Sieben Forschende der CAU sind „Highly Cited Researchers 2023“
Eine aktuelle Publikationsanalyse zählt zwei Wissenschaftlerinnen und fünf Wissenschaftler der Universität Kiel zu den erfolgreichsten ihres Fachgebiets.
In der Liste der „Highly Cited Researchers" führt der Datenkonzern Clarivate Analytics Forscherinnen und Forscher auf, die in wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten besonders häufig zitiert werden. Das bedeutet: Die Arbeiten und Studien dieser Personen werden als besonders relevant und bedeutend angesehen und haben einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und den Fortschritt ihres Fachgebiets. Das gilt 2023 für sieben Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU): Daniela Berg, Axel Hauschild, Ute Hentschel Humeida, Frank Leypoldt, Stefan Rose-John, Philip Rosenstiel und Stefan Schreiber. Sechs sind Mitglieder der Medizinischen Fakultät und fünf sind Mitglied im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI).
Daniela Berg – Früherkennung und Prävention von Hirnerkrankungen
Daniela Berg ist seit 2016 Professorin für Neurologie an der CAU und Direktorin der Klinik für Neurologie am UKSH, Campus Kiel. Ihr besonderes wissenschaftliches Interesse gilt der Früherkennung und Prävention neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere der Parkinsonkrankheit. Bergs Forschung konzentriert sich auf die Entdeckung von Biomarkern und bildgebenden Verfahren, die eine frühzeitige Parkinson-Diagnose und eine Beurteilung des Krankheitsverlaufs ermöglichen. Bereits Mitte der 1990er Jahre entwickelte Berg gemeinsam mit ihrem damaligen Mentor Professor Georg Becker eine Ultraschalluntersuchung, mit der Parkinson-bedingte Veränderungen im Gehirn zu sehen sind, noch bevor bei den Betroffenen Bewegungsstörungen auftreten. Die wissenschaftliche Arbeit von Daniela Berg und ihrem Team hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Krankheit heute ganz anders und besser verstanden wird, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. „Wir wissen heute, dass die Parkinson-typischen Veränderungen an unterschiedlichen Stellen des Nervensystems im Körper entstehen können. Aktuell arbeiten wir an der Etablierung von Biomarkern, für eine objektive, frühe Diagnose, was uns helfen wird früher und gezielter zu therapieren und was auch für Präventionsansätze wichtig ist“, erklärt die Kieler Neurologin.
Daniela Berg ist Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Vorsitzende des Komitees für wissenschaftliche Fragestellungen der Internationalen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (MDS), Mitglied des wissenschaftlichen Panels für Bewegungsstörungen der Europäischen Akademie für Neurologie (EAN) und Mitglied weiterer wissenschaftlicher Fachgesellschaften. Sie ist Fachgutachterin nationaler und internationaler Forschungsförderprogramme, Mitglied des Editorial Board mehrerer nationaler und internationalen Zeitschriften sowie Fachgutachterin für mehr als 30 wissenschaftliche Zeitschriften. Die vielfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin erhielt 2021 den Wissenschaftspreis der Stadt Kiel für ihre zukunftsweisenden Arbeiten zum Verständnis der Parkinsonerkrankungen.
Axel Hauschild – Therapeutische Fortschritte beim schwarzen Hautkrebs
Seit seiner Zeit als Assistenzarzt in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des UKSH, Campus Kiel, vor mehr als 30 Jahren interessiert sich Professor Axel Hauschild für Hautkrebs, speziell für das maligne Melanom, den schwarzen Hautkrebs, einen hochgradig bösartigen Tumor. Durch Einführung neuer Medikamente konnte die Behandlung bei fortgeschrittener Erkrankung in den letzten Jahren deutlich verbessert werden. „Das 5-Jahres-Überleben, das als ein Maß für die Heilung herangezogen wird, lag 2010 für das fortgeschrittene Melanom bei 5% und liegt jetzt bei 52%. Aber auch beim hellen Hautkrebs gibt es jetzt wirksame Therapien – auch für nicht-operable Patientinnen und Patienten mit sehr großen und metastasierten Tumoren“, betont Hauschild, der einen großen Anteil an diesem Erfolg hat. Hauschild war Studienleiter von mehr als 120 klinischen Studien zu verschiedenen Hautkrebserkrankungen, wurde zu mehr als 700 Konferenzen auf der ganzen Welt eingeladen und hat 440 Artikel in hochrangigen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht. Seit 2019 steht er zum fünften Mal in Folge auf der Liste der „Highly Cited Researchers".
