Nagoya-Protokoll: Zugang und Nutzung genetischer Ressourcen

Das Nagoya-Protokoll an der CAU

Das Nagoya-Protokoll über Zugang und Vorteilsausgleich (ABS = Access and Benefit-Sharing) wurde auf der zehnten Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt im Jahr 2010 abgeschlossen und regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben.

Forscherinnen und Forscher an der CAU, die genetische Ressourcen (d. h. totes oder lebendiges Material, das DNA enthält, und deren Derivate) im Rahmen ihrer Forschung nutzen, sind dazu verpflichtet, die erforderliche Sorgfalt bei deren Nutzung walten zu lassen. Darüber hinaus müssen die betreffenden Forscherinnen und Forscher eine Sorgfaltserklärung abgeben. Geregelt ist dies im Gesetz zur Umsetzung der Verpflichtungen nach dem Nagoya-Protokoll, zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 und zur Änderung des Patentgesetzes sowie zur Änderung des Umweltauditgesetzes. Verstöße gegen die EU-Verordnung Nr. 511/2014 stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit Geldbußen bis zu 50.000 € belegt werden.

Auf dieser Seite finden Sie Informationen zur Einhaltung des Nagoya-Protokolls im Rahmen Ihrer Forschung.

Kontakt

Dr. rer. nat. Scarlett Sett
Nagoya-Protokoll-Beauftragte der CAU
Christian-Albrechts-Platz 4,
R. 517/518
24118 Kiel
+ 49 431 880 4924
nagoya@uv.uni-kiel.de

Was ist das Nagoya-Protokoll?

Das Nagoya-Protokoll über Zugang und Vorteilsausgleich (ABS = Access and Benefit-Sharing) ist ein internationales Abkommen, das auf eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile abzielt, die sich aus der Nutzung (Forschung und/oder Entwicklung) genetischer Ressourcen (und/oder darauf bezogenen traditionellen Wissens) ergeben.

Innerhalb des nationalen Hoheitsgebiets, einschließlich der 200 Seemeilen breiten ausschließlichen Wirtschaftszone und des erweiterten Festlandsockels (falls vorhanden), deckt das Nagoya-Protokoll alle genetischen Ressourcen und deren Verwendung ab. Ausgeschlossen sind Organismen, die Gegenstand spezieller Verträge sind (z. B.  Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und Vorbereitung auf Influenza-Pandemien), und jede Art von menschlichem genetischem Material. Humanpathogenen unterliegen jedoch dem Nagoya-Protokoll.

Was sind genetische Ressourcen?

Eine genetische Ressource ist jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen (nicht menschlichen) Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält, oder Derivate einer genetischen Ressource (z. B. Enzyme, Proteine, Metaboliten) mit tatsächlichem oder potentiellem Wert (Definition aus dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt, dem Nagoya-Protokoll und der EU-Verordnung Nr. 511/2014).

Was versteht man unter der Nutzung von genetischen Ressourcen?

Unter Nutzung versteht man das Durchführen von Forschungs- und/oder Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung dieser Ressourcen oder deren Derivaten.

Die drei Säulen des Nagoya-Protokolls:

Um die Einhaltung des Nagoya-Protokolls zu fördern, müssen die Säulen des Nagoya-Protokolls bekannt sein: Zugang, Vorteilsausgleich und Compliance-Verpflichtungen (ABCs of ABS):

I. Zugangsverpflichtungen (PIC - Prior Informed Consent)

Zugangsverpflichtungen (Access obligations), in der Regel in Form einer PIC-Erlaubnis (Prior Informed Consent), werden dem Nutzer (d. h.  dem/der Forschenden) der genetischen Ressource vor dem Erwerb dieser Ressource von dem Bereitstellerland gewährt. Das Bereitstellerland ist jeweils das Land, in dem sich die genetische Ressource in situ befindet und von dem aus zunächst auf sie zugegriffen wird.

II. Vorteilsausgleich (MAT – Mutually Agreed Terms)

Verpflichtungen zum Vorteilsausgleich (Benefit-Sharing obligations), in der Regel in Form von einvernehmlichen Bedingungen (MAT – Mutually Agreed Terms), sind vertragliche Verpflichtungen zwischen dem Bereitstellerland der genetischen Ressource und dem Nutzer der genetischen Ressource. MATs legen monetäre und / oder nicht monetäre Maßnahmen zur Aufteilung des Nutzens fest und regeln auch, was mit der genetischen Ressource getan werden kann (d. h. kommerzielle oder nicht-kommerzielle Forschung), wer der Nutzer dieser Ressource sein wird, für wie lange die Nutzung erfolgt, ob Ressourcen an andere Wissenschaftler/innen weitergegeben werden können usw.

