
Das Gedächtnis der Bodenkunde
An der Uni Kiel finden sich umfassende Daten zu etwa 700 Bodenprofilen. Klingt nicht gerade spektakulär, stellt aber doch eine über Deutschland hinaus einzigartige Sammlung dar. Das vor allem deshalb, weil die Daten sorgsam aufbereitet wurden und ein hohes Maß an Vergleichbarkeit bieten.

Rainer Horn im Labor, wo die Bodenproben unter anderem standardisierten Belastungen durch Druck ausgesetzt werden.
»Man fragt sich natürlich ein Stück weit, was bleibt.« So schildert Professor Rainer Horn seine Gedankengänge, ehe er vor viereinhalb Jahren pensioniert wurde. Und obwohl er Standardwerke zur Bodenkunde wie auch jede Menge weitere Arbeiten über dieses Sujet geschrieben hat und in dieser Hinsicht recht entspannt hätte sein können, wollte er als Teil seines Lebenswerks noch einen weiteren wissenschaftlichen Pflock einschlagen. Das führte ziemlich direkt zum Aufbau der bislang aussagekräftigsten Datenbank zur Beschaffenheit vorrangig von Ackerböden.
Schon vor 44 Jahren sammelte Rainer Horn die ersten systematischen Daten – und behielt dieses Thema über seine gesamte wissenschaftliche Laufbahn hinweg im Blick. Etwa 60 junge Frauen und Männer wurden mit seinem Beistand promoviert. Nicht mehr zu zählen sind die übrigen akademischen Arbeiten, die an seinem Lehrstuhl für Bodenkunde entstanden. Und wo immer es möglich war, trug Horn den Promovierenden und teils dem schon fortgeschrittenen Uni-Nachwuchs auf, von der Stätte ihres Wirkens Bodenproben mitzunehmen, um sie dann in Kiel zu analysieren.
Solche spezifischen »Steckbriefe« gewähren zwar prinzipiell interessante Einsichten in lokale Bodenfunktionen, zu einem richtigen wissenschaftlichen Schatz zu entwickeln begannen sie sich aber erst vor ein paar Jahren, als Professor Horn auf die Idee kam, die Informationen systematisch aufzubereiten. Tatsächlich ist inzwischen eine Datenbank mit vielerlei Informationen zu fast 470 Bodenprofilen gefüttert, weitere 200 bis 300 sind noch nicht eingepflegt und können zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt werden.
Maßgeblich zur Aufbereitung der bisherigen Sammlung beigetragen hat der Doktorand Richard Schröder, der im vergangenen Juni bei einer Tagung in Genf in einem Vortrag erste Einblicke in seine Fleißarbeit gewährte und damit auf enormes Interesse stieß.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Kieler Datenbank ist vor allem die einheitliche Methodik zur Bestimmung der mechanischen Eigenfestigkeit bis in einen Meter Tiefe. Dasselbe gilt auch für die Änderungen von physikalischen Bodenfunktionen wie Luft- und Wasserleitfähigkeit. Jede Probe wurde unter exakt denselben Bedingungen entnommen und aufbereitet. Auf dieser Grundlage wurden die Böden zum Beispiel nach einer Vorentwässerung entsprechend dem Wassergehalt der Situation im zeitigen Frühjahr den gleichen Auflasten ausgesetzt. Wichtig sind derart nachgestellte Belastungssituationen, weil die Böden auch im Alltag erheblichen Druck aushalten müssen. Und selbst wenn sie nur kurzzeitig wirken, addieren sich diese Belastungen in der Wirkung, sobald die Eigenfestigkeit des Bodens überschritten ist.
Gespeichert sind zudem Werte zur sogenannten Scherverformung, die unter anderem entsteht, wenn Bodenschichten durch Reifen übereinander geschoben werden. Bei allen Profilen finden sich zudem Angaben zur geologischen Herkunft der Böden, zum jeweiligen Humusgehalt, zum pH-Wert, zur Dichte und zu vielen weiteren Eigenschaften.
Weil all das nach standardisierten Vorgaben erhoben worden ist, ergibt sich daraus für die Forschung ein enormer Nutzwert. So wurden unter anderem auf dem universitätseigenen Versuchsgut Hohenschulen in Achterwehr über viele Jahre hinweg an denselben Stellen Proben genommen, damit sich die Veränderungen des Bodens über die Zeit hinweg exakt nachvollziehen ließen. Auf der anderen Seite finden sich genauso Proben aus China, Australien und fast allen Teilen Europas. Damit lässt die Datenbank Aussagen von der lokalen über die regionale bis zur globalen Ebene zu.
Doch wie immer muss sorgsam darauf geachtet werden, was man miteinander vergleicht. Sogar bei in höchstem Maße identischen Böden können sich unterschiedliche Messwerte und Zusammenhänge ergeben, wenn sie sich in völlig verschiedenen Regionen oder unter unterschiedlichen Bewirtschaftungsbedingungen befinden. Außerdem beeinflussen natürliche Prozesse wie Jahreszeiten oder Niederschläge ebenso wie die Art der Bearbeitung durch den Menschen und nicht zuletzt der Klimawandel die Bodenbeschaffenheit.
Professor Horn und seine Kolleginnen und Kollegen sind unterdessen davon überzeugt, dass die Kieler Datenbank viele Beiträge zu einem sorgsamen Umgang mit den Böden leisten kann. »Die haben schließlich bald neun Milliarden Menschen zu ernähren, also müssen wir sie entsprechend pfleglich behandeln«, mahnt der Experte aus Kiel.
Autor: Martin Geist
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