Urbanes Design in Pompeji
Erste umfassende Studie zur Atmosphäre einer antiken Stadt erschienen
Einladend, gemütlich, entspannt oder auch abweisend, eng, bedrückend – Städte können sehr unterschiedliche Atmosphären vermitteln. Aus der Sicht der jeweiligen Kommunen ist die Atmosphäre ein wichtiger Standortfaktor, zum Beispiel um Touristen anzulocken. Stadtplanung und Stadtmarketing versuchen daher, bestimmte, möglichst positive, Atmosphären zu erzeugen.
Das ist schon ein sehr altes Phänomen. Doch wie wurden in früheren Epochen urbane Gestaltungsstrategien umgesetzt, um bestimmte atmosphärische Effekte zu erzeugen? Prof. Dr. Annette Haug und ihr Team vom Institut für Klassische Archäologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist dieser Frage finanziert vom Europäischen Forschungsrat am Beispiel von Pompeji nachgegangen. Die Ergebnisse dieser Arbeit präsentiert jetzt ihr Buch „Öffentliche Räume in Pompeji”, das ab sofort frei im Internet verfügbar ist. Sowohl die Forschungen als auch die Publikation wurden zusätzlich vom Exzellenzcluster ROOTS an der CAU unterstützt.
„Das Konzept der Atmosphäre ist in der Lage, städtisches Erleben ganzheitlich darzustellen. Es geht unter anderem auf den Kieler Philosophen Hermann Schmitz zurück”, erklärt die Autorin die grundsätzliche Idee. Allerdings seien Atmosphären in diesem philosophischen Verständnis sehr offen und je nach Faktor und Perspektive stark veränderlich. „Für die praktische Anwendung bei der Untersuchung einer antiken Stadt haben wir uns deshalb auf die Frage konzentriert, wie bestimmte Gestaltungsformen eingesetzt wurden, um bestimmte Atmosphären zu erzeugen”, sagt Prof. Dr. Haug.
Im Fokus des Buches stehen die letzten Jahrzehnte der Stadt vor der Zerstörung durch den Vesuv im Jahr 79 n. Chr. Aufgrund der besonderen Situation in Pompeji ist der Zustand der Stadt für diese Zeit so gut greifbar wie bei kaum einer anderen antiken Stadt.
Das Buch stellt Straßen, das Forum mit seinen angrenzenden Gebäuden, Heiligtümer, Theater, das Amphitheater, die Thermen, Lebensmittelläden, Imbisse, Bars und Gaststätten sowie das Bordell hinsichtlich ihrer Gestaltungsstrategien, ihrer Handlungsangebote und ihrer atmosphärischen Effekte vor.
Auf knapp 500 Seiten präsentiert es so die erste umfassende Studie zur Atmosphäre einer antiken Stadt. „Das Projekt zeigt, dass das Konzept großes Potenzial hat, das Erleben einer vormodernen Stadt besser nachvollziehen zu können. Ich hoffe, dass das Buch weitere Studien in dieser Richtung anregt“, resümiert die Autorin.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Annette Haug
Institut für Klassische Altertumskunde
+49 431 880 2051
ahaug@klassarch.uni-kiel.de
Originalpublikation
Das Buch „Öffentliche Räume in Pompeji. Zum Design urbaner Atmosphäre“ von Annette Haug in Zusammenarbeit mit Adrian Hielscher und Simon Barker ist im Verlag De Gruyter als Open-Access-Veröffentlichung erschienen: https://doi.org/10.1515/9783110988383
Die Entstehung und der Druck der Publikation wurden aus Mitteln des ERC Consolidator Grants DECOR (Nr. 681269), des Exzellenzclusters „ROOTS – Social, Environmental, and Cultural Connectivity in Past Societies“ (EXC 2150) sowie der Kollegforschungsgruppe „Religion and Urbanity. Reciprocal Formations“ (FOR 2779) finanziert.
Über den Exzellenzcluster ROOTS
Der Exzellenzcluster ROOTS – Konnektivität von Gesellschaft, Umwelt und Kultur in vergangenen Welten – an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel (CAU) untersucht seit 2019 die Wurzeln sozialer, umweltbedingter und kultureller Phänomene und Prozesse, die die menschliche Entwicklung nachhaltig prägen. Dafür erforschen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Geistes- Sozial-, Natur- und Lebenswissenschaften in einem interdisziplinären Ansatz archäologische und historische „Laboratorien“ unter der Annahme, dass Menschen und ihre Umwelt sich gegenseitig geprägt haben und dabei soziale und umweltrelevante Konnektivitäten geschaffen haben, die bis heute existieren.
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