Ausbreitung von Vibrionen während mariner Hitzewellen unter der Lupe

Kieler Mikrobiologinnen an der CAU untersuchen die Ausbreitung von Vibrionenarten und ihre Wechselwirkung mit Meeresorganismen während Warmwasserperioden in der Ostsee

Vibrionen sind Bakterien, die sich in Salz- und Süßwasser bei Temperaturen um die 20 Grad und mehr besonders wohl fühlen. Sie gehören zu den natürlichen Bakterien der Ostsee, die mit ihrem geringen Salzgehalt ein ideales Millieu für die Ausbreitung verschiedener Arten bietet. Durch die starke Erwärmung der Meere im Zuge des Klimawandels und die damit verbundenen warmen Wassertemperaturen im Sommer und Herbst können sich Vibrio-Erreger in der Ostsee vermehrt ausbreiten und bei immungeschwächten, alten oder sehr jungen Menschen Wundinfektionen auslösen. In der Arbeitsgruppe von Professorin Ruth Schmitz-Streit am Institut für allgemeine Mikrobiologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) untersuchen die Postdoktorandinnen Avril von Hoyningen-Huene und Nancy Weiland-Bräuer daher verstärkt das Vorkommen und die Artenvielfalt von Vibrionen während und nach einer Hitzeperiode in der Ostsee. Ihre aktuellen Ergebnisse stellte Avril von Hoyningen-Huene jetzt auf der Jahrestagung der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) in Göttingen vor.

„Die internationale Konferenz ermöglicht es uns, sich mit dem sehr starken Netzwerk der Mikrobiologinnen und Mikrobiologen über verschiedene Forschungsansätze zu Vibrionen auszutauschen“, sagt die Postdoktorandin Dr. Avril von Hoyningen-Huene, die in Göttingen die gemeinsame Forschung mit Dr. habil. Nancy Weiland Bräuer und Professorin Ruth Schmitz-Streit präsentierte. „Es ist auch eine ideale Gelegenheit, sich über den Stand gängiger Methoden in der Mikrobiologie zu informieren und Impulse für die eigene Arbeit mitzunehmen“, so von Hoyningen-Huene weiter.

Besonders hohe Konzentration von Vibrionen auf jungen Ohrenquallen

Seit einigen Jahren treten in der Ostsee immer häufiger extreme Warmwasserperioden auf. Das warme Brackwasser ist ein idealer Nährboden für Vibrionen, die in den letzten Jahren vermehrt an den Stränden der Ostsee auftreten. Für die Wissenschaftlerinnen der Arbeitsgruppe von Ruth Schmitz-Streit ist der Zeitraum dieser so genannten marinen Hitzewellen besonders interessant, um zu untersuchen, welche Vibrionenarten sich ausbreiten, wie sie sich unter verschiedenen Umweltbedingungen entwickeln und wie sie mit häufig vorkommenden Meeresorganismen wie der Ohrenqualle oder Algen wie dem Blasentang interagieren.

In ihrer neuen Studie konnten die Forscherinnen zeigen, dass die Menge der Vibrionen auf verschiedenen Meeresorganismen zwischen 0 und fast 60 Prozent der Oberflächenbakterien ausmachen kann. Während auf dem Blasentag nur wenige Vibrionen nachgewiesen werden konnten, waren vor allem die frühen Entwicklungsstadien der Ohrenqualle stark von überwiegend nur einer Art besiedelt. Auch lokale Unterschiede zwischen den Kieler Stränden wurden im Rahmen der Studie festgestellt. Höhere Konzentrationen von Vibrionen wurden an stark besuchten Stränden gefunden. „Insgesamt beherbergt die Ostsee eine Vielfalt unterschiedlicher Vibrionenarten, von denen die potenziellen Krankheitserreger aber nur einen Teil ausmachen. Wie erwartet, beobachten wir während der Warmwasserperiode eine Zunahme aller Arten, aber auch der potenziell gesundheitsschädlichen Vibrionen wie V. parahaemolyticus und V. vulnificus“, sagt Privatdozentin Dr. Nancy Weiland-Bräuer.

