
Die eigenen Stärken finden
Krisen sind nicht angenehm. Aber man kann positiv mit ihnen umgehen, ohne sie schönzureden. Die Anglistin und Sportpsychologin Dr. Penelope Murdock macht Mut, schwierige Phasen zu meistern.

Dr. Penelope Murdock bei ihrem Vortrag zur Night of the Profs im November 2021.
In ihrem Geburtsland Kanada betrieb Penelope Murdock früher Leichtathletik auf Leistungssportniveau. »Da habe ich erfahren, dass es nur dann perfekt läuft, wenn Körper und Geist eine wirkliche Einheit bilden«, erzählt die heute 46-Jährige, die damals die positive Psychologie für sich entdeckt hat. Diese Erkenntnis zog Kreise. Murdock studierte Sportpsychologie, später auch Motologie, also die Lehre vom Zusammenhang zwischen Bewegung und Psyche, und ist in Forschung und Lehre mittlerweile für das Englische Seminar an der Universität Kiel tätig.
»Ich passe in keine Schublade«, sagt die wissenschaftliche Grenzgängerin und führt das ein gutes Stück auf die Philosophie der positiven Psychologie zurück: Sich selbst kennen, über sich selbst verfügen, sich selbst sein – und nicht glauben, sich dafür entschuldigen zu müssen.
»Break Through Instead of Breaking Down«, das bedeutet so viel wie »aufbrechen statt zusammenbrechen« und ist der Titel eines vom Publikum sehr wohlwollend aufgenommenen Vortrags von Murdock zur Night of the Profs im November 2021. Wohltuend deshalb, weil es gerade darum ging und geht, Corona und anderen Krisen die eigene mentale Stärke entgegenzusetzen. »Wenn wir in den Vordergrund stellen, was wir können, was wir mögen und was uns Freude macht, kommen wir mit den allermeisten Herausforderungen gut zurecht«, formuliert Murdock ihre mit zahlreichen psychologischen und sportwissenschaftlichen Untersuchungen hinterlegte Anleitung zum Glücklichsein.
Selbstverständlich, so stellt sie klar, bedeute das nicht, »dass wir immer happy sein müssen«. Im Gegenteil: Das eigene Unglück oder auch nur Unwohlsein zu benennen und zu akzeptieren, dass es im Leben Hochs und Tiefs gibt, betrachtet sie als elementaren Teil der positiven Psychologie. »Gerade wenn wir matt sind und wenig Energie in uns spüren, sollten wir das zulassen«, rät Murdock. »Tun wir das nicht, fallen wir tatsächlich eines Tages in einen tiefen Burnout.«
Sich dem eigenen, wenn auch in der Regel nur relativen Elend hinzugeben, das allein kann es selbstverständlich auch nicht sein. Die eigenen Stärken wachzukitzeln, das bedeutet für die Wissenschaftlerin »oft ganz einfache Sachen«. Kurz in die Natur gehen, bewusst die frische Luft riechen oder das Pfeifen des Windes in die Ohren sausen lassen, das wirkt bei ihr selbst immer wieder kleine Wunder. »Andere haben natürlich ihre eigenen Methoden, aber wir verfügen alle über Talente und Vorlieben, an denen wir uns aufrichten können«, betont sie.
Trotzdem stellen die mit der Corona-Pandemie verbundenen sozialen Entbehrungen, die praktisch jede und jeden auf unterschiedliche Weise treffen, schon wegen ihres scheinbar nicht enden wollenden Charakters einen echten Härtefall dar. So sieht es Penelope Murdock, die einräumt, gerade die Auswirkungen auf die Studierenden »extrem unterschätzt« zu haben. »Ich erlebe immer wieder, wie isoliert sie sind«, schildert die Dozentin ihre heutige Sicht. Wenn wieder mal nur noch Online-Lehre möglich war, reagierte sie darauf so angemessen wie möglich und öffnete zum Beispiel ihren digitalen Seminarraum weit vor der Zeit: »Das gibt die Möglichkeit zu kurzen persönlichen Gesprächen und vermittelt den Studierenden das Gefühl, persönlich wahrgenommen zu werden.«
In der Zeit nach Corona, davon ist Murdock überzeugt, wird gerade die jüngste Uni-Generation viel nachzuholen haben. »Und wir Ältere sollten dazu unseren Beitrag leisten«, glaubt die Frau, die in der Pandemie aber nicht nur Nachteile sieht. »Uns wird bewusster, was uns wichtig ist«, nennt sie ein Beispiel, das auf persönliche ebenso wie auf berufliche Beziehungen zielt. Womöglich zeige sich, dass bestimmte zwangsweise auf Eis gelegte Kontakte eigentlich schon lange eher ungut waren. Auch belegen laut Murdock Daten aus den USA und Großbritannien, dass in der Pandemie viele Menschen ihre Jobs für immer aufgegeben haben, weil ihnen klar wurde, dass sie sich damit ohnehin nicht wohlfühlten.
Vielleicht, so vermutet Penelope Murdock, kann Corona den Menschen bei allem Frust diese wichtige Einsicht vermitteln: »Die Zeit zu leben ist genau jetzt.«
Autor: Martin Geist
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