Das große Potenzial der kleinen RNAs – neue duale Funktionen entschlüsselt

Kieler Mikrobiologin Ruth Schmitz-Streit präsentiert Ergebnisse zur Rolle von RNAs bei Infektionsprozessen im Meer und an Land auf Fachtagung in den USA

Vom 5. bis 8. September 2023 trafen sich rund 150 internationale Expertinnen und Experten aus der Welt der regulatorischen RNA-Forschung in St. Petersburg, Florida, USA. Die Fachtagung „Regulating with RNA in Bacteria and Archaea“ ist das größte Treffen auf diesem Gebiet. Die Mikrobiologin Professorin Dr. Ruth Schmitz-Streit von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) war maßgeblich an der Vorbereitung der Konferenz beteiligt. Die Direktorin des Instituts für Mikrobiologie an der CAU stellte ihre Forschung zu den kleinen regulatorischen RNA und kleinen Proteinen vor und leitete darüber hinaus eine thematische Session über kleine RNAs involviert in Infektionsprozessen bis hin zur Entstehung von Krebs.

Kieler Mikrobiologen entschlüsseln Rolle von kleinen RNAs und kleinen Proteinen

„Auf der Konferenz treffen wir die weltweit führenden Expertinnen und Experten. Dieser Austausch ist wichtig für die zukünftige Forschung in der marinen und terrestrischen Mikrobiologie und zeigt wegweisende Entwicklungen auf“, sagt CAU-Professorin Ruth Schmitz-Streit, die der Konferenz in den vergangenen Jahren bereits zweimal als Tagungsleitung vorstand. Die international gut vernetzte Kieler Mikrobiologin leitete in diesem Jahr eine von insgesamt nur neun Sessions und konnte aus Kieler Sicht zum Erfolg der renommierten Konferenz beitragen. Mit modernen Methoden der Molekularbiologie (aktiv translatierende Ribosomen) in Kombination mit biochemischen Ansätzen (u.a. mit CryoElektronenmikroskopie) ist es der Arbeitsgruppe Schmitz-Streit erst kürzlich gelungen, neue Erkenntnisse über die Funktion von kleinen Proteinen und kleinen nicht für Proteine kodierenden RNAs zu gewinnen. Darunter sind spannende Kandidaten, die zum Beispiel den Stickstoffstoffwechsel in Archaeen maßgeblich regulieren. Ihre Ergebnisse und neue methodische Ansätze stellte Ruth Schmitz-Streit in der Session „Mechanisms of Small RNA Regulation“ vor.

Regulatorische RNAs wichtig für Stoffwechsel von Bakterien und Archaeen

Auf der Konferenz steht die Funktion einer bestimmten Klasse von RNAs, die sogenannten kleinen regulatorischen RNAs, im Mittelpunkt. RNAs sind die Kopie der DNA, auf deren Grundlage lebende Zellen neue Biomoleküle wie Proteine, Fettsäuren, Zucker und Hormone herstellen können und so den gesamten Stoffwechsel ermöglichen. Da RNA sehr kurzlebig ist, bestimmen die Menge und der Zeitpunkt der RNA-Herstellung, wann welche Moleküle in welcher Menge gebildet werden. RNA kann aber auch selbst in die Bildung neuer RNA und Translation der messengerRNAs eingreifen und wird dann als regulatorische RNA bezeichnet. Gerade bei Bakterien und Archaeen ist diese Regulation der DNA-Expression von großer Bedeutung, da diese Organismen nur aus einer einzigen Zelle bestehen und alle Stoffwechselreaktionen in einem Kompartiment, dem Cytoplasma, stattfinden. Der Stoffwechsel dieser Einzeller muss daher besonders genau gesteuert werden, damit keine unerwünschten Wechselwirkungen entstehen.
Dabei wurde eine hohe Anzahl von RNA mit dualen Funktionen gefunden. Diesen dualen Funktionen bei RNA bedeuten, dass ein Teil der RNA regulatorisch wirkt durch Bindung an Messenger-RNA und ein weiterer für ein kleines Protein kodiert. Diese neue Erkenntnis wurde in bisherigen Forschungen noch nicht in diesem Ausmaß erkannt und stellt jetzt entscheidende zusätzliche Informationen für Regulationen dar. „Hier stoßen zwei neue Welten in einem Biomolekül aufeinander, die unsere zukünftige Forschungsagenda maßgeblich beeinflussen werden,“ erläutert Ruth Schmitz-Streit. „Regulatorische RNAs spielen eine Schlüsselrolle in terrestrischen und vor allem marinen Ökosystemen. Sie sind entscheidend für eine Vielzahl von Prozessen wie beispielsweise auch die Abwehr von Viren (CRISPR), die im Ozean ablaufen. Ihre Funktionsweise zu verstehen, ist ein wichtiges Puzzleteil, das uns hilft zu beurteilen, wann ein Ökosystem als ausgeglichen und gesund gelten kann“, so Schmitz-Streit weiter.