Neue unbeschriebene Vibrionenart in der Ostsee entdeckt

Um die Vibrionenarten in der Ostsee besser zu verstehen, wurden parallel Experimente mit Isolaten durchgeführt. Dazu wurden Vibrionen aus unterschiedlichen Ursprungsproben auf speziellen Nährmedien kultiviert und miteinander verglichen. Dabei konnten verschiedene Vibrionenarten identifiziert werden, darunter auch eine neue, noch unbeschriebene Art, die nun im Rahmen des Projektes in der Arbeitsgruppe weiter untersucht werden soll. Diese Art ist von besonderem Interesse, da sie wesentlich zur kultivierbaren Vielfalt der Vibrionen aus der Ostsee beiträgt.

Optimierte Methodik soll hochauflösende Identifizierung von Vibrionen ermöglichen

„Eine besondere Herausforderung in unserer Forschung ist, dass einige Arten mit der bisher angewandten Methode nur schwer aufgeschlüsselt werden können. Unser Team arbeitet daher an der Optimierung einer Methode, die eine hochauflösende Identifizierung ermöglicht“, sagt CAU-Professorin Ruth Schmitz-Streit.

Die Kieler Mikrobiologinnen werden ihre genetischen Analysen durch weitere biochemische und physiologische Experimente ergänzen, um die Ökologie, aber auch die gesundheitliche Relevanz der Vibrionen in der Ostsee besser zu verstehen. „Wir wollen verstehen, unter welchen Bedingungen sich welche Vibrionen am wohlsten fühlen, und ob der Klimawandel zu einer Zunahme bestimmter Arten führen wird. Spannend ist dabei auch die Frage, inwiefern die jetzt entdeckten neuen Arten das Potenzial haben, sich auf Menschen und Tieren anzusiedeln und möglicherweise gesundheitsgefährdend zu werden“, fasst von Hoyningen-Huene zusammen.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Dr. Avril von Hoyningen-Huene
Molekularbiologie der Mikroorganismen
Institut für Allgemeine Mikrobiologie
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
avonhoyningen@ifam.uni-kiel.de
0431/880-1649

Wissenschaftlicher Kontakt:

Dr. habil. Nancy Weiland-Bräuer
Molekularbiologie der Mikroorganismen
Institut für Allgemeine Mikrobiologie
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
nweiland@ifam.uni-kiel.de
0431/880-1649

Zwei Frauen in einem Labor
© Friederike Balzereit, Uni Kiel

Privatdozentin Dr. Nancy Weiland-Bräuer und Dr. Avril von Hoyningen-Huene untersuchen die Ausbreitung von Vibrionenarten während mariner Hitzeperioden in der Ostsee. Beide forschen am Institut für allgemeine Mikrobiologie an der Kieler Universität.

Leuchtende Punkte auf einem Fisch
© Nancy Weiland-Bräuer, Uni Kiel

Im Labor konnten Vibrionen auf einem toten Hering nachgewiesen werden. Die an den Seitenlinienorganen auftretende Lumineszenz macht das Bakterium sichtbar.

Menschen nehmen Wasserproben an einem Strand
© Nancy Weiland-Bräuer, Uni Kiel

Studierenden der Uni Kiel nehmen im Rahmen eines Kurses zur marinen Mikrobiologie Wasserproben an Ostseestränden.

Menschen an einem Küstenstrand
© Nancy Weiland-Bräuer, Uni Kiel

Die von den Studierenden genommenen Wasserproben werden später im Labor auf Vibrio-Erreger analysiert.

Weiterführende Informationen:

Über Kiel Marine Science (KMS)

Kiel Marine Science (KMS) ist das Zentrum für interdisziplinäre Meereswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). KMS bildet die organisatorische Einheit für alle natur-, geistes- und sozialwissenschaftlich arbeitenden Forscherinnen und Forscher, die sich mit den Meeren, Küsten und den Einfluss auf die Menschheit beschäftigen. Die Expertise der Gruppen kommt beispielsweise aus den Bereichen der Klimaforschung, der Küstenforschung, der Physikalischen Chemie, der Botanik, aus der Mikrobiologie, der Mathematik, der Informatik, der Ökonomie oder aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Insgesamt umfasst KMS über 70 Arbeitsgruppen an sieben Fakultäten und aus über 26 Instituten. Gemeinsam mit Akteuren außerhalb der Wissenschaft arbeiten sie weltweit und transdisziplinär an Lösungen für eine nachhaltige Nutzung und den Schutz des Ozeans.

Pressekontakt:
Friederike Balzereit
Wissenschaftskommunikation | Öffentlichkeitsarbeit | Kiel Marine Sciences (KMS) | Future Ocean Netzwerk