Die Aufarbeitungen der Gründungsfakultäten

Die Entwicklung der Theologischen Fakultät

Die Theologische Fakultät der Kieler Universität sah sich im "Dritten Reich" nicht nur von den personellen "Säuberungen" der Nationalsozialisten sondern in ihrem ganzen Bestehen bedroht. Nicht nur außerhalb, auch innerhalb der Universität gab es seit 1933 Stimmen, die der Fakultät ihr Existenzrecht an einer nationalsozialistischen Universität absprachen. So formulierten beispielsweise Rektor Lothar Wolf und Geschichtsprofessor Carl Petersen 1933 in einem Artikel: "Die Theologie scheidet als das Weltbild gestaltende Quelle aus und würde besser im Priesterseminar als an der Universität gelehrt."

Die theologische Fakultät sollte derart umgestaltet werden, dass sie "die Gewähr für eine weltanschauliche und nationalpolitische Erziehung und Ausbildung der Theologiestudierenden" bieten könne, wie der Reichswissenschaftsminister dem Rektor der Universität 1935 mitteilte. Bei der 1936 abgeschlossenen Neuordnung wurden aus dem alten Lehrkörper nur zwei Privatdozenten übernommen.

Ab 1937 dominierten die Juristische, die Medizinische und die Philosophische Fakultät die nationalsozialistische Universität, während die Theologische schrittweise "abgewickelt" wurde. Studentenseelsorgern war es seit dem Sommer dieses Jahres verboten, das Vorlesungsverzeichnis für Ankündigungen zu nutzen.

Theologiestudenten wurden ab 1938 nicht mehr in die "Kameradschaften der Reichsstudentenschaft" aufgenommen. Im Jahre 1939 wurden die akademischen Rundfunkpredigten und kurz darauf theologische und kirchliche Rundfunksendungen überhaupt verboten. Freie Stellen an der Fakultät wurden nicht neu besetzt, sondern vertretungsweise durch Privatdozenten von außerhalb übernommen. Der Lehrstuhl für praktische Theologie zum Beispiel kam 1941 nach jahrelangen Vertretungen an das Institut für Meereskunde. Darüber hinaus wurde die Fakultät 1940 in einer Festschrift zum 275-jährigen Bestehen der Universität übergangen, und seit demselben Jahr wurde ihr Dekanat durch Vertreter anderer Fächer wahrgenommen.

Auch die rückläufigen Studentenzahlen zeigten den Bedeutungsverlust der Fakultät: Während im Wintersemester 1933/34 noch 149 Studierende der Theologie eingeschrieben waren, waren es im Wintersemester 1938/39 nur 22. Der Krieg verstärkte diese rückläufige Entwicklung noch.

Nach Kriegsende konnten fast alle der in den Dreißiger Jahren Neuberufenen ihre Ämter an der Theologischen Fakultät wieder aufnehmen. sas

Literaturangaben

  • 2006 | Kiel
    "Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933-1945. Die Ausstellung im Landtag 2005" (Schriftenreihe des Schleswig-Holsteinischen Landtages, 7)
    Göhres, Annette und Liß-Walther, Joachim (Hrsg.)

Weiterführende Literatur

  • 2014 | Frankfurt am Main
    "Karrieren zwischen Diktatur und Demokratie : die Berufungspolitik in der Kieler Theologischen Fakultät 1936 bis 1946"
    Martin Göllnitz. Lang-Ed.
  • 1995
    Die Theologische Fakultät unter der Herrschaft des Nationalsozialismus
    Jendris Alwast. In: Uni-Formierung des Geistes, S.87-137

Theologie und Diktatur

Amtsenthebung oder glänzende Karriere - zwei unterschiedliche Lebensläufe an der Theologischen Fakultät unter der NS-Diktatur.