RNAs spielen Rolle bei Infektionsprozessen und Immunreaktionen – auch im Meer

Ruth Schmitz-Streit forscht mit ihrer Arbeitsgruppe und internationalen Kooperationspartnerinnen und -partnern intensiv an diesen kleinen regulatorischen RNAs in verschiedenen Mikroorganismen. Die Regulation durch kleine RNAs hat sich bei Bakterien und Archaeen als wichtig für die Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen erwiesen. Darüber hinaus spielen diese besonderen RNAs eine entscheidende Rolle bei Infektionsprozessen, d.h. bei der Interaktion zwischen Wirt und Krankheitserreger und bei Immunreaktionen. In Zukunft wird die Arbeitsgruppe ihre Forschung zu weiteren, der neu entdeckten regulatorische RNAs im Hinblick auf Infektionsprozesse im Meer verstärken und somit wichtige Bausteine in der Grundlagenforschung für die Forschungsinitiative „Ocean Health“ (Ozeangesundheit) beisteuern können.

Frau bei Vortrag
© Tobias Hahn, KMS

Die Kieler Mikrobiologin Professorin Ruth Schmitz-Streit bei ihrem Vortrag bei der Konferenz „Regulating with RNA in Bacteria and Archaea“.

Group of people
© Kristine Arnvig, University London, UK

Kiel microbiologist Professor Ruth Schmitz-Streit with her international partners at the conference in the USA. f.l.t.r. Prof. Dr. Jörg Vogel (Helmholtz Institute for RNA-based Infection Research (HIRI), Würzburg), Dr. Katharina Hofer (Max Planck Institute for terrestial Microbiology, Marbug), Prof. Dr. Kai Papenfort (University of Jena), Prof. Dr. Ruth Schmitz-Streit (Director of the Institute for Microbiology, Kiel University), Prof. Dr. Sarah Woodson (Johns Hopkins University, USA), Prof. Dr. Cecília Maria Arraiano, Universidade Nova de Lisboa, Portugal), Prof. Dr. Shoshy Altuvia, (Hebrew University Jerusalem, Israel).

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Ruth Schmitz-Streit
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
Institut für Allgemeine Mikrobiologie
Molekularbiologie der Mikroorganismen
rschmitz@ifam.uni-kiel.de

Über Kiel Marine Science (KMS)

Kiel Marine Science (KMS) ist das Zentrum für interdisziplinäre Meereswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). KMS bildet die organisatorische Einheit für alle natur-, geistes- und sozialwissenschaftlich arbeitenden Forscherinnen und Forscher, die sich mit den Meeren, Küsten und den Einfluss auf die Menschheit beschäftigen. Die Expertise der Gruppen kommt beispielsweise aus den Bereichen der Klimaforschung, der Küstenforschung, der Physikalischen Chemie, der Botanik, aus der Mikrobiologie, der Mathematik, der Informatik, der Ökonomie oder aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Insgesamt umfasst KMS über 70 Arbeitsgruppen an sieben Fakultäten und aus über 26 Instituten. Gemeinsam mit Akteuren außerhalb der Wissenschaft arbeiten sie weltweit und transdisziplinär an Lösungen für eine nachhaltige Nutzung und den Schutz des Ozeans.

Pressekontakt:
Friederike Balzereit
Wissenschaftskommunikation | Öffentlichkeitsarbeit | Kiel Marine Sciences (KMS) | Future Ocean Netzwerk