In Anerkennung seiner klinischen und wissenschaftlichen Leistungen für die Hautkrebstherapie erhielt Hauschild 2003 den Deutschen Hautkrebspreis und 2011 den Deutschen Krebspreis der Deutschen Krebsgesellschaft. Er ist langjähriges Vorstandsmitglied der European Association of Dermato-Oncology (EADO), war 8 Jahre lang Präsident der Deutschen Hautkrebsgesellschaft (ADO) und je zweimal Präsident des Deutschen Hautkrebs-Kongresses und des Melanom-Weltkongresses, wo er 2021 zum Präsidenten der Melanoma World Society (MWS) gewählt wurde. Die MWS ist die Nachfolgeorganisation einer Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie hat zum Ziel, Forschungsaktivitäten zu koordinieren und weltweit die Versorgung von an Hautkrebs erkrankten Personen zu verbessern.
Ute Hentschel Humeida – Mikrobiom von Meeresschwämmen
Ute Hentschel Humeida ist seit 2015 Professorin für Marine Mikrobiologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und leitet die Forschungseinheit „Marine Symbiosen“ am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seit rund 20 Jahren forscht sie über Mikroorganismen im Meer und wie diese ihre tierischen Wirte beeinflussen. Ihre Arbeitsgruppe beschäftigt sich vor allem mit marinen Schwämmen und deren mikrobiellen Lebensgemeinschaften. „Schwämme sind noch weitgehend unterforscht. Man weiß immer noch viel zu wenig über diese spannenden Tiere, die eine wichtige Rolle im Ökosystem spielen und zudem für ihr biotechnologisches Potenzial bekannt sind“, erklärt Hentschel Humeida, die zehn Jahre in Kalifornien/USA geforscht hat, unter anderem am Scripps Institute of Oceanography in Kalifornien, USA, einem der ältesten, größten und bedeutendsten Meeresforschungszentren der Welt. Wirt-Bakterien-Interaktionen können sowohl gutartig als auch schädlich sein. Wie sich Schwämme vor krankmachenden Bakterien schützen und wie sich verändernde Umweltbedingungen durch den Klimawandel auf das Gleichgewicht zwischen Wirt und Mikroorganismen auswirken, sind zentrale Forschungsfragen der Wissenschaftlerin. Hentschel Humeida engagiert sich unter anderem in der neuen Forschungsinitiative Ocean Health, an der das GEOMAR und die Universität Kiel mit dem Forschungsschwerpunkt Kiel Marine Science (KMS) beteiligt sind. Die Initiative beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Krankheit im Meer sowie der Widerstandsfähigkeit mariner Ökosysteme. Dabei werden insbesondere der fortschreitende Klimawandel und seine Folgen für die Meere, Küsten und Gesellschaft berücksichtigt.
Ute Hentschel Humeida ist zum dritten Mal im Ranking der „Highly Cited Researchers" vertreten. Sie hat etwa 250 Artikel als Autorin oder Mitautorin in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht, ist Organisatorin wissenschaftlicher Tagungen und Gutachterin für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und internationale Institutionen.
Frank Leypoldt – Diagnostik und Therapie der Gehirnentzündung
Forschungsschwerpunkt von PD Dr. Frank Leypoldt sind Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis). Insbesondere die durch Antikörper vermittelte autoimmune Enzephalitis wurde in den letzten 20 Jahren als eine häufig unerkannte, aber behandelbare Erkrankung entdeckt. Sie kann spontan ohne erkennbaren Auslöser auftreten, aber auch als Folge unerkannter Tumorerkrankungen oder nach Virus-Entzündungen des Gehirns. Seit mehr als 15 Jahren erforscht der Neurologe und Labormediziner diese seltenen, aber bedrohlichen Krankheiten aus verschiedenen Blickwinkeln. Seine Arbeiten haben maßgeblich zur Entwicklung von Tiermodellen, zum Nachweis der viralen Auslöser und zur Verbesserung von Diagnostik und Therapie beigetragen. Leypoldt war an der Entwicklung der Diagnosekriterien beteiligt und hat sich sehr für die Vernetzung von Forschenden und Krankenhäusern in Deutschland zu diesem Thema eingesetzt. „Letztlich sind relevante Fortschritte in der Erforschung seltener Erkrankungen nur in Teams und Netzwerken möglich. Ohne das persönliche Interesse und Engagement vieler Kolleginnen und Kollegen sowie die Bereitschaft der Betroffenen, sich an der Datenerhebung und Forschung zu beteiligen, wären Fortschritte auf diesem Gebiet kaum möglich“, betont Leypoldt, der die Arbeitsgruppe Neuroimmunologie am Institut für Klinische Chemie des UKSH, Campus Kiel, leitet.
