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Nr. 60, 29.05.2010  voriger  Übersicht  weiter  REIHEN  SUCHE 

Risiko für Renditen

Frisches Geld ausländischer Investoren ist in jedem Land willkommen. Doch nicht überall sind die Bedingungen dafür klar geregelt.


Russland ist reich an Bodenschätzen – dieser Satz ist nicht nur eine im Erdkundeunterricht oder in TV-Reportagen oft bemühte Floskel. Seit dem Zerfall der Sowjetunion steht diese Tatsache in erster Linie für eines: ein riesiges Geschäft. Westliche Unternehmen waren früh an den riesigen Öl- und Gasvorkommen interessiert. Russische Unternehmen aus dem Rohstoffsektor hingegen waren auf die Technologie angewiesen, die benötigt wurde, um das zu fördern, was der Westen wollte. Deshalb drangen auch deutsche Unternehmen schnell in osteuropäische Märkte vor: BASF beispielsweise investierte beim russischen Öl- und Gaslieferanten Gazprom. Aber auch Autohersteller wie BMW und Volkswagen errichteten in Russland neue Produktionsstätten und Hochgeschwindigkeitszüge von Siemens pendeln heute zwischen Moskau und St. Petersburg.

Investitionen finden inzwischen in allen Wirtschaftszweigen statt – nicht nur in Russland, sondern auch in den Ölexportländern Kasachstan und Aserbaidschan. Anfang der neunziger Jahre hatten die westlichen Großinvestoren gegenüber diesen damals wirtschaftlich unterentwickelten Staaten eine starke Verhandlungsposition. »Dieses Verhältnis hat sich in kaum zwei Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Die Transformationsstaaten (ehemals sozialistische Länder, die sich im Übergang von einer Zentralverwaltungswirtschaft zu einem marktwirtschaftlichen System befinden) haben – vor allem durch die Vermarktung ihrer Rohstoffe – Reichtum angehäuft und damit die Benachteiligung der Anfangsjahre wieder wettgemacht«, erläutert Professor Alexander Trunk vom Institut für Osteuropäisches Recht. »Jetzt verhandeln sie mit den westlichen Partnern auf Augenhöhe. Dies führt zu Konflikten angesichts oft unklarer rechtlicher Rahmenbedingungen.« Ein Vorzeigebeispiel sind ausländische Aktionäre des Gaskonzerns Yukos. Sie klagen seit Jahren gegen den russischen Staat, der den Konzern 2006 zwangsweise verstaatlicht hat. Streitwert: 40 Milliarden Dollar!

»Oft werden solche Konflikte vor internationalen Schiedsgerichten ausgetragen, was sehr langwierig und extrem kostspielig ist«, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter Azar Aliyev. Der aus Aserbaidschan stammende Doktorand befasst sich mit dieser Problematik im Rahmen seiner Promotion. Nach Einschätzung von Professor Trunk war das Thema gut genug für ein juristisches Großprojekt, das heute von der Kieler Universität geleitet wird. Es trägt den Namen »Auslandsinvestitionsrecht in Aserbaidschan, Kasachstan und Russland«. In diesem von der Volkswagen- Stiftung gesponserten Projekt arbeiten Kieler Juristen mit Universitäten in den drei Ländern zusammen. Sie versuchen, das Auslandsinvestitionsrecht dieser Staaten systematisch zu erschließen und nationales Recht mit internationalen Bestimmungen in Einklang zu bringen.

Im Vordergrund steht dabei immer die Frage: Was gilt für einen ausländischen Investor – nationales oder internationales Recht? »Beides«, sagt Professor Trunk. »Es ist ein kompliziertes Geflecht von Regelungen. Häufig werden Verträge zwischen Großinvestoren und Gaststaaten abgeschlossen, die teils Elemente des Völkerrechts, teils nationalen Rechts enthalten.« Ein Investor müsse wissen, ob er Geld und Waren überhaupt hineinbringen darf, und seine Arbeiter nach dem geltenden Arbeitsrecht des jeweiligen Landes beschäftigen. Auch müsse sichergestellt sein, dass er seine Gewinne rücktransferieren darf, und es müsste geklärt sein. welches Steuerrecht dann gelte, so Trunk. Darüber hinaus erarbeiten die Wissenschaftler Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Investitionsrechts in den Projektländern und bauen an einem wissenschaftlichen Netzwerk aus jungen Fachleuten mit Schwerpunkt in den Projektstaaten. Zum Beispiel wird mit Aufsatzwettbewerben und Stipendien um junge qualifizierte Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern geworben.

Damit ihre Arbeit nicht pure Forschung bleibt, suchen die Kieler Juristen stets den Kontakt zu den politischen Akteuren. So sollen ihre Erkenntnisse die Chance bekommen, eines Tages in die Gesetzgebung einzufließen.

Michael Wieczorek
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