Beide Wissenschaftler waren Mitte dreißig, als sie ihr Ordinariat an der Theologischen Fakultät der Universität Kiel antraten: Kurt Dietrich Schmidt (1896-1964) übernahm zum Wintersemester 1929/30 die Professur für Kirchengeschichte, Martin Redeker (1900-1970) wurde 1936 auf den Lehrstuhl für Systematische Theologie berufen. Aber während Schmidts Karriere durch die Amtsenthebung im Jahr 1935 einen Bruch erlitt, konnte Redeker durchstarten. Er behielt seinen Lehrstuhl und konnte auch nach Kriegsende weiter in Kiel lehren und forschen. Erst in den letzten Semestern seiner Tätigkeit kam es wegen seiner politischen Haltung während der NS-Zeit zu Auseinandersetzungen zwischen Studentengruppen und der Fakultät. 1969 wurde Redeker emeritiert, 1970 starb er.

Der Kieler Historiker Hansjörg Buss hat sich intensiv mit Redeker befasst. Für das "lokale Fenster" der Wanderausstellung "Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933-1945", die im zuletzt im Landeshaus Kiel zu sehen war, hat er Dokumente zusammengetragen, die Redekers antisemitische Einstellung und sein Eintreten für den Nationalsozialismus belegen. In der Veröffentlichung zur Ausstellung schreibt Buss: "Martin Redeker hatte sich bereits 1933 für die westfälischen Deutschen Christen (DC) engagiert. Seine Predigten sind von der inhaltlichen und sprachlichen Anlehnung an den Nationalsozialismus und einem aggressiven Antisemitismus gekennzeichnet." Redeker war Mitglied des im Mai 1939 gegründeten "Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" in Eisenach.

Seine Berufung an die Kieler Universität erfolgte im Zuge der nationalsozialistischen Umgestaltung der Theologischen Fakultät. Nach dem Willen des Reichswissenschaftsministeriums sollte die Fakultät durch Neu- und Umbesetzungen der Lehrstühle so ausgebaut werden, dass sie, so der entsprechende Erlass an den Rektor der Kieler Universität, "die Gewähr für eine weltanschauliche und nationalpolitische Erziehung und Ausbildung der Theologiestudierenden bietet." Der personelle Umbau war gründlich: 1935/36 wurde die beamtete Professorenschaft der Fakultät durch Entpflichtung, Versetzung und Berufung nach auswärts vollständig entfernt, zusätzlich wurde zwei Privatdozenten die Lehrbefugnis entzogen. Auch Redekers Vorgänger, der liberale Theologe Professor Hermann Mulert, wurde aus politischen Gründen 1935 zwangsweise in den Ruhestand versetzt.

Dass Redeker die Professur annahm, obwohl sein Vorgänger aus dem Dienst entfernt wurde, sollte man ihm nicht vorwerfen, meint Professor Johannes Schilling vom Institut für Kirchengeschichte. "Die Professur abzulehnen, erfordert schon ein hohes Maß an moralischer Kraft, die man von einem jungen Wissenschaftler in dieser Situation kaum erwarten kann, er hatte eine Stelle." Gleichwohl muss Redeker klar gewesen sein, was von ihm erwartet wurde: Die Theologie sollte den staatlichen Interessen dienstbar gemacht werden. Er passte sich an. "Er war der Überzeugung, Religion und Kirche sollten ein Teil der allgemeinen Kulturentwicklung sein", so Schilling.

Der Kirchenhistoriker Kurt Dietrich Schmidt dagegen vertrat die klassische lutherische Position, wonach Staat und Kirche unterschieden bleiben müssen. Schilling: "Gott wirkt auf zweierlei Weise, zum einen in der Kirche, durch das Evangelium, und zum anderen in der Welt, durch die weltlichen Gesetze. Die Unterscheidung der zwei Bereiche impliziert auch unterschiedliche Zuständigkeiten." Sprich: Der Staat hat sich in Glaubensinhalte und Kirchenverfassung nicht einzumischen. Mit dieser Position widersprach Schmidt dem Totalitätsanspruch der nationalsozialistischen Ideologie. "Schmidt hat sich in diesem Fall ganz klar für die Haltung, 'Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apostelgeschichte 5,29)' entschieden. Diese Haltung führte dann auch zu seiner Entlassung", so Schilling.