Leypoldt ist Vorsitzender und Organisator des Deutschen Netzwerks zur Erforschung der autoimmunen Enzephalitis (German Network for Research on Autoimmune Encephalitis GENERATE e.V.). Er hat über 180 nationale und internationale Lehr- und Fortbildungsvorträge gehalten, mehr als 150 wissenschaftliche Arbeiten publiziert, ist Mitglied verschiedener Fachgesellschaften und Mitglied des Editorial Boards der renommierten neuroimmunologischen Zeitschrift Neurology N2. Er ist an der Erstellung nationaler und internationaler Leitlinien beteiligt und berät die WHO.
Stefan Rose-John – Regulation entzündlicher Prozesse
Professor Stefan Rose-John ist ein international anerkannter Experte für das Zytokin Interleukin-6 (IL-6). Er war über 22 Jahre Professor für Biochemie an der Medizinischen Fakultät der CAU und Direktor des Biochemischen Instituts, dem er auch als Emeritus weiterhin beratend zur Seite steht. Der Biochemiker erkannte bereits vor mehr als 25 Jahren die zentrale Bedeutung des Botenstoffs IL-6 im Entzündungsgeschehen und erforschte systematisch dessen Struktur und Wirkungsweise. Im Jahr 2001 veröffentlichte er in der renommierten Fachzeitschrift Science die räumliche Struktur, mit der IL-6 an einen seiner Rezeptoren bindet, und legte damit den Grundstein für die weitere Forschung. Außerdem beschrieb er als Erster die proteolytische Entstehung eines löslichen IL-6 Rezeptors und den daraus resultierenden neuartigen IL-6 Trans-Signaling Signalweg. Dieser Weg ist entscheidend für das Auslösen von chronischen Entzündungen, während der klassische Signalweg Prozesse der Zellerneuerung und der normalen schützenden Immunantwort reguliert, wie Rose-John zeigte. Und er entwickelte das Designer-Protein sgp130Fc, das spezifisch den IL-6-Trans-Signalweg blockiert und so Entzündungen hemmt, ohne den Schutz durch das Immunsystem zu kompromittieren. Unter dem Namen Olamkicept wurde eine Weiterentwicklung dieses Proteins in klinischen Studien an Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen mit sehr positiven Ergebnissen getestet. Nach den nun geplanten Phase III klinischen Studien soll die Zulassung als Medikament beantragt werden.
Rose-John war von Beginn an Mitglied des DFG-Exzellenzclusters zur Entzündungsforschung und leitete 12 Jahre den Sonderforschungsbereich 877 "Proteolyse als regulatorisches Element in der Pathophysiologie" an der CAU. Er ist gewähltes Mitglied der Hamburger Akademie der Wissenschaften und der Academia Europaea. Er erhielt 2005 den Wissenschaftspreis der Stadt Kiel sowie 2019 die Jacob-Henle-Medaille der Universität Göttingen. Im Mai 2023 ehrte ihn die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung für sein wissenschaftliches Lebenswerk mit der Jung-Medaille für Medizin in Gold.
