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Pressemeldung Nr. 147/2018 vom 16.05.2018 | zur Druckfassung | Suche
Islam im Abseits? Eine Antwort auf Alexander Dobrindt aus islamwissenschaftlicher Perspektive
Die Provokation war wohl kalkuliert und hat schnell die erwartete politische Reaktion hervorgerufen. Nachdem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt scharf eine „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“ kritisiert hat, greift er jetzt sogenannte „Abschiebe-Saboteure“ an. Diese würden Gerichte gezielt mit Klagen gegen Abschiebungen überlasten. Ihr Ziel sei es, den Rechtsstaat durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen zu bekämpfen. Dobrindts Aussagen fügen sich in eine Reihe von Äußerungen namhafter CSU-Politiker aus der jüngsten Vergangenheit ein, in denen diese Menschen islamischen Glaubens per se als demokratiefeindlich stigmatisieren. Weshalb wird aber so heftig darüber diskutiert, ob „der Islam“ zu Deutschland gehört?, fragen sich in diesem Zusammenhang die Islamwissenschaftlerin Professorin Anja Pistor-Hatam von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und ihr Kollege Professor Stefan Reichmuth von der Ruhr-Universität Bochum (RUB).
In ihrer fünfseitigen „Antwort auf Alexander Dobrindt aus islamwissenschaftlicher Perspektive“ liefern die Forschenden Erklärungsansätze. „Die Gemeinsamkeiten in Christentum, Judentum und Islam umfassen u.a. die zentrale Stellung der Barmherzigkeit als göttlicher Eigenschaft und als menschlicher Tugend und Verpflichtung. Diese findet sich in allen drei Religionen und lässt es als äußerst fragwürdig erscheinen, Muslimen die Nächstenliebe abzusprechen“, arbeiten Pistor-Hatam und Reichmuth heraus. Ebenso fragwürdig sei es, „‚dem Islam‘ (zu) unterstell(en), es fehle ihm an einer Aufklärung, wie es sie in Europa gegeben habe.“ Tendenzen einer aufklärerischen Vernunft-Orientierung ließen sich in vielen Phasen der intellektuellen Geschichte des Islams feststellen. Allerdings seien die Muslime seit dem späten 18. Jahrhundert auch und in erster Linie mit europäischen imperialen Eroberungen und mit den Modernisierungsmaßnahmen autokratischer muslimischer Herrscher konfrontiert gewesen. Die Versprechen von Freiheit und Gleichheit blieben hierbei auf der Strecke. Stattdessen sei eine autoritäre Modernisierungs-Dynamik in Gang gekommen, die bis heute nachwirke und in vielen Ländern die Entwicklung von Demokratie und liberaler Gesellschaft belaste.
In Deutschland dagegen sei heute muslimisches Engagement im sozialen, politischen und kulturellen Leben, beispielsweise im Vereinsleben, breit gefächert. Viele Muslime sind mittlerweile deutsche Staatsbürger. „Ihre Akzeptanz und die des Islams ist dort am größten, wo auch die meisten von ihnen leben – trotz aller aktuellen kommunalen und sozialen Probleme, die in diesem Zusammenhang auftreten“, erläutern Pistor-Hatam und Reichmuth weiter. Vor diesem Hintergrund werben die Autorin und der Autor für die Rückkehr der Vernunft in die Debatte, für Mut zur Kritik, für (religiöse) Toleranz und Erziehung zur Humanität und zur Aufgeschlossenheit. „Dieses Anliegen teilen viele Musliminnen und Muslime in Deutschland und auch in muslimischen Ländern, gerade wenn sie vor den repressiven Regimen ihrer Heimatländer geflohen sind.“. Eine grundsätzliche Weigerung, die Religion der Muslime in Deutschland als zugehörig anzuerkennen, wie sie die aktuellen Stellungnahmen Dobrindts und anderer Politiker zum Ausdruck bringen, sei dagegen in einem pluralistischen Gemeinwesen kein gangbarer Weg in die Zukunft.
Der vollständige Text der „Antwort auf Alexander Dobrindt“ (PDF):
www.uni-kiel.de/download/pm/2018/2018-147-kritik-an-dobrinth.pdf
Kontakt:
Prof. Dr. Anja Pistor-Hatam
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Tel.: 0431/880-3438
E-Mail: pistor-hatam@islam.uni-kiel.de
Prof. Dr. Stefan Reichmuth
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234/32 25125
E-Mail: stefan.reichmuth@rub.de
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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