Nach dem zwangsweise herbeigeführten einstweiligen Ende seiner universitären Laufbahn war er bis zum Ende der nationalsozialistischen Zeit auf einer Dozentenstelle am lutherischen Missionsseminar in Hermannsburg in der Lüneburger Heide tätig. Seine Karriere als Hochschullehrer setzte sich nach Kriegsende in Hamburg, zunächst an der Kirchlichen Hochschule und seit 1953 als ordentlicher Professor an der neu gegründeten Theologischen Fakultät der dortigen Universität fort. Schmidt starb 1964 in Hamburg.

Die Karriere des an die NS-Ideologie angepassten Theologen verlief anders. Nachdem der Lehrbetrieb an der Theologischen Fakultät 1941/42 faktisch zum Erliegen gekommen war, übernahm Redeker im Sommer 1942 ein Militärpfarramt. Nach Kriegsende nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf, war kurzfristig Dekan der Fakultät und wurde im Dezember 1955 mit knapper Mehrheit zum Rektor der Kieler Universität gewählt. Er verzichtete aber auf das Amt, nachdem er wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik geraten war. In den Jahren 1954 bis 1967 nahm Redeker parallel zu seiner akademischen Laufbahn eine politische Karriere als Landtagsabgeordneter der CDU. Er gehörte unter anderem dem Bundesvorstand des evangelischen Arbeitskreises der CDU an. "Redeker hat sich auch um die Fakultät verdient gemacht", erklärt Schilling. So hat er das Kieler Kloster als evangelisches Studentenheim wieder aufgebaut. Sein größtes wissenschaftliches Verdienst ist die Schleiermacher- Forschung, die im Dezember 1967 zur Gründung der Schleiermacher-Forschungsstelle führte.

Kurt Dietrich Schmidt dagegen hat bei der Neukonstituierung der evangelischen Kirchengeschichtswissenschaft nach 1945 eine bedeutende Rolle gespielt. Sein 1949 erstmals erschienenes Lehrbuch "Grundriss der Kirchengeschichte" prägte lange Zeit die Vorstellung von dieser theologischen Disziplin. Nach Kriegsende hat Schmidt entscheidend dazu beigetragen, die Geschichte der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus als Gegenstand evangelischer Kirchengeschichtswissenschaft zu etablieren. "Wie die Lebensläufe zeigen, konnte eine klare theologische Option, insbesondere in schwierigen Zeiten, der Wahrheitsfindung dienen", resümiert Schilling. "Karriere, Erfolg und wissenschaftliche Bedeutung sind zu unterscheiden."

Der Kirchenhistoriker Kurt Dietrich Schmidt dagegen vertrat die klassische lutherische Position, wonach Staat und Kirche unterschieden bleiben müssen. Schilling: "Gott wirkt auf zweierlei Weise, zum einen in der Kirche, durch das Evangelium, und zum anderen in der Welt, durch die weltlichen Gesetze. Die Unterscheidung der zwei Bereiche impliziert auch unterschiedliche Zuständigkeiten." Sprich: Der Staat hat sich in Glaubensinhalte und Kirchenverfassung nicht einzumischen. Mit dieser Position widersprach Schmidt dem Totalitätsanspruch der nationalsozialistischen Ideologie. "Schmidt hat sich in diesem Fall ganz klar für die Haltung, 'Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apostelgeschichte 5,29)' entschieden. Diese Haltung führte dann auch zu seiner Entlassung", so Schilling.

