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Nr. 60, 29.05.2010  voriger  Übersicht  weiter  REIHEN  SUCHE 

Speak German!

Welche Bedeutung hat die deutsche Sprache in der Welt? Das fragte der Duisburger Sprachforscher Professor Ulrich Ammon bei einem Gastvortrag in Kiel.


Foto: iStock

Die Frage beschäftigt den Wissenschaftler seit Jahrzehnten. 1991 erschien Ammons Buch »Die internationale Stellung der deutschen Sprache«. Zuletzt äußerte er sich im Februar 2010 in der »Welt« über den Stellenwert von Deutsch in der Europäischen Union, und im »Magazin Deutschland« gab er kürzlich einen Gesamtüberblick über die Lage der deutschen Sprache. Auf Einladung von Professor Winfried Ulrich von der Gesellschaft für deutsche Sprache verknüpfte Ammon bei einem Vortrag in Kiel die aktuelle Bestandsaufnahme mit einem Blick in die Zukunft.

»Die Tendenz ist teilweise ungünstig«, meint der Linguist. Die Gründe dafür sieht er in Wirtschaft und Politik. »Hitler und der Zweite Weltkrieg waren natürlich katastrophal für das Ansehen der deutschen Sprache«, sagt Ulrich Ammon. Aber ganz besonders nimmt er die aktuelle Politik aufs Korn: »In der EU dominieren Englisch und Französisch als Arbeitssprachen, obwohl die deutschen Muttersprachler in der Union die größte Gruppe bilden.«

Die übergreifenden Veränderungen haben, so Ammon, bereits nach dem Ersten Weltkrieg begonnen. »Vor 100 Jahren war Deutsch in Chemie die Lingua franca. Die "Chemischen Berichte" waren das Zentralorgan des Faches.« Heute heißt die Zeitschrift »Chemical Abstracts«. Auch andere große deutsche Bibliografien seien von angelsächsischen Organen übernommen worden. In fast allen wissenschaftlichen Fächern gelte inzwischen: Wer etwas Weltbewegendes mitteilen wolle, tue es auf Englisch. »Selbst auf Germanistiktagungen im Ausland wird heute oft Englisch gesprochen«, sagt Ammon.

Eine ähnliche Erfahrung war es, die Prof. Winfried Ulrich bewog, den Kollegen einzuladen. »Ich habe erlebt, dass ein befreundeter ungarischer Germanist in Deutschland von allen auf Englisch begrüßt wurde«, sagt Ulrich. »Warum haben Deutsche so wenig Selbstbewusstsein für ihre Sprache und müssen sofort ihre Fremdsprachen vorzeigen?«

Dabei seien Deutschkenntnisse nicht so selten, wie manche offenbar vermuten. »Ich schätze, dass es in der Welt rund 100 Millionen deutsche Muttersprachler gibt und etwa ebenso viele, die es als Fremdsprache sprechen«, sagt Ulrich Ammon. Genaue Zahlen zu nennen sei schwierig, schließlich reiche die Bandbreite vom bloßen »Guten Tag« bis zur Fähigkeit, einen wissenschaftlichen Vortrag auf Deutsch zu halten. In 119 Ländern könne man Deutsch an Schulen oder Hochschulen als Fremdsprache lernen, allein an den Goethe-Instituten täten das derzeit 14,5 Millionen Menschen. »Wo auch immer ich Vorträge halte, überall gibt es Grüppchen von Menschen, die Deutsch sprechen«, so Ammon.

Damit gehöre Deutsch nach wie vor zu einer der globalen Sprachen, ebenso wie Spanisch, Französisch, Chinesisch und Japanisch. Auch im Internet sei Deutsch gut vertreten, sagt Ulrich Ammon: »Bei den Internetseiten ist es an zweiter oder dritter Stelle, bei den Nutzern an sechster.« Angesichts von etwa zweitausend Sprachen auf der ganzen Welt sei das nicht schlecht.

Das ändert allerdings nichts daran, dass auch eine erfolgreiche Band wie Tokio Hotel im Ausland lieber auf englische Texte vertraut und deutsche Werbeagenturen mit Vorliebe englische Slogans erfinden. »Englisch gilt als schöner und prestigeträchtiger«, so das Fazit von Ulrich Ammon. Es sei schwer vorherzusagen, ob Deutsch in Zukunft wieder eine bessere Stellung bekomme. »Da spielen sehr viele Faktoren eine Rolle.« Auch der Kieler Germanist Winfried Ulrich bleibt da vorsichtig. Der einzelne Bürger könne nur eines tun: »Jeder sollte darauf achten, selbst ein klares Deutsch zu sprechen.«

Eva-Maria Karpf
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