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Die Frommen in Pommern

Kirchliche Archive gehören zu den zuverlässigsten historischen Quellen überhaupt. Dennoch ist es harte Arbeit, ausgerechnet die Geschichte von Klöstern zu erkunden. Das Historische Seminar macht sich jetzt innerhalb einer breit aufgestellten Kooperation zum zweiten Mal an ein solches Mammutprojekt.

Altes Kloster
© Marek Ober

Der Kreuzgang des Doms von Kamien Pomorski gehört zu den eindrucksvollsten sakralen Bauten in Pommern.

Nachdem die Abteilung für Regionalgeschichte mit dem im Jahr 2019 erschienenen zweibändigen Klosterbuch Schleswig-Holstein und Hamburg den erfolgreichen Abschluss von sehr aufwendigen Untersuchungen zu diesem Thema vorgelegt hat, geht es jetzt in ganz ähnlicher Weise mit der Erforschung solcher Anlagen in Pommern weiter. »Diese Idee lag nahe, weil wir durch das erste Klosterprojekt sehr viel Knowhow sammeln konnten«, erläutert Professor Oliver Auge.

Bereits im Jahr 2017 traf sich eine kleine Runde im hinterpommerschen Städtchen Kulice (Külz) in Polen, um den Stein ins Rollen zu bringen. Um am Ende nicht wie bei der Untersuchung zu Schleswig-Holstein und Hamburg in finanzielle Nöte zu geraten, sollte dem Thema Geld dabei diesmal von vornherein große Aufmerksamkeit geschenkt werden. »Es war ein langer Prozess, hat aber sehr gut geklappt«, freut sich Auge über die Unterstützung der Krupp-Stiftung, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

1,65 Millionen Euro stehen bereit, um innerhalb von sieben Jahren ein Standardwerk zu den Klöstern in Pommern zu erstellen. Regional reicht das Terrain vom Darß in Mecklenburg-Vorpommern bis Słupsk (Stolp) und Lebork (Lauenburg) im heute polnischen Hinterpommern. Zeitlich geht es im Wesentlichen um die Epoche von der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation und ihren Folgeerscheinungen um 1520 bis 1540.

Genau dieses letzte Kapitel erschwert die Erforschung von Klöstern, Stiften, Konventen und weiteren religiösen Institutionen, weil das Wirken von Luther und seinen Zeitgenossen vielfach zu Säkularisierung führte. Vorbei war es damit oft auch mit den legendären kirchlichen Archiven, denn von Angaben zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Klöster bis zu Büchern und Kunstwerken landete vieles in ganz anderen Depots.

Oftmals finden sich heute derartige Zeugnisse in den Landesarchiven, teils aber auch in kommunalen und privaten Beständen oder in Kirchen, in die sie auf vielerlei Wegen gelangt sein können. Weil im speziellen Fall mit Deutschland und Polen zudem zwei Nationalstaaten beteiligt sind, gestaltet sich das Forschungs- und Dokumentationsvorhaben darüber hinaus von den Kooperationen her äußerst bunt. Mit an Bord sind neben der Uni Kiel die Historische Kommission für Pommern, die Universität Greifswald, das Staatsarchiv Stettin (Szczecin), das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern sowie Forschungseinrichtungen in Polen, Dänemark und Schweden.

Fachlich ist ebenfalls Vielfalt oder besser gesagt Interdisziplinarität gefordert. »Pommerland ist abgebrannt« hieß es nach diversen wüsten Schlachten im Dreißigjährigen Krieg und in anderen Auseinandersetzungen schon lange vor den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts, sodass von manchen Klöstern nichts oder fast nichts mehr zu sehen ist. Teil des Teams ist deshalb der Archäologe Dr. Andreas Kieseler, der fließend polnisch spricht und damit eine zweite wichtige Qualifikation mitbringt.

Dr. Katja Hillebrand, die zusammen mit Oliver Auge schon den Doppelband zu Schleswig-Holstein und Hamburg herausgegeben hat, widmet sich unterdessen den bau- und kunstgeschichtlichen Aspekten des Themas, während Robert Harlaß als Historiker mitarbeitet. Hinzu kommen je nach Phase des Projekts Fachleute für spezielle Bereiche. Eine Homepage soll den Gang der Dinge ausführlich begleiten, dazu ist neben einem großen gedruckten Werk noch eine Kurzausgabe für Menschen vorgesehen, die klassisch kulturtouristisch unterwegs sind. Und nicht zuletzt wollen die Forschenden vom kommenden Jahr an mit mehreren größeren Veranstaltungen an die Öffentlichkeit gehen, um über ihre Arbeit zu informieren.

Autor: Martin Geist

Vom Ritter bis zur Begine

Etwa 65 bis 70 Einrichtungen werden sich in einigen Jahren voraussichtlich im Klosterbuch Pommern wiederfinden. Vertreten sind die klassischen Orden wie Augustiner, Benediktiner, Zisterzienser, Franziskaner oder Dominikaner, und das fast durchweg in männlicher wie weiblicher Ausprägung.

Durchaus eine Rolle spielen außerdem die Ritterorden, unter denen die Johanniter oder der Deutsche Orden zu den bekanntesten zählen. Hervorgegangen sind diese Glaubensgemeinschaften aus den mittelalterlichen Kreuzzügen, an deren Ende so mancher Ritter (auch wegen Mangels an Beschäftigungsalternativen) beschloss, fürderhin dem Herrn statt mit dem Schwert mit der Bibel zu dienen.

Recht beliebt waren außerdem die Beginenhäuser. Sie richteten sich nicht nur an junge, sondern ebenso an ältere alleinstehende oder verwitwete Frauen. Zwar lebten sie in diesen Häusern ähnlich wie in einem Kloster, ihre Profess, also ihr Ordensgelübde, legten sie aber nicht fürs ganze Leben, sondern immer nur für ein Jahr ab.

Insgesamt wurden in Norddeutschland trotz dieser beachtlichen Vielfalt deutlich weniger Klöster als im Süden der Republik oder in den angrenzenden Ländern noch weiter südlich errichtet. Der wesentliche Grund: Im Süden begann die Christianisierung mehrere Jahrhunderte früher. (mag)

Weitere Informationen zum Projekt unter
bit.ly/klosterbuch-pommern

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