Die Karriere des an die NS-Ideologie angepassten Theologen verlief anders. Nachdem der Lehrbetrieb an der Theologischen Fakultät 1941/42 faktisch zum Erliegen gekommen war, übernahm Redeker im Sommer 1942 ein Militärpfarramt. Nach Kriegsende nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf, war kurzfristig Dekan der Fakultät und wurde im Dezember 1955 mit knapper Mehrheit zum Rektor der Kieler Universität gewählt. Er verzichtete aber auf das Amt, nachdem er wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik geraten war. In den Jahren 1954 bis 1967 nahm Redeker parallel zu seiner akademischen Laufbahn eine politische Karriere als Landtagsabgeordneter der CDU. Er gehörte unter anderem dem Bundesvorstand des evangelischen Arbeitskreises der CDU an. "Redeker hat sich auch um die Fakultät verdient gemacht", erklärt Schilling. So hat er das Kieler Kloster als evangelisches Studentenheim wieder aufgebaut. Sein größtes wissenschaftliches Verdienst ist die Schleiermacher- Forschung, die im Dezember 1967 zur Gründung der Schleiermacher-Forschungsstelle führte.

Kurt Dietrich Schmidt dagegen hat bei der Neukonstituierung der evangelischen Kirchengeschichtswissenschaft nach 1945 eine bedeutende Rolle gespielt. Sein 1949 erstmals erschienenes Lehrbuch "Grundriss der Kirchengeschichte" prägte lange Zeit die Vorstellung von dieser theologischen Disziplin. Nach Kriegsende hat Schmidt entscheidend dazu beigetragen, die Geschichte der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus als Gegenstand evangelischer Kirchengeschichtswissenschaft zu etablieren. "Wie die Lebensläufe zeigen, konnte eine klare theologische Option, insbesondere in schwierigen Zeiten, der Wahrheitsfindung dienen", resümiert Schilling. "Karriere, Erfolg und wissenschaftliche Bedeutung sind zu unterscheiden." 

Autorin: Kerstin Nees

Literaturangaben

"Hinter den Kulissen". Die Kieler Rechtswissenschaftliche Fakultät im Nationalsozialismus

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität wurde nach 1933 zur nationalsozialistischen "Stoßtruppfakultät" umgebaut. Hinter den Kulissen agierte dabei namentlich der Sicherheitsdienst der SS, der über Persönlichkeiten wie den Rechtshistoriker Karl August Eckhardt und den Staatsrechtler Paul Ritterbusch erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Christian-Albrechts-Universität unter dem Nationalsozialismus ausübte. Dies gilt namentlich für Eckhardt, der seit 1934 als Hauptreferent für die Fächer Recht, Staat, Politik, Wirtschaft und Geschichte in der Hochschulabteilung des Reichswissenschaftsministeriums bei der Neubesetzung aller geisteswissenschaftlichen Lehrstühle des Reiches an der politischen Schaltstelle saß. Darüber hinaus war er der maßgebliche Mann im Ministerium für die nationalsozialistische Umgestaltung der Universitätsverfassung und der Studienordnungen.

Die Nationalsozialisten hatten mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität von Anfang an Besonderes im Sinn. Sofort nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 schufen sie mit einem nahezu kompletten personellen Austausch und einer grundlegenden organisatorischen Umwälzung die Voraussetzungen, um die Fakultät zur nationalsozialistischen "Stoßtruppfakultät" im Reich zu machen. Dieser unter dem Namen "Kieler Schule" bekannt gewordene Versuch, eine ganze Fakultät und unter ihrer Führung eine ganze Universität geschlossen in den Dienst der Politisierung der Wissenschaft zu stellen, hob die Kieler Juristenfakultät nach 1933 unter den deutschen Rechtsfakultäten, aber auch unter den anderen Kieler Fakultäten hervor. Sie bildete die beherrschende Erscheinung im Rahmen der Bestrebungen nach einer umfassenden "völkischen Rechtserneuerung".

Zum Weiterlesen:

Eckert, Jörn: Hinter den Kulissen (pdf). Die Kieler Rechtswissenschaftliche Fakultät im Nationalsozialismus. In: Christiana Albertina. Forschungen und Berichte aus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 58 (2004), S. 18-32.

