
Bewegungs-Checks an Grundschulen
Wie fit sind Schleswig-Holsteins Kinder? Und wie lässt sich der Grad ihrer Fitness optimal messen? Das untersuchen Kieler Sportwissenschaftler in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Flensburg im Auftrag des Landes.

Seilspringen ist eine der Übungen, mit der die Bewegungskompetenz von Drittklässlern untersucht wird. Fridolin, Jelka und Oke (von links) meistern die Aufgabe für das Foto ohne Schwierigkeiten.
Bewegung und körperliche Aktivität sind wichtig – besonders für Kinder. »Laufen, rennen, klettern, springen, balancieren, Bälle werfen oder fangen und jede andere Form von Bewegung tragen erheblich zu einer gesunden körperlichen, geistigen und psychosozialen Entwicklung der Kinder bei«, sagt Professor Manfred Wegner. Der Bewegungswissenschaftler am Institut für Sportwissenschaft der Kieler Universität hat zusammen mit seinen Kollegen Dr. Johannes Wohlers und Sven Rüsbült die Bewegungskompetenz von Kindern untersucht. Doch viel Zeit für Sport bleibt den Schülerinnen und Schülern von heute nicht. Ganztagsgrundschulen bieten Unterricht und Betreuung bis in die Nachmittagsstunden an, digitales Lernen – wie während der Corona-Pandemie – findet vor dem PC sitzend statt. Auch in der Freizeit haben Computerspiele, Handynutzung und Fernsehen für viele Jungen und Mädchen einen hohen Stellenwert. »Es gibt Kinder, die sich zu wenig bewegen«, sagt Wegner. Und das hat Folgen für die motorische Entwicklung, die wichtig für die Gesamtentwicklung ist: »Manches Kind kann kaum rückwärts laufen oder über einen Balken balancieren«, erklärt der Sportwissenschaftler. »Damit fehlen den Kindern einerseits kulturelle Basistechniken und andererseits fehlt ihnen damit der Zugang zu Bewegung als Grundlage der Gesundheit«, ergänzt Wohlers.
Doch Tests zur motorischen Diagnostik und damit vergleichbare und belastbare Zahlen und Indikatoren, wie genau es um die sportlichen Fähigkeiten von schleswig-holsteinischen Grundschülerinnen und Grundschülern steht, gibt es im Land nicht. Das soll sich ändern: »Die Universitäten Kiel und Flensburg wurden vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur beauftragt, Bewegungs-Checks für Grundschulen zu prüfen und Empfehlungen auszuarbeiten, um die sportlich sehr talentierten ebenso wie die bewegungsarmen Schülerinnen und Schüler und alle, die dazwischen liegen, gezielt zu fördern«, sagt Wegner. Im Auftrag des Ministeriums untersuchen die Kieler Sportwissenschaftler gemeinsam mit einem Team der Europa-Universität Flensburg, welches Testverfahren das beste Potenzial hat, Förderbedarfe in puncto Bewegung deutlich zu machen, um dann im nächsten Schritt flächendeckend in den Schulen im Norden die Schüler und Schülerinnen der dritten Klasse zu testen. Dieses Pilotprojekt ist auf drei Jahre angelegt (2019 bis 2022) und wird mit insgesamt 300.000 Euro finanziert.
Dabei werden zwei in Deutschland anerkannte und angewendete Testverfahren überprüft. Der Test EMOTIKON prüft eher konditionelle Fähigkeiten wie Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer. Beim Test MOBAK geht es um grundlegende Bewegungskompetenzen wie fangen, balancieren oder einen Ball rollen. »Die Schülerinnen und Schüler absolvieren an unterschiedlichen Tagen Übungen der beiden Tests«, so Wegner. Die Auswertung soll am Ende zeigen, welches der beiden Verfahren für die Ziele des Landes am besten geeignet ist.
Durch die Corona-Pandemie haben sich die Tests in den Grundschulen verzögert, sie sollen aber im Herbst abgeschlossen sein. Dann folgt Phase zwei: Die besteht nach der Auswertung aus einer Empfehlung an das Ministerium sowie – zusammen mit dem IQSH – dem Entwickeln von Konzepten für Lehrkräfte, die als Schulungen und Fortbildungen angeboten werden können. Auch im Studium sollen angehende Lehrkräfte einerseits noch besser für die sportlichen Fähigkeiten in ihren Klassen sensibilisiert werden, andererseits aber auch ein Augenmerk auf Bewegungsdefizite von Kindern in dieser Entwicklungsstufe haben.
Mit im Boot des Pilotprojekts »Bewegungschecks« sitzt auch der Landesportverband (LSV), der damit eine Maßgabe aus dem Nachwuchsleistungssportkonzept des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) umsetzt. »Der LSV möchte mit dem Sporttest die sportlichen Talente in den Klassen erkennen und diese künftig über die Vereine besser fördern. Wir prüfen gemeinsam mit dem LSV auch, welches Potenzial für die besonders förderungsbedürftigen Schülerinnen und Schüler in Sportvereinen und regionalen Initiativen bereits vorhanden ist und genutzt werden kann«, erläutert Wegner. Damit steckt in dem Projekt Bewegungschecks auch eine neue Dynamik für die bereits etablierte Kooperation von Schulen und Sportvereinen.
Autorin: Jennifer Ruske
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