Welche Folgen hat der Lärm im Meer für das Ökosystem
Forschungsprojekt ORCHESTRA mit Beteiligung der Uni Kiel untersucht Auswirkungen von Unterwasserlärm auf die Meeresumwelt
Im Meer wird es immer lauter. Der Lärm durch den zunehmenden Schiffsverkehr steigt dabei ebenso wie etwa der Geräuschpegel durch den Bau und den Betrieb von Windkraftanlagen. Unterwasserlärm gehört heute schon wie auch die Verunreinigung durch Plastik zu den am schnellsten wachsenden Verschmutzungsarten im Meer. Die hohe Belastung durch unnatürliche Geräusche hat dabei nicht nur Konsequenzen für marine Säuger wie Schweinswale, deren empfindliche Ortungssysteme gestört werden, sondern wirkt sich auf das gesamte marine Ökosystem aus. Wie genau, soll zukünftig in insgesamt fünf länderübergreifenden Projekten im Rahmen der kürzlich gestarteten und europaweiten Forschungsinitiative „Healthy and Productive Seas and Oceans“ - JPI Oceans: Joint Action Underwater Noise in the Marine Environment) erforscht werden.
Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist dabei an ORCHESTRA (ecOsystems Responses to Constant offsHorE Sound specTra) beteiligt. In den kommenden drei Jahren wird die Arbeitsgruppe Küstenökologie (ECOLAB) des Forschungs- und Technologiezentrums (FTZ) Büsum um Dr. Katja Heubel in einem Teilprojekt die Auswirkungen von Lärm auf Wachstum, Fortpflanzungsfähigkeit, Sterblichkeit oder die Abwehr von Fressfeinden bei wirbellosen Tieren, vor allem Zooplankton, in der Nordsee untersuchen. Dazu werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Feldstudien und Laboruntersuchungen miteinander koppeln, um mehr über die Interaktion der Lebensgemeinschaften bei hohem Dauerlärm und der fortschreitenden Klimaerwärmung zu erfahren.
„Noch wissen wir zu wenig über die Folgen von Dauerlärm im Meer auf das Nahrungsnetz. Insbesondere zu den Auswirkungen auf die Organismen am unteren Ende der Nahrungskette ist wenig bekannt. Die Belastung wird durch den verstärkten Betrieb von Offshore-Windparks und Schiffsverkehr aber zunehmen. Wir müssen die Auswirkungen auf die Meeresumwelt daher gut verstehen, um die positiven Effekte, die mit dem Ausbau der Windenergie verbunden sind, nicht zu gefährden,“ sagt PD Dr. Katja Heubel, Meeresbiologin am FTZ Büsum und Mitglied im Forschungsschwerpunkt Kiel Marine Science (KMS) an der Uni Kiel.
Erste Labor- und Feldversuche des FTZ Büsum vor der Nordseeinsel Helgoland im vergangenen Jahr haben bereits gezeigt, dass sich der zunehmende Lärm auf das Verhalten von Zooplankton auswirken kann. „Wir konnten im Labor beobachten, dass die kleinen Krebse durch Lärm in ihrer Nahrungsaufnahme eingeschränkt werden. Dies kann weitreichende Auswirkungen für die gesamte Nahrungskette haben. Für sichere Aussagen zu Veränderungen in Physiologie und Verhalten und den Folgen für das Ökosystem sollen die Experimente nun hochskaliert im Freiland in der Nordsee vor Helgoland und einem Windpark in Norwegen sowie in der Adria vor Venedig durchgeführt werden,“ so Heubel.
ORCHESTRA wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden drei Jahren gefördert und soll dazu beitragen, Wissenslücken zu schließen sowie Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die zu einem guten Umweltzustand der europäischen Meere beitragen. Die fünf Projekte werden von den europäischen Ländern Deutschland, Irland, Italien, Spanien, Polen, Belgien, Norwegen und Rumänien bearbeitet. Die Fördermaßnahme „Unterwasserlärm in der marinen Umwelt“ ist darüber hinaus eine Aktivität im Rahmen der UN Ozeandekade, die erste der europäischen Initiative JPI Oceans. Mitte Februar fand das Kick-off Meeting aller fünf geförderten JPI Oceans Projekte in Brüssel statt. Für das ORCHESTRA Konsortium, das vom AWI in Bremerhaven geleitet wird, hatte Dr. Katja Heubel zusammen mit den norwegischen Partnern vom IMR die Projektziele vorgestellt.
Wissenschaftlicher Kontakt
PD Dr. Katja Heubel
Forschungs-und Technologiezentrum Büsum (FTZ)
Arbeitsgruppe ECOLAB – Coastal Ecology
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
heubel@ftz-west.uni-kiel.de
Über Kiel Marine Science (KMS)
Kiel Marine Science (KMS) ist das Zentrum für interdisziplinäre Meereswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). KMS bildet die organisatorische Einheit für alle natur-, geistes- und sozialwissenschaftlich arbeitenden Forscherinnen und Forscher, die sich mit den Meeren, Küsten und den Einfluss auf die Menschheit beschäftigen. Die Expertise der Gruppen kommt beispielsweise aus den Bereichen der Klimaforschung, der Küstenforschung, der Physikalischen Chemie, der Botanik, aus der Mikrobiologie, der Mathematik, der Informatik, der Ökonomie oder aus den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Insgesamt umfasst KMS über 70 Arbeitsgruppen an sieben Fakultäten und aus über 26 Instituten. Gemeinsam mit Akteuren außerhalb der Wissenschaft arbeiten sie weltweit und transdisziplinär an Lösungen für eine nachhaltige Nutzung und den Schutz des Ozeans.
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