
Weil Schule mehr ist als nur Unterricht
Perfekte Kenntnisse in Mathe, Physik und Chemie, sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache – und trotzdem will es im Klassenzimmer nicht so recht klappen. Lehrkräfte, die ihren Beruf im Ausland erlernt haben, erhalten an der Uni Kiel Unterstützung mit dem Qualifizierungsprogramm InterTeach.

Claudia Fischer, Annedore Hänel, Katharina Pommerening und Jacqueline Wassing (von InterTeach.
Berufsbezogene Sprachkurse für Zugewanderte sind nichts Neues, seit im Jahr 2012 das sogenannte Anerkennungsgesetz in Kraft trat. Dieses »Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen« besagt, dass alle Betroffenen ein Recht darauf haben, ihre Kompetenzen ermitteln zu lassen und mögliche Defizite durch maßgeschneiderte Nachschulungen auszugleichen. Für Lehrkräfte gilt das zwar im Prinzip genauso, doch gehen bislang die meisten angebotenen Sprachkurse kaum auf deren beruflichen Hintergrund ein. Das bedeutet: Vermittelt wird das C2-Zertifikat, das beim Goethe-Institut auch »Großes Deutsches Sprachdiplom« heißt und unabhängig von der angestrebten Tätigkeit für Kompetenzen auf akademischem Niveau steht.
»Damit ist es aber oft nicht in getan«, sagt Dr. Annedore Hänel, die das Team für Deutsch als Fremdsprache (DaF) an der Uni Kiel leitet. Und genau aus diesem Grund wird dort seit Anfang 2021 nicht nur die C2-Vorbereitung samt entsprechender Prüfung angeboten, sondern auch Lektionen für den späteren Alltag in den Schulen. »Schule ist mehr als nur Unterricht«, erläutert Projektleiterin Katharina Pommerening vom Zentrum für Lehrerbildung und nennt als Beispiel das Fach Englisch. Für den Unterricht, der gewöhnlich komplett auf Englisch stattfindet, ist zwar kein Wort Deutsch nötig, doch anders sieht die Sache aus, wenn es um Elterngespräche oder auch nur um die Kommunikation auf dem Pausenhof geht. Ähnlich stellt sich das Thema bei einer Lehrkraft dar, die perfekt physikalische Formeln und Gesetze beherrscht, aber eben nicht die deutsche Sprache.
Die Kieler Antwort darauf ist das InterTeach-Programm für die Lehrkräftequalifizierung für Gymnasien. Das Programm vermittelt den Teilnehmenden fachliche, fachdidaktische und pädagogische Vertiefungen und hat zum Ziel, den Berufsstart optimal vorzubereiten. Laut Jacqueline Wassing, die für die Koordination des Sprachmoduls verantwortlich ist, stecken darin neben den Lektionen zum gehobenen Deutsch auch theoretische oder praktische Übungen zum Geschehen in den Schulen. Die Teilnehmenden schlüpfen dabei in die Rolle der Lehrkraft und trainieren etwa in Rollenspielen Konflikte mit Jugendlichen oder den Auftritt beim Elternabend. »Auch Phonetik ist ein wichtiges Thema, weil es in der Schule eben oft auf die Aussprache ankommt«, ergänzt Dr. Claudia Fischer, die für die neuartige C2-Prüfung zuständig ist. In vollem Umfang steht das InterTeach-Programm allerdings nur jenen Lehrkräften offen, die Mangelfächer unterrichten. Am Gymnasium sind das die Fächer Mathematik, Physik und Chemie. Lehrkräfte dieser Fächer, die den Deutschkurs C2 für den Lehrberuf bestehen, erhalten einen Platz in einem Anpassungslehrgang. Der dauert ein bis eineinhalb Jahre und ist in etwa mit dem herkömmlichen Referendariat vergleichbar. Ist das geschafft, bestehen sehr gute Aussichten auf eine feste Anstellung an einer Schule. Um ihre sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten zu verbessern, können auch internationale Lehrkräfte anderer Unterrichtsfächer am Deutschkurs teilnehmen. Die weiteren Kurse des InterTeach-Programms stehen ihnen jedoch nicht offen.
Die Resonanz auf InterTeach, das an der Uni Flensburg für den Unterricht an Grund- und Gemeinschaftsschulen angeboten wird, ist angesichts der hohen Hürden nicht schlecht. Erreicht wurden und werden seit Anfang 2021 etwa 20 Frauen und Männer. Weil die Kurse je nach Vorkenntnissen bis zu anderthalb Jahre dauern können, sind Aussagen zur Erfolgsquote bislang kaum möglich. Jedoch zeichnet sich nach Angaben von Projektleiterin Pommerening ab, dass die Abschlussprüfung im Deutschkurs C2 für den Lehrberuf keineswegs profan ist und etliche Teilnehmende im ersten Anlauf scheiterten.
Das Interesse an dem in ähnlicher Form sonst nur in wenigen Städten praktizierten schleswig-holsteinischen Modell ist groß. »Uns erreichen immer wieder Anfragen aus ganz Deutschland«, sagt Annedore Hänel. Im Jahr 2022 soll es deshalb eine Tagung geben, bei der alle vergleichbar arbeitenden Einrichtungen ihre Erfahrungen austauschen können.
Autor: Martin Geist
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