Wissenschaftliche Grenzen überwinden

Das Kieler Forschungs- und Entwicklungsprojekt BlueHealthTech startet mit einer Bundesförderung von 15 Millionen Euro in die Umsetzungsphase. Mitorganisator Carsten Schultz, Professor für Technologiemanagement, untersucht, wie an den Schnittstellen völlig unterschiedlicher Professionen neues Wissen entsteht.

Luftbild vom Universitätscampus an der Olshausenstraße
© Marvin Radke, standbildtechniker.de

Vier Fakultäten der Christian-Albrechts-Universität sind beim Verbundprojekt BlueHealthtech eingebunden.

Wenn Forschende aus so unterschiedlichen Fachbereichen wie Medizin, Meeresforschung, Natur-, Wirtschafts- oder Ingenieurswissenschaften zusammenarbeiten, kann es schon mal Probleme geben. »Normalerweise haben sie fast nie miteinander zu tun, ihre Fachsprachen unterscheiden sich, und es gibt keine Kultur der Kooperation und keine Basis für einen effizienten wissenschaftlichen Austausch«, erläutert Professor Carsten Schultz vom Institut für Betriebswirtschaftslehre und Innovationsforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), warum er Reibungsflächen wie diese besonders spannend findet: »An den Schnittstellen völlig unterschiedlicher Wissensbereiche entstehen Innovationen.« Dies sei ein kreativer Prozess, der die Wissenschaft befruchte und letztlich die wirtschaftliche Entwicklung der Region fördern könne.

Im Fall von BlueHealthTech soll das neue Wissen in konkrete medizintechnische und pharmazeutische Produkte und Verfahren fließen, die Patientinnen und Patienten zugutekommen. »Idealerweise münden die Forschungsergebnisse auch in die Gründung von Startups, so wie wir das bereits bei der erfolgreichen Ausgründung der Osteolabs GmbH erleben konnten«, berichtet der Innovationsforscher. Der transdisziplinäre Verbund aus Gesundheitswesen, Wirtschaft und Wissenschaft habe sich zum Ziel gesetzt, Potenziale aus der Meeresforschung für die konkrete Anwendung in Medizin und Life Sciences nutzbar machen. Im September 2021 erhielt BlueHealthTech einen ordentlichen Schub: Es setzte sich im Förderprogramm WIR! (»Wandel durch Innovation in der Region«) mit 22 anderen Vorhaben bundesweit durch. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Bündnis mit 15 Millionen Euro in den kommenden sechs Jahren.

Zu den federführenden Projektpartnern gehören neben der CAU das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung Kiel, das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und das Medizintechnik-Unternehmen Stryker Trauma GmbH (Schönkirchen bei Kiel), das in der Entwicklung und Herstellung von Knochenmarknägeln für die Chirurgie führend ist. »Vor allem mit Blick auf die Verbesserung der Behandlung chronischer Krankheiten sehen wir in unserem multidisziplinären Ansatz große Chancen«, erläutert Professor Schultz. Die große Vielfalt an Wissen solle in neuen Partnerschaften genutzt werden. »Dazu wollen wir über disziplinäre Grenzen hinweg Innovationsprojekte entwickeln und regional umsetzen.«

Aktuell sind vier Fakultäten der CAU eingebunden: neben der Medizinischen auch die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät (Pharmazie, Physik und Biologie) sowie die Technische und die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät. Daneben sind zahlreiche Partner aus der Wirtschaft und weitere wissenschaftliche Institutionen der Region beteiligt. Welche konkreten Einzelprojekte der 26 eingereichten Anträge umgesetzt werden, entscheidet der aus internationalen Expertinnen und Experten zusammengesetzte Beirat von BlueHealthTech derzeit. 2022 soll die wissenschaftliche Umsetzungsphase anlaufen, kündigt Professor Schultz an, der mit Professor Anton Eisenhauer (GEOMAR), dem Sprecher des Bündnisses, sowie Andrea Eickmeier (UKSH) und Dr. Nils Reimers (STRYKER) zur Lenkungsgruppe von BlueHealthTech gehört.

Konkret geht es etwa um Fragen, wie sich Meeresalgen bei der Heilung von chronischen Erkrankungen einsetzen lassen. Fortschritte versprechen sich die Forschenden zudem bei der Spurenstoffanalytik, Sensorik und Bilddatenauswertung zur Diagnose von Erkrankungen sowie bei der Digitalisierung von Prozessabläufen. Dadurch solle es zu erheblichen Qualitätsverbesserungen bei der Prävention, Diagnostik und Behandlung von verschiedenen chronischen Erkrankungen wie Osteoporose kommen.

Nicht zuletzt will ein Team am Institut für Innovationsforschung um Professor Schultz Methoden entwickeln, wie völlig unterschiedliche Professionen kreativ und zugleich effizient zusammenarbeiten können. Grundlage ist ein besseres Verständnis der Ideengenerierung über große kognitive Distanzen hinweg. »Wir wollen zudem Instrumente für Vorhersagen von wissenschaftlichen und technologischen Konvergenzen entwickeln – und damit ein Stück weit in die Zukunft schauen, um die Strategieentwicklung in BlueHealthTech sowie in Forschung und Entwicklung generell zu unterstützen.«

Autor: Joachim Welding

Weitere Informationen: www.bluehealthtech.de

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