Der Biologie verhaftet
Der Physikingenieur Lars heepe arbeitet im Zoologischen Institut an seiner Dissertation über biologische und biologisch-inspirierte Haftsysteme. Die ungewöhnliche Kooperation produziert erstaunliche Ergebnisse.

Lars heepe hängt mithilfe einer Haftfolie an der Decke. Die Folie ist den Haftungsmechanismen von Insekten nachempfunden. Foto: CAU / Sebastian Maas
Also suchte er schon im Studium nach einer Schnittstelle zu anderen Forschungsfeldern und stieß auf die Bionik. Nach seiner Bachelorarbeit in Stuttgart wechselte er für den Master Scientific Instrumentation an die Kieler Förde. Seit 2011 forscht und bastelt er gemeinsam mit Professor Stanislav Gorb (Spezielle Zoologie) an der CAU.
»Hier ist einiges an "Daniel-Düsentrieb-Qualitäten" gefragt. Es ist ein bisschen wie Lego spielen, nur dass die Steine heute teurer sind als früher.« heepe bezieht sich dabei auf die zahlreichen selbstentwickelten und maßgeschneiderten Instrumente und Geräte, die sie für ihre Arbeit verwenden. Ein Beispiel ist die von Gorb entwickelte »Käferzentrifuge«, die wie der Drehteller eines Plattenspielers funktioniert. »Man setzt einen Käfer darauf und misst, bei welcher Geschwindigkeit er sich nicht mehr halten kann«, erläutert heepe, der sich vor allem für die tierischen Haftsysteme interessiert. In Korrelation zu Größe und Körpergewicht des Insekts ergebe sich so ein messbarer und vergleichbarer Wert. Tiere mit besonders guter Oberflächenhaftung werden anschließend mit Elektronenmikroskop, Computertomograph und Hochgeschwindigkeitskamera untersucht.
Die Wissenschaftler unterscheiden zwei Arten von Haftsystemen: glatte und haarige. Besonders die Haarigen haben es heepe angetan. Die winzigen, im Mikrometerbereich liegenden Haare schließen mit verschieden geformten Haftplättchen ab. So sind die pilzkopfförmigen Haftplättchen einiger Käfer besonders für die Langzeithaftung geeignet. Spatelförmige Haarspitzen hingegen, wie sie beispielsweise bei Geckos und Spinnen vorkommen, erlauben eine extrem schnelle Fortbewegung.
heepe: »Wir sehen hier eindeutig, dass die Evolution bei nicht verwandten Arten einen ähnlichen Weg gefunden hat, um das Problem der Haftung zu lösen. Man kann hier eine Parallelentwicklung der Organe erkennen.«
Um den Prozess des Haftens besser zu verstehen, arbeitet heepe auch mit künstlichen Modellsystemen. Beispielsweise mit einer Haftfolie, welche mit rund 30.000 mikroskopisch kleinen Pilzköpfen pro Quadratzentimeter besetzt ist. Eine Fläche von 20 x 20 Zentimetern von dieser Folie hält das Gewicht eines erwachsenen Mannes. Die Haftplättchen auf der Folie ähneln denen von manchen Käfern und halten auch in Feuchtigkeit. Das macht sie für den Unterwasser-Einsatz interessant.
»In den nächsten zwei Jahren soll das Potenzial der Folie als Antifouling-Material im Schiffbau oder für Offshore- Anlagen erforscht werden«, sagt heepe. Zur Weiterentwicklung dieser Technologie erhielten die Bionikforscher im Januar eine Unterstützung des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministeriums in Höhe von 60.000 Euro.
Um den Bewuchs von Schiffsrümpfen zu verhindern (Antifouling), kommen bisher vor allem spezielle Farben zum Einsatz. Antifouling auf Basis der speziellen speziellen Haftfolie könnte Wasserfahrzeuge aquadynamischer machen. Das würde den Treibstoffverbrauch deutlich senken und die Schiffe schneller machen. Außerdem könnte durch die Folie auf den Einsatz von giftigen Chemikalien verzichtet werden.
Die Biologie ist ein spannendes Forschungsfeld und die Veröffentlichungen in den großen Fachmagazinen zeigen uns, dass sich die herausfordernde Arbeit gelohnt hat. Und die Förderung durch das Land macht klar, dass es für unsere Forschungsergebnisse eine hohe Nachfrage in der Wirtschaft gibt.«
Sebastian Maas
Tierisch erfolgreiche Forschung
Die Arbeitsgruppe »Funktionelle Morphologie und Biomechanik« am Zoologischen Institut unter der Leitung von Professor Stanislav Gorb betreibt Grundlagenforschung an biologischen Grenz- und Oberflächen. Rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untersuchen dazu die Funktionalität und Beschaffenheit zum Beispiel von Fischschuppen, Froschzungen, Schlangenhaut und Vogelfedern. Die erstaunlichen Ergebnisse der Forschung wecken auch das Interesse von Firmen etwa im Schiff- und Fahrzeugbau oder in der Luftfahrt. (sma)
▲ Top |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Zuständig für die Pflege dieser Seite:
unizeit-Redaktion
► unizeit@uni-kiel.de