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Nr. 60, 29.05.2010  voriger  Übersicht  weiter  REIHEN  SUCHE 

Vorsicht Tiefgang!

Mit enormen Kosten und Konsequenzen für Natur- und Küsten­schutz werden die Fahrrinnen in Flussmündungen dem Bedarf großer Containerschiffe angepasst. Eine Kieler Forscherin sammelt Fakten für zukunftsorientierte Lösungen.


Containerriesen wie die »Emma Mærsk« brauchen immer tiefere Fahrrinnen, um ihre Bestimmungshäfen (im Bild Bremerhaven) anlaufen zu können. Foto: PictureAlliance

Als Emma nach Bremerhaven kam, wurde kräftig gebaggert – wieder einmal. Damit die »Emma Mærsk«, das damals größte Containerschiff der Welt, mit seinen fast 400 Metern Länge problemlos vor dem Anlegen drehen konnte, wurde 2006 eigens die Wendestelle auf der Unterweser ausgebaggert. Immer größer werden die Schiffe auf den Rennstrecken des Welthandels zwischen Asien und Europa. Sie wachsen in alle Richtungen, auch nach unten. Das heißt, der Tiefgang nimmt zu – bei der »Emma Mærsk« beträgt er bis zu 16 Meter. Das entspricht der Höhe eines fünfstöckigen Gebäudes.

Damit die großen Pötte noch ausreichend Wasser unterm Kiel haben, werden in vielen küstennahen Schifffahrtsrevieren die Fahrwässer angepasst. Nur so bleiben die Häfen für die Schiffe erreichbar. Auch die Wesermündung ist davon betroffen, die neben Bremerhavens Umschlaganlagen noch weitere Häfen wie Bremen und Brake an den Welthandel anbindet. Durch Vertiefung einer Fahrrinne können größere Wassermengen in kürzerer Zeit durchfließen. Die Folgen: Mehr Sediment wird am Boden aufgewühlt und weitergetragen.

Kerstin Schrottke untersucht mit ihrer Nachwuchsforschungsgruppe »Meeresspiegelanstieg und Küstenerosion« im Exzellenzcluster Ozean der Zukunft die Sedimentbewegungen in Flussmündungen wie der Weser. »Um die zukünftige Entwicklung dieser Küstengewässer besser einschätzen zu können, analysieren wir die Prozesse, die sich dort abspielen«, erläutert die Juniorprofessorin, die hierzu mehrere Wochen im Jahr auf Forschungsschiffen verbringt.

Im Fahrwasser der Wesermündung türmt sich durch die Strömung Sand zu Unterwasserdünen auf, die in einigen Abschnitten mehrere Meter hoch werden können. Das verringert die schiffbare Wassertiefe. Um dies zu verhindern, veranlassen die Behörden den Einsatz von Schwimmbaggern, die das Sediment vom Gewässergrund in große Laderäume saugen und später abseits der Schifffahrtsrouten wieder ins Wasser verklappen – ein teures und aufwändiges Unterfangen.

Auf der Weser wird derzeit auch das so genannte Wasserinjektionsverfahren eingesetzt. Dabei wird eine Art Schlitten von einem Schiff dicht über den Boden der Fahrrinne geschleppt. Anstatt den Sand an die Oberfläche zu pumpen, spülen Düsen im Schlitten Flusswasser in die Ablagerungen. Dadurch entsteht ein Wasser-Sediment-Gemisch, das leicht mit dem Gezeitenstrom von Ebbe und Flut abtransportiert werden kann. Schrottke und ihr Team vom Institut für Geowissenschaften untersuchen, wie sich diese besondere Baggermethode auf die Sedimentdynamik der Küstenregion auswirkt.

Mit modernster Messtechnik erfassen die Wissenschaftler zentimetergenau die Sedimentbewegung in der Wassersäule, auf dem Gewässerboden und darin. »Die Daten weisen darauf hin, dass der Sand von den Kuppen hauptsächlich mit der Strömung in die benachbarten Täler der Unterwasserdünen verlagert wird«, so Schrottke. Die Gewässersohle wird eingeebnet und dadurch die für den Schiffsverkehr nötige Tiefe wiederhergestellt. Zwar bauen sich die Dünen mit der Zeit wieder auf, die Methode ist aber dennoch vergleichsweise kostengünstig – »und sehr effektiv, wie unsere Untersuchungen ergeben haben«, betont die Geowissenschaftlerin vom Exzellenzcluster Ozean der Zukunft.

Dem wirtschaftlichen Interesse an ausgebauten Fahrwässern stehen meist küstenschutzrelevante und ökologische Bedenken gegenüber. »Wenn wir mit unserer Arbeit dazu beitragen können, diese so verschiedenen Interessen zu harmonisieren, haben wir schon viel erreicht«, findet Kerstin Schrottke. Ihr Team arbeitet nicht nur eng mit Partnern anderer Forschungseinrichtungen, sondern auch mit den zuständigen Behörden zusammen – zum Nutzen aller Beteiligten.

Jirka Niklas Menke
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