Sobald der Nutzer einer genetischen Ressource einen PIC und eine MAT vom Bereitstellerland der genetischen Ressource erhält, kann das Bereitstellerland ein international anerkanntes Übereinstimmungszertifikat (Internationally Recognized Certificate of Compliance, IRCC) erteilen, um die Rechtmäßigkeit des Zugangs und die Einrichtung der MATs zu belegen, und es kann über die Veröffentlichung auf der ABS-Clearing-House-Website entscheiden. Die ABS-Clearing House Website wurde eingerichtet, um die Umsetzung des Nagoya-Protokolls zu unterstützen und Transparenz und Rechtssicherheit in Bezug auf die ABS-Vorschriften für die Bereitstellungländer genetischer Ressourcen zu gewährleisten.

Sowohl Zugangs- als auch Vorteilsausgleichsverpflichtungen werden zwischen dem Bereitstellerland und dem Nutzer der genetischen Ressource festgelegt und ausgehandelt. Zugangs- und Vorteilsausgleichsverpflichtungen werden auf nationaler Ebene geregelt, d. h. nach den nationalen Gesetzen des Landes, das die genetische Ressource bereitstellt. Jedes Land kann entscheiden, ob und wie es seine genetischen Ressourcen reguliert.

III. Compliance-Verpflichtungen

Compliance-Verpflichtungen hingegen werden in Deutschland gemäß der  EU-ABS-Verordnung Nr. 511/2014 umgesetzt und geregelt. Compliance-Verpflichtungen sind Gesetze, Verwaltungsinstrumente oder politische Instrumente, die die Parteien des Nagoya-Protokolls festlegen müssen, um sicherzustellen, dass bei jeder Erforschung und/oder Entwicklung genetischer Ressourcen in ihrem Hoheitsgebiet die ABS-Regeln/-verpflichtungen desjenigen Landes eingehalten werden, von dem aus auf die genetische Ressource zugegriffen wurde. Sie umfassen auch Maßnahmen zur Überwachung der Nutzung dieser genetischen Ressourcen an festgelegten Kontrollpunkten (z. B. Forschungs- und/oder Entwicklungsphase, Vorkommerzialisierungs- oder Kommerzialisierungsphase).

Was müssen Sie an der Universität Kiel unternehmen, um das Nagoya-Protokoll bzw. die EU-ABS-Verordnung einzuhalten?

Als Nutzerin oder Nutzer genetischer Ressourcen (und/oder damit verbundenen traditionellen Wissens) sind Sie verpflichtet, die erforderliche Sorgfalt walten zu lassen und eine Sorgfaltserklärung abzugeben, um der EU-ABS-Verordnung zu entsprechen. Dies bedeutet, dass Sie sicherstellen, dass auf die genetischen Ressourcen entsprechend den geltenden Zugangs- und Vorteilsverteilungsgesetzen des Bereitstellerlandes zugegriffen wurde und gegebenenfalls Maßnahmen zur Aufteilung des Nutzens festgelegt wurden. Daher liegt es in Ihrer Verantwortung als Nutzer/-in genetischer Ressourcen, alle ordnungsgemäßen Unterlagen zu suchen, zu behalten und an nachfolgende Benutzer/-innen weiterzugeben.

Als direkte Nutzerinnen und Nutzer gelten Forschende, die die Ressource direkt aus dem Bereitstellerland beziehen. Als indirekte Nutzer/-in gelten Sie  entweder, wenn Sie die Ressource von einem Dritten wie einem Kooperationspartner, einer registrierten/privaten Sammlung usw. beziehen („indirect incoming“) wird oder wenn Sie die Ressource einem Dritten z. B. einem Kooperationspartner übergeben („indirect outgoing ).

Hinweis: Es liegt in Ihrer Verantwortung als Nutzer/-in genetischer Ressourcen, die Nutzung einzustellen, wenn nicht genügend Informationen über die Rechtmäßigkeit des Zugriffs vorliegen.

Für direkte Nutzer/-innen genetischer Ressourcen

Mit dieser Checkliste (pdf, englisch) können Sie feststellen, ob Ihre Forschung in den Geltungsbereich der EU-ABS-Verordnung fällt. Wenn Sie in ALLEN Kategorien "JA" ankreuzen, sind Sie verpflichtet, die erforderliche Sorgfalt walten zu lassen (d. h. relevante Dokumentation suchen, zu behalten und an nachfolgende Benutzer/-innen weiterzugeben) sowie eine Sorgfaltserklärung abzugeben.

Die Sorgfaltserklärung ist vorzulegen, wenn ein öffentlich oder privat finanziertes Forschungsprojekt bewilligt wurde (d. h. zwischen dem Erhalt der ersten Tranche der Finanzierung und der Sammlung aller genetischen Ressourcen, die für das Projekt oder vor dem Projektende verwendet werden sollen). Eine zweite Sorgfaltserklärung ist gegebenenfalls für die letzte Phase der Produktentwicklung (d. h. Vermarktung einschließlich des Verkaufs der Forschungsergebnisse) abzugeben. Als Nutzer/-in (d. h. Forscher/-in) einer genetischen Ressource haften Sie für Verstöße gegen die Verordnung. Die Abgabe einer Sorgfaltspflichterklärung über das EU-DECLARE-Portal wird von der Nagoya-Protokoll-Compliance-Beauftragten der Universität Kiel unterstützt und umfasst die Abgabe aller relevanten Dokumente zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Zugangs (d. h. PIC, MAT oder IRCC) sowie allgemeine Informationen über das damit verbundene Projekt.

