Toleranz: ein Mittel für eine gerechte Gesellschaft

Zu ihrem fünfjährigen Jubiläum diskutierte die Kieler Forschungsstelle Toleranz mit zahlreichen Gästen dringende gesellschaftliche Fragen

Gemeinsam mit renommierten Gästen aus dem In- und Ausland, Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitarbeitenden und Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel feierte die Kieler Forschungsstelle Toleranz (KFT) am 14. und 15. September 2023 ihr fünfjähriges Jubiläum. Verschiedene Veranstaltungen gaben Impulse und ermöglichten einen offenen Austausch über Toleranz, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und viele weitere Themen, die unsere Gesellschaft bewegen. „In den vergangenen fünf Jahren haben wir intensiv geforscht, Studierende ausgebildet und immer wieder eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, Politik sowie Wirtschaft geschlagen“, resümierte Professor Bernd Simon, Leiter der KFT.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Beispielsweise haben die Forschenden ein Toleranzmodell entwickelt, ein Programm zur Extremismusprävention begleitet, an der mobilen Wanderausstellung „Toleranzräume“ mitgewirkt, im Rahmen von „Rent-a-Scientist“ mit Schülerinnen und Schülern diskutiert sowie in einer öffentlichen Veranstaltung mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck über Toleranz und ihre Grenzen gesprochen. In ihrem Grußwort dankte Kristina Herbst, Landtagspräsidentin Schleswig-Holsteins und Schirmherrin der Jubiläumsveranstaltungen, dem KFT-Team für den „unschätzbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten, in denen notwendige Debatten über unsere Gegenwart und Zukunft immer schwieriger zu führen sind“. Besonders entscheidend sei der Ansatz, aus der Grundlagenforschung heraus zu Erkenntnissen zu gelangen, die auch praktische Anwendungen erlaubten.

„Das Menschsein verbindet uns alle“

Am praktischen Leben orientiert sich das von der KFT entwickelte Ablehnung-Respekt-Modell der Toleranz, das Bernd Simon kürzlich der internationalen Fachwelt in der renommierten Fachzeitschrift American Psychologist vorgestellt hat. „Kurz gesagt beschreiben wir Toleranz als durch Respekt gezähmte Ablehnung“, erläuterte Simon. Andere Haltungen, Lebensweisen oder Herkünfte können demnach abgelehnt werden, solange man sich auf einer übergeordneten Ebene als Gleiche anerkennt. Beispiel Fußball: Naturgemäß lehnen gegnerische Mannschaften einander ab. Gleichwohl verstehen sich übergeordnet alle als Sportlerinnen und Sportler und spielen fair nach den Regeln. „Das Kieler Toleranzmodell ermöglicht sowohl den Tolerierenden als auch den Tolerierten Selbstrespekt und Authentizität – beides ist Bestandteil der Menschenwürde und damit von Menschenrechten“, betonte Simon. Daran schloss Professorin Beate Rudolf in ihrem Festvortrag an. „Toleranz ist eine außerrechtliche Voraussetzung, damit Menschenrechte überhaupt zur Umsetzung kommen“, sagte die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. „Es ist das Menschsein, das uns alle verbindet. Toleranz steht in engem Verhältnis zum Diskriminierungsschutz und ist ein wichtiges Mittel, um in einer Gesellschaft friedlich zu leben.“  

Toleranz von allen Seiten beleuchtet

Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Karin Prien begrüßte die Expertinnen und Experten beim wissenschaftlichen Symposium im Maritim Hotel Bellevue. Carolin H. Rapp, Politikwissenschaftlerin an der Universität Kopenhagen beleuchtete, wie Nationalismus, Populismus und politische Toleranz miteinander zusammenhängen. Psychologie-Professorin Linda J. Skitka von der University of Illinois at Chicago beschäftigte sich wiederum mit moralischen Überzeugungen und wie diese mit Intoleranz oder aber auch dem Streben nach positivem sozialem Wandel zusammenhängen.

Einen weiteren Höhepunkt bildete die abschließende Podiumsdiskussion im Kieler Rathaus. Etwa im Umgang mit Vielfalt sei das Kieler Toleranzmodell hilfreich, sagte Anna Langsch, Sozialpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein. „Ich kann nicht erwarten, dass mich jemand mag, aber ich kann erwarten, mit Respekt behandelt zu werden.“ Beispielsweise sei das Vorenthalten von Rechten in einer demokratischen Gesellschaft nicht zu rechtfertigen durch Ablehnung von persönlichen Merkmalen wie Queersein oder den ethnischen Hintergrund. In dem Gespräch, an dem auch Bernd Osterloh, ehemaliger Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Volkswagen AG, und der Journalist Christoph Schwennicke teilnahmen, erläuterte Bernd Simon zudem: „Menschen streben oft danach, zur Mehrheit zu gehören. Es ist jedoch auch ein Gewinn, nicht immer dazugehören zu müssen. Vielfalt tut einer Gesellschaft gut und ermöglicht Kreativität.“ Letztlich schlug das Podium den Bogen zu sozialer Gerechtigkeit und war sich darin einig, dass sowohl ökonomische Sicherheit als auch Respekt und Anerkennung Grundpfeiler sozialer Gerechtigkeit sind.

Text: Daniela Schmidt

Eine Personengruppe
© Bevis Nickel

Alexander Kraft (Leiter der Abteilung für Schulgestaltung und Schulaufsicht allgemein- und berufsbildende Schulen, Förderzentren, Qualitätssicherung im Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur), Bernd Osterloh (ehemaliger Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Volkswagen AG), Christoph Schwennicke (Journalist, Mitglied der Chefredaktion von T-Online), Anna Langsch (Sprecherin für Soziales, Queer, Wohnen, Menschenrechte, Inklusion und Antidiskriminierung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), Helga Rausch (Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Kiel), Dr. Christian Meyer-Heidemann (Landesbeauftragter für politische Bildung in Schleswig-Holstein), Prof. Bernd Simon (Professor für Sozialpsychologie und Politische Psychologie, Leiter der KFT).

Mann im Anzug an einem Rednerpult
Eine Frau am Rednerpult
Ein Mann mit einem Instrument
Ein Mann an einem Pult im Hörsaal
Personen im Gespräch
Eine Person spricht vor Publikum
Eine Frau steht an einem Pult und spricht in ein Mikrofon
Ein Mann spricht in ein Mikrofon
Ein Mann spricht in ein Mikrofon, daneben hört jemand zu
Ein Mann im Anzug
Eine Person spricht in ein Mikrofon
Ein Mann spricht in ein Mikrofon
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