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Gerechte Klimafinanzierung – wie geht das?

Vom Klimawandel sind insbesondere Entwicklungsländer betroffen, die aus eigener Kraft die negativen Folgen kaum bewältigen können. Unterstützung bieten Klimafonds. Die große Frage ist, wie können die Gelder gerecht verteilt werden?

Winziges Boot in überflutetem Wohngebiet
© »Brot für die Welt«

Überflutungen wie hier in Süd-Bangladesh werden infolge des Klimawandel zunehmen. Betroffen sind vor allem Länder, die wenig zum Klimawandel beigetragen haben. Sie benötigen Unterstützung, um sich mit geeigneten Maßnahmen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.

Längst geht es nicht mehr nur darum, durch drastische Reduktion von Treibhausgasen den Klimawandel zu stoppen, sondern auch um die Anpassung an unvermeidliche Veränderungen. Wenn der Meeresspiegel steigt, müssen Küstenzonen geschützt werden. In Regionen, wo der Klimawandel anhaltende Trockenheit und Dürren mit sich bringt, ist die nachhaltige Wasserwirtschaft vorrangig. All das kostet Geld. Geld, das in den am meisten betroffenen Entwicklungs- und Schwellenländern oft fehlt. Ländern, die wenig zum Klimawandel beigetragen haben, aber unter den weitreichenden Folgen leiden, werden Mittel aus multilateralen Klimafonds zur Verfügung gestellt.

»Es ist unstrittig, dass arme Menschen im Globalen Süden, die vom Klimawandel bedroht werden, Anrecht auf Unterstützung bei der Anpassung an Klimaänderungen haben. Klar ist auch, dass diese Unterstützung zu einem großen Teil von den wohlhabenden Ländern mit hohen Pro-Kopf-Treibhausgas-Emissionen geleistet werden soll«, sagt Christian Baatz, der kürzlich auf die Juniorprofessur für Klimaethik, Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit berufen wurde und eine neue Arbeitsgruppe an der Philosophischen Fakultät leitet. »Aber das Geld der internationalen Staatengemeinschaft für diese Klimafonds ist nur ein Teil dessen, was tatsächlich benötigt wird. Und da stellt sich die Frage, wie die knappen Mittel gerecht verteilt werden können.« Baatz forscht seit 2017 zu dieser Thematik am Philosophischen Seminar und verstärkt den meereswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkt Kiel Marine Science an der Universität Kiel.

Aktuell fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein inter- und transdisziplinäres Projekt unter seiner Leitung. Zum einen beschreibt das Projekt den Ist-Zustand der Verteilung von Geldern für Anpassung und zum anderen betrachtet es, wie eine Verteilung aussehen könnte, die sich an gerechten Prinzipien orientiert. Ziel ist, Empfehlungen für politische Entscheidungsträger zu formulieren. Darin sollen nicht nur verschiedene Kriterien erörtert werden, sondern auch die Art der Vergabeverfahren. Baatz: »Derzeit ist es so, dass diejenigen das Geld bekommen, die Kapazitäten haben, Anträge zu stellen. Das führt aber nicht unbedingt dazu, dass die Gelder dahin gehen, wo die größten Schäden zu erwarten sind.«

Ein zentrales Kriterium, das bei Klimaverhandlungen eine große Rolle spielt, ist die Vulnerabilität. »Es sollen vor allem die Menschen unterstützt werden, die besonders verletzlich gegenüber Klimaveränderungen sind. Das ist einleuchtend. Aber wenn man ins Detail geht, wird es schwierig«, betont Baatz. Problematisch sei zum Beispiel die Messung dieser Vulnerabilität. »Wenn man ein Ranking der verletzlichsten Länder erstellt, müssen alle Daten, die sehr heterogen sind, in einem Faktor zusammengefasst werden. Je nachdem, wie man die einzelnen Daten gewichtet, gelten andere Länder oder Regionen als besonders vulnerabel.« Ein anderes Kriterium bei der Mittelvergabe könnte der Grad der Demokratie sein. Baatz: »Die Bundesregierung gibt implizit dort mehr Geld hin, wo Demokratien besser funktionieren. Ob es dafür gute Gründe gibt und wie zuverlässig man Demokratie messen kann, wollen wir daher ebenfalls untersuchen.«

Den praktischen Part im Projekt, eine Fallstudie auf den Seychellen, verantwortet Professor Nassos Vafeidis. Der Leiter der Arbeitsgruppe Küstengefährdung und Meeresspiegelanstieg an der CAU hat numerische Modelle entwickelt, mit denen sich die Folgen des Klimawandels in Küstengebieten unter verschiedenen klimatischen und sozioökonomischen Szenarien abschätzen lassen. »Wir untersuchen nicht nur, was passieren könnte, wenn die Menschen nichts unternehmen, sondern analysieren auch verschiedene Anpassungsoptionen«, erklärt Vafeidis. »Dabei betrachten wir besonders die Art und Weise, in der ein Anstieg des Meeresspiegels die Auswirkungen von Katastrophen wie Überschwemmungen, Sturmfluten und Erosionen an den Küsten verschlimmert und dadurch die Vulnerabilität vergrößert.«

Anpassungsoptionen sind zum Beispiel der Bau von Dämmen und Deichen, die Einrichtung von Überflutungszonen, auf denen nicht gebaut werden darf, Sandaufspülungen an den Stränden oder die Umsiedlung von Städten und Dörfern. Vafeidis: »Mit Hilfe des Modells können wir für verschiedene Anpassungsoptionen berechnen, wie viele Menschen jährlich betroffen wären, wie viel Geld in die Anpassung investiert werden müsste und welche Schäden entstehen würden.« Um die Analyse weiter zu schärfen, sollen Gebiete, die von besonderer Bedeutung sind, genauer untersucht werden. »Wir setzen hier sehr detaillierte Daten ein, um zu erfahren, was bestimmte Maßnahmen tatsächlich bringen werden«, so Vafeidis. Die Fallstudie soll am Ende auch Auskunft darüber geben, ob Vulnerabilität gegenüber dem Meeresspiegelanstieg ein geeignetes Kriterium bei der regionalen Verteilung von Geldern für Anpassung sein kann.

Die Kieler Forschenden kooperieren dabei mit Partnern auf den Seychellen und verschiedenen europäischen Einrichtungen.

Autorin: Kerstin Nees

Weitere Informationen: www.adjust-climate.org

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