Schwerpunktthemen

Das Forschungsprofil von KiNSIS wird derzeit im Wesentlichen von sechs Hauptfeldern geprägt: Neuroelektronik, Sensorik, Energiesysteme, Nanomedizin, Reaktionen an Grenzflächen sowie Quantentechnologie. Sie spiegeln die vielseitigen Forschungsaktivitäten der KiNSIS-Mitglieder wider, bündeln ihre Expertisen und verfolgen fundamentale wissenschaftliche Fragen und gesellschaftliche Herausforderungen. Sie basieren auf großen interdisziplinären Projekten sowie exzellenter Einzelforschung und werden von KiNSIS strategisch unterstützt. Die Felder greifen teilweise ineinander und sind dynamisch. Weitere geplante Forschungsinitiativen beeinflussen die zukünftige Ausrichtung von KiNSIS und tragen zur Erneuerungsfähigkeit des Forschungsschwerpunkts bei.

    Detail aus einer Waferscheibe
    © Jürgen Haacks, Uni Kiel

    Neuroelektronik

    Für Zukunftstechnologien wie das autonome Fahren werden technische Systeme benötigt, die sehr gut in der Mustererkennung sind und gleichzeitig wenig Energie verbrauchen. Vorbild könnte das menschliche Gehirn sein, das sich im Laufe der Evolution zu einem nachhaltigen Effizienz- und Leistungswunder entwickelt hat.  Wie sich Prinzipien aus der biologischen Informationsverarbeitung auf technische Systeme übertragen lassen, untersuchen KiNSIS-Mitglieder bereits seit vielen Jahren. Zunächst in der Forschungsgruppe 2093 "Memristive Bauelemente für neuronale Systeme", aktuell gemeinsam mit externen Partnern im Sonderforschungsbereich (SFB) 1461 „Neuroelektronik: Biologisch inspirierte Informationsverarbeitung“. Ziel des Zusammenschlusses aus Ingenieur-, Lebens- und Naturwissenschaften ist es, neue elektronische Bauelemente für hocheffiziente Rechnerarchitekturen zu entwickeln. Er wird seit 2021 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

    © Pixabay

    Sensorik

    Sensoren sind überall in unserem Alltag, vom Rauchmelder über das Auto bis zur Arztpraxis. Sie messen physikalische oder chemische Eigenschaften und reagieren zum Teil sofort auf die erfassten Daten. KiNSIS-Mitglieder aus verschiedenen Disziplinen forschen daran, Sensorsysteme und Datenverarbeitung weiterzuentwickeln oder ganz neu zu denken. Im Sonderforschungsbereich 1261 "Magnetoelektronische Sensorik" arbeiten Materialwissenschaft, Elektrotechnik und Medizin an hochempfindlichen, magnetfeldbasierten Sensoren für die medizinische Diagnostik. Im Gegensatz zu elektrischen Messungen wie Elektrokardiographie (EKG) funktionieren sie kontaktlos und könnten so eine bessere räumliche Auflösung ermöglichen und Langzeituntersuchungen erleichtern. Im EU-Programm „SENNET“  entwickeln Forschende aus der Chemie und der Materialwissenschaft spezielle Sensoren, die auf nanoporösen Materialien basieren, um Schadstoffe in der Raumluft zu erfassen. Die Bodensensoren aus dem EU-Projekt "Soilmonitor" sollen Landwirten dabei helfen, Dünger gezielter als bisher einzusetzen. Das Zentrum für Vernetzte Sensorsysteme (ZEVS) an der Technischen Fakultät bündelt die Sensorforschung von KINSIS und anderen Forschungsschwerpunkten. Medizin und Lebenswissenschaften, maritime Anwendungen, Energietechnik und Umwelt kommen hier zusammen und Wissenschaft und Industrie vernetzen sich.

    Eine Hand hält einen Sensor
    © Viktor Schell

    Energiesysteme

    Neue oder verbesserte Nanomaterialien und ein genaues Verständnis elektrochemischer Prozesse auf der Nanoebene können wesentliche Beiträge zu aktuellen Energie- und Nachhaltigkeitsfragen leisten. Ein Schlüssel für die notwendigen technischen Innovationen ist die Nano-, Oberflächen- und Grenzflächenforschung, die Expertise aus Physik, Chemie, Materialwissenschaft und Leistungselektronik vereint. Im EU-Projekt SUPER-HEART arbeiten KiNSIS-Mitglieder fächerübergreifend und zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie an einem modernen Stromnetz, das den komplexen Herausforderungen der Energiewende gerecht wird. Neue Materialien und leistungselektronische Systeme sollen schwankende Energiebedarfe und -angebote sowie die dezentralen Stromerzeuger und -verbraucher zuverlässig integrieren. Hier fließen auch Ergebnisse aus bundesgeförderten Projekten wie PORSSI ein. Ziel war, die Leistungsfähigkeit von Silizium als Speichermaterial zu verbessern, damit beispielsweise Elektroautos länger fahren oder schneller aufladen. Erkenntnisse über elektrochemische Prozesse, wie sie in Batterien und Brennstoffzellen ablaufen, könnten außerdem zu langlebigeren Elektroden führen. Im Projekt Für ihre Forschung steht den Mitglieder zum Beispiel das umfangreich ausgestattete Labor für zuverlässige batteriegestützte Energiewandlung (BAEW-Labor) an der Technischen Fakultät zur Verfügung. Im CAPTN-Innovationsnetzwerk (Clean Autonomous Public Transport Network) entwickeln Partner der Region gemeinsam neue Mobilitätskonzepte für einen autonomen, sauberen Personennahverkehr.

