Die CAU und der Nationalsozialismus
Das NS-Regime versuchte seit der Machtergreifung 1933 auch die deutschen Universitäten möglichst rasch gleichzuschalten. Von freier Wissenschaft konnte fortan keine Rede mehr sein, das Ende Deutschlands als führende Wissenschaftsnation war nur eine der Folgen. In Kiel und an der Kieler Universität fand der Gleichschaltungsprozess sehr schnell und ohne größeren Widerstand statt. Teile der Studierendenschaft und des Lehrkörpers sahen sich als Vorreiter in der Umsetzung der NS-Bildungs- und Rassenpolitik.
Die Gleichschaltung zog tiefe Eingriffe in Universitätsverfassung und im Beamtenrecht nach sich – fast 60 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mussten Forschung und Lehre aufgeben, ihre akademischen Grade wurden aberkannt. Eine neutrale Rechtsprechung oder Berufungsinstanz gab es nicht mehr.
Diese Plattform stellt Informationen zu den Opfern als auch zu den nationalsozialistischen Täterinnen und Tätern im Umfeld der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bereit.
NS-Geschichte der Kieler Universität
und ihre Aufarbeitung

Kollegiengebäude der Christian-Albrechts-Universität (CAU) im Schlossgarten um 1910
Zeichen des Erinnerns
In den 1990er Jahren begann die Christian-Albrechts-Universität mit der Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit. Einen entscheidenden Anstoß gab die damalige Rektorin der CAU, Professorin Karin Peschel. Am 15.11.1993 erklärt Sie die Aberkennung der Doktorgrade vertriebener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflter von 1936 bis 1945 für nichtig.
Die "Machtergreifung" in der Kieler Universität
Spätestens ab 1933 versuchten die Nationalsozialisten, in alle Bereiche des Bildungswesens hineinzuwirken. Die Erziehung der Jugend "im Geiste des Nationalsozialismus" sollte erreicht werden, indem man Lehrpläne umstellte und "nicht-arische" Schülerinnen und Schüler anhand des "Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen" vom Unterricht ausschloss. Sowohl die Jugend wie auch die Lehrkräfte wurden außerdem in nationalsozialistischen Organisationen wie Hitlerjugend und Nationalsozialistischem Lehrerbund (NSLB) erfasst.
Die Gleichschaltung der Lehrkräftebildung
Volksschullehrkräfte wurden in der Weimarer Republik nicht an Universitäten, sondern an "Pädagogischen Akademien" auf ihren Beruf vorbereitet. Eine solche Akademie nahm 1926 infolge einer Neuordnung der preußischen Volksschullehrkräfte in Kiel ihre Arbeit unter dem Direktor Professor Ulrich Peters (1878-1939) auf. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde sie wie alle "Pädagogischen Akademien" umgewandelt in eine "Hochschule für Lehrerbildung" (HfL).
Die Aufarbeitungen der Gründungsfakultäten
und des Studentenwerks
Das Kieler Studentenwerk im Nationalsozialismus
Die nicht politisch ausgerichtete Kieler Studentenhilfe wurde 1933 in das Studentenwerk eingegliedert und damit als eigenständiges karitatives Organ ausgeschaltet. Wie alle lokalen Studentenwerke wurde schließlich auch jenes in Kiel 1934 als "Studentenwerk Kiel e.V., Zweigstelle des Reichsstudentenwerks" den Weisungen der Zentrale in Berlin unterstellt.
Zerstörung und Wiederaufbau
der Kieler Universität
Zerstörung der Universitätsgebäude
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kieler Universität fast vollständig zerstört. Die meisten Gebäude der Christiana Albertina lagen in der Innenstadt und wurden bei den Bombenangriffen stark beschädigt. Besonders schlimm traf es die Universitätsbibliothek, die 1942 von einer Brandbombe getroffen wurde. Ein Großteil der Bücher- und Zeitschriftenbestände fielen dem Feuer zum Opfer. Aber auch die Hauptgebäude wurden zerstört, ebenso ein Großteil der Kliniken und Institute.
Aus den Trümmern – die Kieler Universität im Jahr 1945
Am 27. November 1945 kamen Lehrende, Studierende und Verwalter, aber auch Vertreter der Militärregierung, der ersten Länderregierung und der Stadt Kiel in der "Neuen Universität" hier am Westring zusammen, um feierlich – begleitet von den Klängen der Jupiter-Symphonie von Amadeus Mozart – den Neubeginn akademischer Lehre und Forschung an traditionsreicher Stätte auszurufen. In bewegenden und zugleich aufschlussreichen Worten wandte sich der erste, noch von der britischen Militärregierung ernannte Rektor der CAU, der Psychiater Hans Gerhard Creutzfeldt, an die Festversammlung: (Ich zitiere:) "Wie ein Schiffbrüchiger, der wieder ans Land gelangt und festen Boden unter den Füßen fühlt, so erfüllt einen jeden von uns ein Gefühl zutiefst, das ist das der Dankbarkeit." Über 28 Decennien, so führte der erste Nachkriegsrektor weiterhin aus, habe die Schleswig-Holsteinsche Landesuniversität "treulich in Forschung und Lehre zu wirken sich gemüht". Erst die Wirren des Zweiten Weltkriegs habe sie dann gezwungen, die zerstörten Stätten zu verlassen. Jetzt aber, so Creutzfeldt im November 1945, gebe es neue Hoffnung, neues Leben und neues Planen. Und er versprach, man werde sich nun in Ehrfurcht erneut in die "Kette der Wahrheitssucher" einreihen, die von den Vorgängergenerationen aufgebaut und hinterlassen worden sei.
Über diese Plattform
Den Kern dieser Plattform bilden Einzelbiografien der aus der Universität Kiel vertriebenen Forschenden. Daneben stehen Texte zu bedeutenden nationalsozialistischen Akteurinnen und Akteuren an der CAU und Verweise auf die entsprechende Literatur. Diese Plattform stellt daher sowohl Informationen zu den Opfern als auch zu den nationalsozialistischen Täterinnen und Tätern bereit. Es gibt Beiträge zur Entwicklung der einzelnen Fakultäten sowie übergreifende Artikel zu Bildungspolitik und Studentenwerk während des NS-Regimes. Darüber hinaus werden Kieler Publikationen zur deutschen Wissenschaft in der NS-Zeit aufgeführt.
Man kann dieser Seite entnehmen, dass sich immer wieder einzelne Forschungsprojekte speziellen Themen aus der Zeit gewidmet haben. Ungeachtet dessen ist über das Unrecht an der Kieler Universität noch viel zu erforschen. Hier setzt die Internetplattform an. Sie beschäftigt sich zum einen mit den Übergriffen gegen unliebsam gewordene Forschende und zum anderen dem Umgang mit der universitären NS-Vergangenheit in der Nachkriegszeit. Ergebnisse aus Forschungsarbeiten, Zeitzeugenberichte, alte Fotos und Dokumente sind gebündelt. Die Plattform bietet somit einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung. Das Ziel ist ein kritischer Umgang mit dieser Zeit und die Ermunterung zur weiteren wissenschaftlichen Erforschung.