Meer aus Daten

Neue digitale Kooperation im Maritimen Raum zwischen Rostock und Kiel gestartet

Den Klimawandel stoppen, Windkraftausbau beschleunigen und alte Munition aus dem Meer schneller räumen - dafür ist am 24. Februar 2022 ein neues BigData Projekt unter Beteiligung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) in Deutschland an den Start gegangen. Für das neue digitale Leuchtturmprojekt Maritime Smart Sensor Data Space X, kurz Marispace-X, gab Bundesminister Dr. Robert Habeck bei der Übergabe der Förderbescheide in Berlin vergangene Woche den Startschuss.

Das 15 Millionen Euro große Projekt unter Leitung des Cloudanbieters IONOS, wird von dem Digitalunternehmen north.io aus Kiel koordiniert und durch ein Projekt-Konsortium aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern realisiert. Marispace-X setzte sich dabei aus über 130 Anträgen als eins von 16 Leuchtturmprojekten durch, die einen signifikanten Beitrag zur europäischen digitalen Infrastruktur-Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums leisten sollen.

Marispace-X ist dabei das größte Industrie getriebene Digitalisierungsprojekt dieser Art und soll in Zukunft erheblich zur Entwicklung der maritimen Datenökonomie und Wertschöpfung beitragen, sowohl auf lokaler, regionaler als auch internationaler Ebene. Zukünftig können damit in einer Cloudumgebung Meeresdaten weltweit sicher und effizient gespeichert, geteilt und analysiert werden. „Wir wollen maritime Geodaten nutzbar machen sie mit anderen Quellen verknüpfen und teils unter Wasser verarbeiten“, sagt Jann Wendt, Initiator von Marispace-X und Geschäftsführer von north.io.

Die Landesregierung werde alles dafür tun, um das Projekt auch in Zukunft zu stärken, so Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. „Es freut mich, dass dieses maritime Leuchtturmprojekt für die digitale Transformation in Europa aus der mittelständischen Digitalwirtschaft Schleswig-Holsteins heraus initiiert wurde. Es geht um den Meeres- und Klimaschutz, um die Beschleunigung der Energiewende und um die Räumung der Munitionsaltlasten aus dem Meer. All diese Themen machen nicht an Landesgrenzen halt. Daher begrüße ich dieses Kooperationsprojekt sehr und bin mir sicher, dass der Norden hier starke Impulse setzen wird“, sagte er.

Der Nutzwert des Projekts wird an vier Anwendungsfällen verdeutlicht:

  • „Mit Hilfe von Marispace-X kann künftig die Ausbaugeschwindigkeit von Off-Shore-Windkraft-Anlagen signifikant erhöht werden, indem es beispielsweise die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung bei der Flächenerkundung vervielfacht“, so Frithjof Hennemann von der TrueOcean GmbH, der den Anwendungsfall Windkraft in Marispace-X leitet.
     
  • Die Zusammenführung und Auswertung maritimer Daten unterschiedlicher Herkunft (auf dem Meeresboden oder von einem Schiff aus gemessen) ist aktuell schwierig und kostenintensiv. Die Erforschung und Nutzung des Ozeans wird dadurch ausgebremst. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) nimmt sich der Herausforderungen innerhalb Marispace-X mit dem Rostocker Unterwasser-Testfeld Digital Ocean Lab an. „Ziel unserer Forschung ist es, einen offenen Maritimen Datenraum (Maritime Data Space) für die Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung so zu entwickeln, dass wir die Nutzung digitaler Zwillinge der Unterwasserwelt in Echtzeit ermöglichen und für unterschiedliche Anwendungszwecke unserer Industriepartner nutzbar machen können.“, so Professor Uwe von Lukas, Leiter des Fraunhofer IGD in Rostock.
     
  • Darüber untersucht das Projekt, wie künftig Küstenvegetation gezielt angebaut werden kann, um damit aus der Atmosphäre mehr CO2 zu binden. Als Beispiel sind die Seegraswiesen zu nennen. Sie nehmen weltweit schätzungsweise 600.000 Quadratkilometer ein, das entspricht der Größe Frankreichs, und nehmen jedes Jahr bereits über 80 Millionen Tonnen CO2 auf – so viel, wie alle Autos in Italien und Frankreich im gleichen Zeitraum ausstoßen. „Um die idealen Bedingungen für den gezielten Anbau zu erforschen, gleichen wir in Marispace-X Satellitendaten mit Daten aus dem Meer ab und können so die Verbreitung und CO2-Speicherkapazität der Pflanzen bestimmen“, erklärt Professor Natascha Oppelt von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
     
  • Eine weitere Anwendung von Marispace-X ist das schnellere Auffinden und Räumen von Munitionsaltlasten im Meer: über 1,6 Millionen Tonnen aus den Weltkriegen liegen allein in Nord- und Ostsee. Wo genau, das soll Marispace-X aus der sicheren Zusammenführung geschützter Quellen und mit den Daten der Behörden verorten. „Die Herausforderungen des gefährlichen Munitionsmülls auf dem Meeresboden sind nur gemeinsam und mit den neuesten Technologien zu lösen. Wenn all die Daten zusammenfließen, die es bereits jetzt von Forschungseinrichtungen und Unternehmen rund um das Meer gibt, kann die Munition besser gefunden und geborgen werden“, so Ministerpräsident Günther.