Auch wenn Sie nicht verpflichtet sind, eine Sorgfaltspflichterklärung abzugeben, müssen Sie die nationalen ABS-Vorschriften des Bereitstellerlandes der genetischen Ressource einhalten. Zum Beispiel ist Brasilien keine Vertragspartei des Nagoya-Protokolls und daher wären Sie nicht verpflichtet, eine Sorgfaltspflichterklärung abzugeben. Brasilien hat jedoch sehr strenge nationale ABS-Gesetze, die Sie befolgen müssen, um auf seine genetischen Ressourcen zugreifen und sie nutzen zu können. Wenn Sie sich nicht sicher sind, welche ABS-Regeln in Ihrem Fall gelten, können Sie sich an die nationale Kontaktstelle (national focal point, NFP) des jeweiligen Bereitstellungslandes für genetische Ressourcen wenden, die auf der ABS Clearing House-Website aufgeführt ist, oder den/die Nagoya-Protokoll-Compliance-Beauftragte/-n kontaktieren.

Download

Check-list for EU-ABS regulation for researchers at Kiel University.pdf (englisch)

Für Nutzer/-innen indirekt ein- und ausgehender genetischer Ressourcen

Wenn Sie genetisches Material für weitere Analysen an einen anderen Nutzer außerhalb der Universität übertragen (d. h. indirekt ausgehend), müssen Sie dies über ein Formular für eine Materialübertragungsvereinbarung (MTA-outgoing) tun. Wenn MATs-Maßnahmen für die Ressourcen festgelegt wurden, die Sie übertragen, stellt ein MTA sicher, dass der nächste Benutzer die Ressource nur unter den ursprünglichen Bedingungen nutzt, die in den PIC / MATs des Bereitstellerlandes der genetischen Ressourcen festgelegt wurden. Wenn eine Änderung der Absicht in Bezug auf die Nutzung der genetischen Ressource vorgesehen ist (z. B. von nichtkommerzieller zu kommerzieller Forschung), müssen der ursprüngliche PIC und die MAT erneut mit dem Bereitstellungsland der genetischen Ressource ausgehandelt werden.

Dies gilt auch, wenn Sie genetisches Material von einem anderen Benutzer erhalten (d. h. indirekt eingehend). Im Rahmen Ihrer Sorgfaltspflicht müssen Sie sicherstellen, dass Sie, wenn Sie genetisches Material von einem kooperierenden Institut erhalten, die Rechtmäßigkeit des Zugangs zu diesen Ressourcen (d. h. PIC und MAT, falls verfügbar) dokumentieren können. Wenn Sie Material von einem Kooperationspartner/einer externen Quelle erhalten, tun Sie dies über ein MTA-incoming.

Die Unterzeichnung des MTA durch die CAU erfolgt durch rechtliche Vertretung der CAU (über das CAU Büro des Nagoya-Protokolls) und des Benutzers/der Benutzerin der genetischen Ressourcen (d. h. Forschende). Alle Änderungen am Inhalt des MTA müssen vom/von der Nagoya-Protokoll-Compliance-Beauftragten koordiniert und genehmigt werden.

Folgen bei Nichteinhaltung des Nagoya-Protokolls

In Deutschland begannen die Compliance-checks bereits 2018. Die Compliance-Checks werden von der zuständigen nationalen Behörde des Landes durchgeführt, in dem der Zugang und die Nutzung der Ressource erfolgen (in Deutschland das Bundesamt für Naturschutz), um zu überprüfen, ob Nutzer genetischer Ressourcen die Sorgfaltspflichten erfüllt haben.

In Deutschland stellen Verstöße gegen die EU-Verordnung Nr. 511/2014 Ordnungswidrigkeiten dar. Es können Geldbußen bis zu 50.000 EUR verhängt werden, wenn ein Verstoß gegen die Verordnung festgestellt wird. Darüber hinaus kann das genetische Material beschlagnahmt/konfisziert und die Nutzung gestoppt werden und damit auch das Forschungsprojekt. In Ländern wie Brasilien und Indien sind Forscher wegen Verstoßes gegen nationale Gesetze ins Gefängnis gekommen. Malaysia könnte beschließen, einer Gruppe von Forschenden die Einreise zu verbieten, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie eine neue Vogelspinne legal erworben haben, über die sie kürzlich in einer Fachzeitschrift publiziert haben.

Bei Fragen oder Bedenken können Sie sich per E-Mail an die Nagoya-Protokoll-Beauftragte der Universität Kiel wenden.