Philip Rosenstiel – Molekulare Signaturen chronischer Entzündung
Professor Philip Rosenstiel möchte mit seiner Forschung dazu beitragen, die Entstehung chronisch entzündlicher Erkrankungen besser zu verstehen. Dazu untersucht er insbesondere die komplexen Wechselwirkungen zwischen der menschlichen Darmschleimhaut und der Umwelt und wie sich diese Wechselwirkungen bei Gesundheit und Krankheit verändern. „Bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind normale Abwehrreaktionen dauerhaft gestört, die sich dann gegen den Körper richten. Wir versuchen die Fehlprogrammierung der Zellen, also die molekularen Schalter der Entzündung, zu verstehen und zu verändern. Ziel ist es, dieses Wissen in präzisere Therapien umzusetzen“, erklärt der Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie von CAU und UKSH und Prodekan der Medizinischen Fakultät der CAU. Um Forschungsfragen zu den molekularen Ursachen von chronisch entzündlichen Krankheiten zu beantworten und innovative Biomarker zu entwickeln, setzt Rosenstiels Arbeitsgruppe neuartige Werkzeuge und Techniken der modernen Hochdurchsatz-Sequenzierung wie etwa die Einzelzellanalyse ein.
Philip Rosenstiel ist Sprecher des Kompetenzzentrums für Genomanalysen (CCGA), Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) und Mitglied mehrerer großer Sequenzierungskonsortien, die die genomische und epigenomische Architektur menschlicher Entzündungskrankheiten beschreiben. Sein wissenschaftliches Werk umfasst mehr als 450 Publikationen.
Stefan Schreiber – Innovative Ansätze für chronisch entzündliche Erkrankungen
Die Mechanismen der Entzündung und die Entwicklung neuer Therapien für chronisch entzündliche Erkrankungen sind seit vielen Jahren Forschungsschwerpunkte von Professor Stefan Schreiber. Auf der Basis neuer molekularer Erkenntnisse sucht er nach innovativen Ansätzen zur Prävention und Therapie dieser Erkrankungen. Auf Initiative Schreibers formierte sich 2004 das Netzwerk Entzündung an Grenzflächen, das von 2007 bis 2018 durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wurde und seit 2019 als Exzellenzcluster Precision Medicine in Chronic Inflammation (PMI) weitergeführt wird. Im Jahr 2020 hat Schreiber den renommierten Forschungspreis des Dachverbands der europäischen Fachgesellschaften für Gastroenterologie, der UEGF, erhalten, um eine neue Therapie für Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auf Basis einer molekularen Ernährungsintervention zu entwickeln. Mit dem Ziel, Entzündungen nicht organfixiert, sondern ganzheitlich zu behandeln, entwickelte er die Idee zu einer interdisziplinären Entzündungsklinik. Seit 2009 werden im Exzellenzzentrum für Entzündungsmedizin am UKSH, Campus Kiel, Patientinnen und Patienten nach diesem Konzept behandelt. „Wir entwickeln neue Therapien, um bessere Therapieerfolge bei chronischen Erkrankungen zu erzielen. Dafür müssen wir intensiv forschen, um besser zu werden“, betont Schreiber.
Stefan Schreiber ist Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie von CAU und UKSH und Direktor der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel. Seit 2017 steht er zum siebten Mal in Folge auf der Liste der „Highly Cited Researchers“. Als leitender Prüfarzt hat er mehr als 80 klinische Studien im Bereich der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa begleitet, davon mehr als 50 als federführender Studienleiter. Er ist Mitglied in diversen Fachgesellschaften, führte bei zahlreichen nationalen und internationalen Tagungen den Vorsitz, ist Mitherausgeber von internationalen Fachzeitschriften und Autor beziehungsweise Mitautor von mehr als 950 Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften.
Über „Highly Cited Researchers“
Grundlage der Auswertung ist die Datenbank „Web of Science Core Collection“. Diese listet wissenschaftliche Artikel aus rund 21.000 Fachzeitschriften auf. Für die diesjährige Liste der „Highly Cited Researchers“ wurde der Zeitraum 2012 bis 2022 analysiert. Das Ranking listet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im letzten Jahrzehnt an mehreren der Top-ein-Prozent der meistzitierten Publikationen ihres Fachgebiets beteiligt waren und ist ein wichtiger Indikator für den Einfluss wissenschaftlicher Publikationen. 2023 standen 6.849 der weltweit Forschenden aus 21 Forschungsfeldern auf der Liste. Vier Forschende der Kieler Universität wurden in der Kategorie „Cross-Field“ ausgezeichnet. Sie berücksichtigt interdisziplinäre Arbeiten und den Einfluss der Forschenden auf mehrere Bereiche während des letzten Jahrzehnts.
Zur Liste aller Highly Cited Researchers 2023 von Clarivate Analytics