    Windkraftanlagen auf einem Feld
    © Pixabay

    Nanomedizin

    In der Medizin werden Nanomaterialien zur Entwicklung neuer Medikamente, Diagnoseverfahren und medizintechnischer Instrumente eingesetzt. Stoffe und Strukturen von geringer Größe können als Nanopartikel (< 100 nm) besondere Eigenschaften haben und sich zum Beispiel als Träger für Medikamente zur Behandlung bestimmter Krankheiten eignen. Forschende aus Materialwissenschaft und Medizin arbeiten im Graduiertenkolleg 2154 „Materials for Brain“ an nano- und mikroskaligen Beschichtungen für Implantate, die gezieltere und schonendere Behandlungen von Gehirnerkrankungen wie Epilepsie, Aneurysmen und Tumoren ermöglichen könnten. Möglichst lokale Therapien sind auch das Ziel des Forschungsprojekt „BlueBioPol“: Biohydrogele aus Algen sollen Wirkstoffe transportieren und durch die Zugabe von reaktionsfähigen Nanomaterialien kontrolliert freisetzen können. Auch gezielt steuerbare Moleküle, wie sie im Sonderforschungsbereich 677 „Funktion durch Schalten“ entwickelt wurden, eignen sich für medizinische Anwendungen. Kontrastmittel in der Magnetresonanztomographie (MRT) könnten damit beispielsweise gezielt aktiviert und schonender eingesetzt werden.

    Eine Tablettenpackung
    © AG Scherließ

    Reaktionen an Grenzflächen

    Welche Eigenschaften Materialien haben, entscheidet sich im Kleinen und wird von der Anordnung und dem Verhalten von Atomen bestimmt. Insbesondere an der Oberfläche von Materialien laufen entscheidende Prozesse auf der Nanoskala ab, zum Beispiel bei Plasmabehandlungen in der Industrie oder bei der Katalyse als Schlüsseltechnologie der Chemie, die im überregionalen Sonderforschungsbereich 247 „Heterogene Oxidationskatalyse in der Flüssigphase“ untersucht wird. In vielen Bereichen der Lebens- und Nanowissenschaften spielt eine entscheidende Rolle, was an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeiten und Gasen passiert, wie an Zellmembranen, bei der Freisetzung von Medikamenten oder in der molekularen Elektronik. Für elektrochemische Prozesse in Batterien, Brennstoffzellen und bei der Elektrolyse ist es wichtig zu verstehen, was an den Grenzflächen zwischen Elektroden und Flüssigkeiten passiert. Mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden sind diese Grenzflächen allerdings nur schwer zugänglich. KiNSIS-Mitglieder aus der Physik entwickeln dafür Methoden, die zum Beispiel hochintensives Röntgenlicht nutzen, das am Forschungszentrum Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg erzeugt wird. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert gleichmehrere dieser Projekte.  

    Illustration einer Oberfläche
    © Olaf Magnussen

    Quantentechnologie

    Den Grundstein für die Quantenphysik legte der Kieler Nobelpreisträger Max Planck. Heute erforschen KiNSIS-Mitglieder die ungewöhnlichen elektronischen Eigenschaften von Quantenmaterialien mit modernsten Hochleistungsinstrumenten wie im Ruprecht-Haensel-Labor, mit selbst entwickelten Methoden der Elektronenmikroskopie und theoretischen Berechungsmodellen. Zwischen den zahlreichen Elektronen in ihrem Inneren herrschen komplexe Wechselwirkungen, weshalb sie sich völlig anders verhalten als herkömmliche Materialien. Das Forschungsfeld der Spintronik nutzt neben der Ladung von Elektronen auch deren Drehsinn („Spin“). Diese quantenmechanische Eigenschaft kann in magnetischen Materialien zur Ausbildung „atomarer Stabmagnete“ führen. Sie eignen sich dazu, Informationen zu verarbeiten und zu speichern und könnten Grundlage für energiesparendere und leistungsfähigere Bauelemente in der Informationstechnologie sein. Die molekulare Spintronik verbindet die Spintronik mit der molekularen Elektronik, bei der Moleküle als Bestandteil elektronischer Bauteile dienen und zur Miniaturisierung der Elektronik beitragen können. Quantenphysikalische Effekte lassen sich auch für neuartige, extrem leistungsfähige „Quantencomputer“ nutzen. Hier wird das Bit, die kleinste Informationseinheit heutiger Prozessoren, zum Quantenbit („Qubit“). Während ein Bit entweder den Zustand 0 oder 1 einnimmt, kann ein Qubit auch alle möglichen Kombinationen eingehen. So lassen sich absolut sichere Verschlüsselungstechniken entwickeln, komplexe Prozesse in Materialien oder Abhängigkeiten aus großen Datenmengen ultraschnell berechnen und zum Beispiel Klimaentwicklungen präziser vorhersagen.

    © Chithra Sharma