Globus mit Reserven
Bis zum Jahr 2050 soll die Erde 2,5 Milliarden Menschen zusätzlich ernähren. Ist das zu schaffen?

Auch zukünftig wird die Erde genügend Lebensmittel für die wachsende Bevölkerung liefern. Aber in einigen Regionen, wie hier in der Sahel-Sahara-Zone, sind die Bedingungen für die Landwirtschaft eher ungünstig. Foto: Giulio Napolitano
Das mag verwunderlich erscheinen, denn die im Raum stehenden Zahlen sind nicht eben klein. Um die wachsende Weltbevölkerung satt zu machen, sind bis 2050 voraussichtlich zusätzlich eine Milliarde Tonnen Getreide pro Jahr nötig, so dass jährlich mehr als drei Milliarden Tonnen geerntet werden müssen. Obendrein braucht es zusätzlich 250 Millionen Tonnen Fleisch.
Wenig ist das nicht, doch relativiert sich die Dimension des Problems aus Schmidhubers Sicht mit einem Blick auf die Vergangenheit. Allein seit 1850, so argumentiert er, hat sich die Zahl der Menschen von einer auf knapp sieben Milliarden erhöht, so dass der bis 2050 zu erwartende weitere Anstieg vergleichsweise moderat sein wird:
»Das Gravierendste haben wir hinter uns, Ende des 21. Jahrhunderts
könnte die Weltbevölkerung sogar leicht zurückgehen.«
Auch in anderer Hinsicht führt eine historische Herangehensweise zu entspannten Einschätzungen. In den 1970er Jahren litten etwa eine Milliarde Menschen Hunger, heute sind es etwa 850 Millionen. Die Quote der Unterernährten ist dabei wegen des geringeren Bevölkerungswachstums von 35 Prozent auf etwa 14 Prozent in den Entwicklungsländern gesunken, weltweit sind es sogar nur 12 Prozent. »Immer noch inakzeptabel« ist das aus Sicht des gelernten Agrarökonomen Schmidhuber. Aber eben auch ein Signal dafür, dass die Aussichten so trübe nun auch nicht sind.
Mit einem Plus von etwa 60 Prozent steigt gleichwohl die Menge der bis 2050 nachgefragten Lebensmittel stärker an als die Bevölkerungszahl. Das hat damit zu tun, dass in den heute noch ärmeren, aber hochdynamischen Teilen der Welt wie China, Malaysia, Indonesien, Brasilien oder Thailand mit dem Wohlstand auch der Genuss von Fleisch und anderen veredelten Lebensmitteln zunehmen wird. Eine Rolle spielt zudem die künftige Altersstruktur großer Teile der Bevölkerung. Während heute sehr viele junge Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern und eine wachsende Zahl alter Menschen in den Industrienationen leben, werden künftig enorm viele Frauen und Männer zwischen 25 und 55 Jahre alt sein, mit dem entsprechenden Appetit auf Fleisch und überhaupt einem erheblich größeren Kalorienbedarf als sehr junge oder ältere Menschen.
Von den Flächen her lässt sich diese Nachfrage nach den Prognosen der FAO gut befriedigen. Zwischen den 1950er und den 1980er Jahren sei die für Ackerbau genutzte Fläche trotz enormer Produktionssteigerung weltweit nur leicht gestiegen, betont Schmidhuber. Außerdem stünden zusätzlich zu den derzeit genutzten 1,6 Milliarden weitere knapp drei Milliarden Hektar potenziell für die Landwirtschaft zur Verfügung, davon etwa ein Drittel mit gutem Produktionspotenzial.
Bodenkundler wie der Kieler Professor Rainer Horn relativieren diese Zahlen allerdings. »Es kommt nicht ausschließlich auf die Fläche an, sondern darauf, was der Boden leisten kann, also auf seine Qualität.« Besonders im südlichen Afrika und anderen Regionen mit starkem Bevölkerungswachstum sei die Bodenbeschaffenheit teils sehr problematisch, die Auswirkungen des Klimawandels müssten ebenfalls noch berücksichtigt werden, sagt der Wissenschaftler. Trotzdem geht auch Horn davon aus, dass das Problem zu lösen ist. Ebenso wie Schmidhuber sieht er unter anderem noch erhebliche Potenziale in effizienteren Bewirtschaftungsformen.
Trotz allem wird die Welt 2050 nicht rosarot aussehen. So sind in Nordafrika, dem nahen Osten und Südasien die Potenziale der Landwirtschaft schon heute nahezu ausgeschöpft. Diese Regionen werden dauerhaft auf Importe angewiesen sein, sagt Schmidhuber, aus dessen Sicht es Sache der einzelnen Staaten ist und sein wird, möglichst allen Bevölkerungsgruppen Zugang zu Nahrung zu verschaffen.
Auch nachwachsende Rohstoffe, die zur Energiegewinnung genutzt werden, bergen Unsicherheiten. Einerseits sieht die FAO zwar nur begrenzte Konkurrenz zwischen Tank und Teller, andererseits könnten entsprechende Anreize seitens der Politik die Verhältnisse schnell gründlich umkrempeln. Schmidhubers Fazit: »Wir haben keinen Grund, in Panik zu verfallen, aber auch keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen.«
Martin Geist
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