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Nr. 60, 29.05.2010  voriger  Übersicht  weiter  REIHEN  SUCHE 

Ans Licht gebracht

Das von Kieler Physikern entwickelte LISA-Instrument nutzt intensives Röntgenlicht, um die Anordnung von Atomen an Flüssigkeitsgrenzflächen zu ermitteln.


Bridget Murphy beim Justieren des Probenhalters auf LISA. Foto: pur.pur

In unterirdischen Ringen werden im Hamburger Beschleunigungszentrum DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) elektrisch geladene Teilchen auf Lichtgeschwindigkeit gebracht. Dabei strahlen die Teilchen Licht ab, das als so genannte Synchrotronstrahlung vielfältig für die Erforschung von Materialien eingesetzt werden kann. Einer der drei Beschleunigungsringe auf dem DESY-Campus ist PETRA III (Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage). Seit ihrem Umbau im letzten Jahr gilt sie als leistungs­stärkste Röntgenlichtquelle der Welt. Bis zu dreißig Experimente können gleichzeitig in einer 300 Meter langen Experimentierhalle ablaufen. Auch eine Kieler Arbeitsgruppe vom Institut für Experimentelle und Ange­wandte Physik hat hier einen Messplatz, der durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird.

Für das Team um Professor Olaf Magnussen und Dr. Bridget Murphy ist die Strahlung des Teilchen­beschleunigers PETRA eine ideale Voraussetzung, um die strukturellen Eigenschaften von Flüssigkeits­grenzflächen zu erforschen. »PETRA liefert ein brillantes, kurzwelliges und sehr helles Röntgenlicht, das viel intensiver ist als das in medizinischen Röntgengeräten«, erklärt die Physikerin.

Experimentierhalle des neuen Beschleunigerrings PETRA III auf dem DESY-Campus. Foto: pur.pur

Untersucht werden Grenzflächen zwischen verschiedenen Flüssigkeiten oder biologische Membranen, wie sie auch jede menschliche Zelle umgeben. Hier laufen wichtige Transportprozesse ab, die im Detail bisher kaum erforscht sind. Die Grundlagenforschung am Teilchenbeschleuniger soll mehr Licht ins Dunkel bringen, indem sie über die Anordnung der Moleküle in Flüssigkeiten und Membranen und damit über deren Eigenschaften Aufschluss gibt. »Grundlagenforschung an Flüssigkeiten kann die Funktion von hochempfindlichen medizinischen Sensoren, die Herstellung von Kosmetika oder die Wirkung von Medikamenten optimieren. Die Anwendungsgebiete sind sehr vielfältig«, sagt Murphy.

Die Messung an Flüssigkeitsgrenzflächen stellt allerdings eine besondere Herausforderung dar. Denn schon geringste Erschütterungen erzeugen Wellen auf der Oberfläche der Flüssigkeit. Das macht es undenkbar, atomare Abstände zu messen. Deshalb baute das Kieler Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden und dem Ingenieur Matthias Greve mit Unterstützung der Werkstatt des Physikinstituts speziell für PETRA ein neuartiges Instrument: LISA (Liquid Interfaces Scattering Apparatus). Dieses lenkt das Licht auf die Flüssigkeitsprobe, ohne dass diese selbst bewegt werden muss. »Mit dem Projekt haben wir vor zweieinhalb Jahren begonnen«, so Professor Magnussen. »Für die beteiligten Studenten ist es eine tolle Möglichkeit, hautnah am Aufbau einer internationalen Großforschungseinrichtung dabei zu sein.«

Links: Die Testflüssigkeiten werden vor der Bestrahlung unter Vakuum gesetzt.
Rechts: LISAs Präzisionsmechanik Foto: pur.pur

Als Testflüssigkeiten setzen die Kieler Wissenschaftler bisher Salz- und Zuckerlösungen, aber auch Öl und flüssiges Quecksilber ein. Die Flüssigkeiten werden in ein geschlossenes Gefäß aus Hightech­materialien gefüllt, in dem eine Atmosphäre aus hochreinem Stickstoff herrscht. »Damit verhindern wir eine Verschmutzung durch Staub oder andere Kontaminationen«, sagt Murphy. Durch ein Fenster in dem Gefäß fällt der Röntgenstrahl auf die flüssige Grenzfläche und wird daran reflektiert, so wie sich die Sonne im Meer spiegelt. Die Wissenschaftler fangen das reflektierte Licht auf und bestimmen daraus die Anordnung der Atome an der Grenzfläche.

Ein ähnliches Experiment in den USA brachte bereits aufschlussreiche Erkenntnisse. »Wir haben die Grenzfläche zwischen flüssigem Quecksilber und einer Salzlösung untersucht und konnten dabei zum ersten Mal Informationen über die atomaren Abstände an einer Flüssig-flüssig-Grenzfläche gewinnen«, erklärt Annika Elsen, die in Magnussens Arbeitsgruppe für ihre Doktorarbeit forscht und die Ergebnisse des Experiments in der hoch renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlichte. Die Experimente in Hamburg knüpfen an diese Untersuchungen an. Bis sich daraus allerdings Verbesserungen beispielsweise bei der Medikamentenaufnahme entwickeln lassen, vergehen sicher noch mehr als zehn Jahre, schätzt Murphy.

Claudia Eulitz
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