleiben die Zuständigkeiten der Länder für den Katastrophenschutz unberührt und eine übergreifende Zusammenarbeit aller Behörden, wissenschaftlichen Einrichtungen und Betreiber von Hafeninfrastrukturen findet nur vereinzelt statt.

Unterschiedliche Strategien für die Gefahrenabwehr in Schleswig-Holstein

Die Unternehmen der deutschen maritimen Sicherheitswirtschaft beschäftigen sich bereits seit vielen Jahren mit der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb geeigneter Anlagen zur Überwachung und zum Schutz maritimer Infrastrukturen in Häfen, Seehäfen, Küsten- und Offshore-Regionen. Bereits heute stehen hier Technologieanbieter mit geeigneten und sofort einsetzbaren Lösungen zur Verfügung. Und auch jede Behörde und Betreiber von Anlagen wie Häfen oder Wasserstraßen, die unter die Kritische Maritime Infrastruktur fallen, verfügen über Notfallpläne. Dies bestätigten auch die Expertinnen und Experten sowie die Podiumsteilnehmer auf dem 25. Kieler Marktplatz, darunter Johannes Peters vom Institut für Sicherheitspolitik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), Alan Jacobsen von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Ingo Berger vom Nautischen Verein Kiel, Jann Wendt von north.io und Miriam Schnürer vom Bundesverband Sicherheit Kritischer Infrastrukturen. Im Rahmen der lebhaften Diskussion stellten sie zum einen ihre individuellen Ansätze vor und identifizierten zum anderen Lücken in der Kommunikation, Technik oder Zusammenarbeit.

 Zukünftige Handlungsfelder- und Handlungsoptionen identifiziert

Als prioritäre Handlungsfelder wurden abschließend insbesondere folgende Themen identifiziert:

- Über den kurzfristigen Bedarf der Einsatzkräfte hinaus sollte die Erarbeitung einer geeigneten Technologie-Roadmap als Grundlage für Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Angriff genommen werden.
- An der Gefahrenabwehr sind heute zahlreiche und sehr unterschiedliche Akteure auf Bundes-, Landes- und regionaler Ebene beteiligt - bisher ohne einen abgestimmten Kommunikationsprozess im Ereignisfall. Oft wird beispielsweise die gesamte Mobilitätskette Straße - Schiff - Schiene vergessen. Ein koordinierter Austausch ist daher unbedingt zu vereinbaren.
- Die psychologische Komponente der Gefahrenabwehr und die Stärkung der Öffentlichkeit wurden bisher deutlich vernachlässigt. Eine verlässliche und ehrliche Kommunikation über aktuelle Bedrohungslagen oder Notfallpläne kann wesentlich dazu beitragen, die öffentliche Diskussion zu versachlichen und die Resilienz der Bevölkerung im Ernstfall zu stärken. Dazu gehören vor allem Informationen rund um die Möglichkeiten, im Notfall sowohl als Bürgerin und Bürger (individuelle Vorsorge) als auch als Staat (Strategie) für eine gewisse Zeit autark zu bleiben.

Gleichzeitig waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber auch einig, dass es trotz möglicher technischer Machbarkeiten keinen hundertprozentigen Schutz maritimer Infrastrukturen und Versorgungsleitungen geben kann. Begrenzende Faktoren sind hier neben des kaum lückenlos zu überwachenden (Meeres-)Raumes die Frage der erforderlichen Investitionen wie Betriebskosten, mögliche Einschränkungen durch den bestehenden Rechtsrahmen oder auch die übermäßige Behinderung der zweckgebundenen Nutzung der zu schützenden Infrastruktur. Lösungen kommen daher wie so oft nicht aus einer Disziplin, sondern auch hier gilt es, die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Der 25. Kieler Marktplatz Kritische Infrastrukturen hat hier einen Anfang gemacht.

 

Moderator des Kieler Marktplatzes, Holger Klindt (GMT), im Kreis der Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft und Industrie.
© Friederike Balzereit, Uni Kiel

Moderator des Kieler Marktplatzes, Holger Klindt (GMT), 3. Von links, im Kreis der Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft und Industrie.

Ein Hafen, der zur maritimen Kritischen Infrastruktur gehört.
© Hans Rohmann, Pixabay

Häfen gehören zur maritimen Kritischen Infrastruktur. Der 25. Kieler Marktplatz, ein Austauschformat für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, brachte hierzu am 22. Mai Expertinnen und Experten zusammen.

Kontakte

Dr. Christian Wagner-Ahlfs
Koordinator für transdisziplinäre Forschung
Kiel Marine Science (KMS)
cwagnerahfs@kms.uni-kiel.de

Dr. Wiebke Müller-Lupp
Wissenschaftliche Geschäftsführerin
Wissenschaftszentrum Kiel GmbH (Wize)
w.mueller-lupp@wize-kiel.de

Peter Moller
Maritimes Cluster Norddeutschland
Geschäftsstellenleitung Schleswig-Holstein
peter.moller@maritimes-cluster.de