Überraschende Funde: Kieler Forschende untersuchen Duisburger Regionalgeschichte

Gemeinsame Meldung der Stadt Duisburg und der Uni Kiel:

  • Neue Erkenntnisse aus Grabungen in vergangenen 12 Jahren in Duisburg stimmen zum Teil nicht mit bisherigem Forschungsbild überein
  • Forschende der Uni Kiel und Stadt Duisburg untersuchen jetzt Rhein-Ruhr-Raum von der Spätantike bis zum Vorabend der Industrialisierung - und bewerten seine Geschichte neu
  • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert „Genese des westlichen Ruhrgebiets“ - eines der größten stadtarchäologischen Projekte Deutschlands - mit etwa 900.000 Euro

Belege für den frühen - bisher meist bei Brüssel verorteten - Königshof Dispargum in Duisburg im 5. Jahrhundert? Die große Bedeutung der Stadt - auch ohne Rheinhafen nach der Rheinverlagerung - im späten Mittelalter? Der Boom der Region bereits vor der glorreichen Kohle- und Stahlzeit? Es sind nur einige Beispiele, die für die Geschichte des Rhein-Ruhr-Raums überraschend sein könnten. Hinweise dafür haben Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Stadt Duisburg in den Ausgrabungen der vergangenen 12 Jahre gesammelt. Jetzt beginnen sie mit der Auswertung und Einordnung der Funde - in einem der größten stadtarchäologischen Projekte Deutschlands. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorhaben mit etwa 900.000 Euro in den kommenden drei Jahren.

Von der Spätantike bis zur boomenden Stahl- und Kohlezeit

Zu den zahlreichen großflächigen Ausgrabungen im Duisburger Stadtgebiet gehören das „Mercatorquartier“ oder das „Stadtfenster“. Hier hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Ergebnisse gesammelt, die in vielen Fällen nicht mit dem bisherigen Geschichtsbild übereinstimmen. Daher beginnt jetzt das Kooperationsprojekt „Genese des westlichen Ruhrgebiets“ des Lehrstuhls für Historische Archäologie an der Uni Kiel zusammen mit der Stadtarchäologie Duisburg.

Das Projekt beschreitet neue Wege in der Auswertung archäologischer Quellen. Die einzelnen Forschungsthemen zur Stadtentwicklung liegen für die Forschenden der Uni Kiel in vier Zeitscheiben mit Schwerpunkthemen:

  • Doktorand Johannes Reller wird sich in seiner Dissertation mit der Frage nach dem frühmittelalterlichen Königshof des Chlodio, Dispargum, sowie der Kontinuität von der Spätantike bis ins Hohe Mittelalter beschäftigen.
  • Doktorandin Sophie Rykena erforscht die Duisburger Kaiserpfalz und geht der Frage der Genese der Pfalz zur mittelalterlichen Stadt nach.
  • Doktorandin Karina Schnakenberg untersucht die spätmittelalterliche Hanse- und freie Reichsstadt Duisburg, wobei sie einen besonderen Blick auf den vermeintlichen Niedergang zur Ackerbürgerstadt legen wird.
  • Projektleiterin Dr. Maxi Maria Platz weitet in ihrer Arbeit den Untersuchungsraum auf das westliche Ruhrgebiet aus und stellt die Frage nach den Ursprüngen der Industrialisierung. Welche Voraussetzung gab es in der Region, welche die Wirtschaft so schnell und erfolgreich wachsen ließ wie im Ruhrgebiet des 19. Jahrhunderts. Sie koordiniert zugleich die Arbeiten der drei Doktorandinnen und Doktoranden.

Exzellenzcluster an Uni Kiel bringt Expertise

Das Kooperationsprojekt ist gleichzeitig eine Abkehr von traditionellen archäologischen Auswertungen. Diese erfassen meist Grabung für Grabung, Scherbe für Scherbe. Jetzt untersuchen die Forschenden einen weitaus größeren Kontext und können so greifbare Ergebnisse zur Genese und Entwicklung einer Stadt oder Siedlung liefern. Dieser Ansatz ist nicht nur für die Stadt Duisburg innovativ, sondern die Forschungen sind auch für den Exzellenzcluster ROOTS an der Uni Kiel von großer Bedeutung. Dort fügt es sich hervorragend in den Forschungsschwerpunkt zur antiken und mittelalterlichen Stadtentwicklung ein.

„Duisburg ist eine hochspannende Stadt“

Ulrich Müller, Professor für Historische Archäologie an der CAU, sieht in der Lage am Zulauf der Ruhr in den Rhein ein wesentliches Element der Entwicklung der Stadt: „Duisburg war über den Rhein und den mittelalterlichen Fernhandelsweg Hellweg über Nordwest- und Mitteleuropa sowie mit den großen Zentren an Nord- und Ostsee vernetzt.“ Duisburg sei eine hochspannende Stadt, um zu verstehen, wie Städte in der Vormoderne funktioniert haben. „Außerdem sollte eine Deurbanisierung in historischer Perspektive immer kritisch hinterfragt werden“, so Müller.

Solide Forschungsbasis für neuen Blick auf die Stadtgeschichte

Der Duisburger Stadtarchäologe Dr. Kai Thomas Platz hat in seinen Forschungen der letzten Jahre die vielen Widersprüche in der bisherigen Geschichtsdarstellung Duisburgs festgestellt und gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrich Müller und Dr. Maxi Maria Platz das Projekt konzipiert. „Durch die drei Doktorandenprojekte und dem Forschungsprojekt der Projektleiterin werden sicher viele bisherige Annahmen zur Entwicklung Duisburgs und des umgebenden Raumes umgeworfen und das neue Bild auf eine wissenschaftlich solide Forschungsbasis gestellt. Wir sind alle stolz darauf, gemeinsam mit unseren Projektpartnern dieses anspruchsvolle Forschungsprojekt bei der DFG durchgebracht zu haben. Am Ende wird es auch dazu beitragen, den Duisburgerinnen und Duisburgern ein neues Verständnis über ihre historisch so bedeutende Stadt zu vermitteln.“

Eine Gruppe von Menschen schaut auf einen archäologischen Fund.
© Ilja Höpping, Stadt Duisburg

Sie untersuchen die Regionalgeschichte Duisburgs aus neuen Blickwinkeln (v.l.): Doktorandin Sophie Rykena, Doktorand Johannes Reller und Doktorandin Karina Schnakenberg von der Uni Kiel.

Porträtbild eines Mannes
© Ilja Höpping, Stadt Duisburg

Ulrich Müller, Professor für Historische Archäologie an der CAU.

Eine Ausgrabungsstätte
© Dr. Kai Thomas Platz, Stadtarchäologie Duisburg

Erhaltener Keller der Zeit um 1300 des ehem. „Großen Ordenshauses“, später der Alten Universität Duisburg.

Eine Ausgrabungsstätte.
© Stadt Duisburg

Fundamente, Fußböden und Keller des Mercatorhauses unter dem früheren Lehrerparkplatz an der Oberstraße in Duisburg.

Wissenschaftlicher Kontakt Stadt Duisburg:

Dr. Kai Thomas Platz
Stadtarchäologe
Lösorter Straße 129
47137 Duisburg
0203/283-6766
t.platz@stadt-duisburg.de

Wissenschaftlicher Kontakt CAU:

Prof. Dr. Ulrich Müller
Institut für Ur- und Frühgeschichte an der CAU
Johanna-Mestorf Str. 2-6
24118 Kiel
0431/880-3655
umueller@ufg.uni-kiel.de

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