Neben den positiven ökologischen Auswirkungen ergeben sich auch ökonomische:

„Marispace-X bildet die Grundlage für maritime digitale Geschäftsmodelle, ermöglicht neue Formen digitaler Wertschöpfung und schafft Hightech-Jobs im maritimen Sektor in Deutschland. Das Projekt ist ein Treiber der Transformation im maritimen Sektor und leistet einen wichtigen Beitrag für dessen Zukunftsfähigkeit“, so Claudia Müller, Maritime Koordinatorin der Bundesregierung.

Aus der Sicht von Martin Endreß, Chief Customer Officer von IONOS ist Marispace-X ein Paradebeispiel, was mit Gaia-X gelingen kann. „Hochinnovative Ideen kommen über enge Kooperation auf Basis gemeinsamer Standards zustande. So können europäische Unternehmen datengetriebene Geschäftsmodelle entwickeln, die wir sonst nur aus den USA oder Asien kennen.”

Insbesondere die länderübergreifende digitale Kooperation im Maritimen Raum zwischen Rostock und Kiel auf diesen Feldern stelle dabei ein wichtiges Pfund von Marispace-X dar, sagt Bettina Martin, Wissenschaftsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. „Die maritime Forschung und Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein werden von der Zusammenarbeit zwischen Rostock und Kiel profitieren. Die Förderung der Digitalisierung des maritimen Raums durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz stärkt unsere Arbeit für die positive Entwicklung von Wissenschaft und Unternehmen an der Ostsee“, ergänzt sie.

Dieses große Potential der Digitalisierung des Maritimen Raums wird auch in der Wirtschaft erkannt und hat dazu geführt, dass mittlerweile zahlreiche nationale und internationale Großkonzerne Partnerschaften mit Marispace-X eingegangen sind, darunter beispielsweise Orsted, Siemens Gamesa, und thyssenkrupp Marine Systems.

Luftaufnahme von einer Küste
© Felix Gross/Kilian Etter, Uni Kiel

Seegraswiesen vor Heidkate an der Küste Schleswig-Holsteins

Über das Projekt Marispace-X

Marispace-X ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördertes Projekt im Kontext von Gaia-X. Ziel ist der Aufbau eines maritimen Datenökosystems, das es Stakeholdern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Behörden und NGOs erlaubt, die über das- und aus dem Meer gewonnenen Daten auf Basis europäischer Standards und Werte sicher zu verwalten, zu teilen, zu analysieren und hieraus zukünftig neue Erkenntnisse zu gewinnen und neue innovative Lösungen und Dienstleistungen zu entwickeln.

Mit Entwicklung dieses digitalen Ökosystems der Ozeane adressiert das Projektkonsortium gleich mehrere wichtige Herausforderungen dieses Jahrzehnts, wie den Klimawandel, Meeresschutz und den Digitalen Wandel durch zahlreiche praktische Anwendungsfälle, darunter: Offshore Windenergie, Biologischer Klimaschutz, Munition im Meer und das Internet of Underwater Things.

Das Projektkonsortium unter Leitung des Cloudanbieters IONOS SE wird von dem Digitalunternehmen north.io GmbH koordiniert. Konsortialpartner daneben sind die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der maritime BigData-Spezialist TrueOcean GmbH, das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, die Stackable GmbH und die MacArtney Germany GmbH, und die Universität Rostock.

Durch die Einbindung zahlreicher weiterer internationaler assoziierter Partner und maritimer Stakeholder wird eine anwendungsbezogene Entwicklung in allen Bereichen sichergestellt.

Wissenschaftlicher Kontakt (CAU):

Prof. Dr. Natascha Oppelt
Geographisches Institut
0431/880-3330
oppelt@geographie.uni-kiel.de

Gesamtkoordinator Marispace-X (CAU)

Prof. Dr. Matthias Renz
Archaeoinformatics — Data Science
Dept. Computer Science, CAU
mr@informatik.uni-kiel.de

Pressekontakt:

Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing
Sachgebiet Presse, Digitale und Wissenschaftskommunikation