Geheimnisvoller Zuckermantel
Mehr als eine Million Euro hat Professor Thisbe K. Lindhorst aus dem Innovationsfonds des Landes bekommen, um ein Großgerät anzuschaffen, das von verschiedenen Arbeitsgruppen aus dem Bereich »Molekulare Lebenswissenschaften« genutzt wird.

Ein Probenröhrchen wird in den Magneten des Kernresonanz-Spektrometers eingeführt. Foto: CAU / Sandra Ogriseck
Lindhorst: »Alle Vorgänge, die wir Wissenschaftler uns auf der Zelloberfläche vorstellen, haben als Untersuchungsgrundlage nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Zuckermantel. Was aber nun, wenn dieser Mantel rund um die Zelle als komplexes Signalsystem funktioniert? Wenn sich ein Reiz über lange Signalketten fortsetzt und an ganz anderer Stelle eine Reaktion hervorruft?«
Der Zuckermantel der Zelle, die »Glycocalix«, bildet den Forschungsschwerpunkt der Wissenschaftlergruppe um Lindhorst. »Wir sind noch sehr weit davon entfernt, die Funktion dieses Zuckermantels zu verstehen«, fährt sie fort. »Wir kennen derzeit noch nicht einmal die geeigneten Methoden, um Einblick in derart komplexe molekulare Vorgänge zu gewinnen.« Aber eine Lösung dieser Frage sei eminent wichtig, um das Wesen des Lebendigen zu verstehen.
Die Chemikerin geht davon aus, dass sich das Wasser an der Zelloberfläche anders verhält als gewöhnlich. »Meine Kollegen aus der Oberflächenforschung bestätigen: Wasser an Grenzflächen reagiert anders.« Um die Zuckerhülle zu verstehen, sei deshalb das Wechselspiel zwischen den Zuckern auf der Zelloberfläche, Wasser im Strukturgeflecht des Zuckermantels der Zelle und dem Wasser an der Grenzfläche zur Lipiddoppelschicht der Zellmembran zu untersuchen.
Das neue Kernresonanz-Spektrometer fordert durch seine bessere Leistung zu neuen Fragestellungen heraus, die vielleicht eine Annäherung an das molekulare »Supersystem« Glycocalix aus einer anderen Richtung erlauben. Zu lösen sind derart komplexe Probleme allerdings nur in fachübergreifender Arbeit, wirken doch unterschiedliche Vorgänge aus Physik, Biologie und Chemie zusammen. Durch das klare Forschungsprofil, das Kiel im Bereich Molekulare Biowissenschaften auszeichnet, sind gute Voraussetzungen gegeben, gemeinsam fachübergreifend derart komplexe Fragestellungen anzugehen.
Darüber hinaus erhofft sich Thisbe Lindhorst von einer Tagung, die sie im Frühjahr in Kiel organisieren will, einen Schritt nach vorn. »Es wird keine Tagung im gewohnten Sinne, bei der jeder seine Ergebnisse vorstellt. Sondern ich lade Kollegen aus unterschiedlichen Fachgebieten ein, die bereit sind, Fragen, die in meiner Forschergruppe vorbereitet wurden, vor Ort in Workshops zu beantworten.« Dies sei zwar ein ungewöhnliches Vorgehen, so die Organisatorin, aber ehrgeizige Fragestellungen erforderten manchmal unkonventionelle Arbeitsweisen.
▲ Top |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Zuständig für die Pflege dieser Seite:
unizeit-Redaktion
► unizeit@uni-kiel.de