Weiterführende Literatur

  • 2018 | Tübingen
    „350 Jahre Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel“
    herausgegeben von Andreas von Arnauld, Ino Augsberg und Rudolf Meyer-Pritzl.
  • 2017 | Berlin
    „Völkerrecht in Kiel: Forschung, Lehre und Praxis des Völkerrechts am Standort Kiel seit 1665“ (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel 198)
    herausgegeben von Andreas von Arnauld.
  • 2013 | Baden Baden
    Kieler Fakultät und 'Kieler Schule' : die Rechtslehrer an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zu Kiel in der Zeit des Nationalsozialismus und ihre Entnazifizierung
    verfasst von Christina Wiener. Nomos Verl.-Ges.
  • 1995
    Die Juristische Fakultät im Nationalsozialismus
    Jörn Eckert. In: Uni-Formierung des Geistes, S.51-85
  • 1992 | Baden Baden
    Recht und Rechtslehre im Nationalsozialismus : Ringvorlesung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    Franz Jürgen Säcker. Nomos Verl.-Ges.
  • 1965 | Kiel
    Geschichte der Juristischen Fakultät 1665 bis 1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, 3.1).
    Erich Döhring

Die Medizinische Fakultät

Hans Gerhard Creutzfeldt

Der berühmte Hirnforscher Hans Gerhard Creutzfeldt war von 1938 bis 1953 Professor an der Universität Kiel. Zu seinem Handeln im Dritten Reich analysierte der Neurophysiologe Professor Michael Illert bisher nicht ausgewertete Quellen.

Mit der feierlichen Einweihung des neuen Straßenschildes und einer Informationstafel ist heute (Montag, 31. Oktober) auf dem Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) die „Schittenhelmstraße“ in „Rosalind-Franklin-Straße“ umbenannt worden.

Die Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) zeigt ab Freitag, 14. Oktober, eine Ausstellung über „Radiologie im Nationalsozialismus“.

Der Akademische Senat der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat dem Internisten und Professor Alfred Schittenhelm mit sofortiger Wirkung die Würde eines Ehrensenators entzogen.

Weiterführende Literatur

  • 2020 | Kiel
    „Hans Gerhard Creutzfeldt (1885-1964): Nervenarzt, Wissenschaftler, erster Nachkriegsrektor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: die Jahre 1933 bis 1946 – eine Neubewertung“
    verfasst von Michael Illert.
  • 2017/18 | Kiel
    „Die Entscheidung fiel einstimmig – Die Causa Schittenhelm“ In: Informationen zur schleswig-holsteinischen Zeitgeschichte 57/58, S. 122-140
    verfasst Karen Bruhn.
  • 2014 | Essen
    Kieler Hochschulmediziner in der Zeit des Nationalsozialismus : die Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität im "Dritten Reich"
    verfasst von Karl-Werner Ratschko. Klartext
  • 2010 | Hildesheim
    Endstation Anatomie : die Opfer nationalsozialistischer Vernichtungsjustiz in Schleswig-Holstein
    verfasst von Julia Buddecke
  • 2009
    Die Auswirkungen des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses an der Universitäts-Frauenklinik Kiel in der Zeit von 1932 bis 1940
    verfasst von Jana Piechatzek
  • 2009
    Die Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Nationalsozialismus
    Brigitte Lohff. In: Wissenschaft an der Grenze, S.119-134
  • 2008 | Kiel
    Die Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität im Nationalsozialismus
    Karl-Werner Ratschko.
  • 1993
    Weg und Schicksal verfolgter Zahnmediziner während der Zeit des Nationalsozialismus
    verfasst von Ulrich-Wilhelm Depmer
  • 1993 | Frankfurt am Main
    Heilkunst in unheilvoller Zeit : Beiträge zur Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus
    Eckhard Heesch. Mabuse-Verlag

Die Philosophische Fakultät der CAU

Der akademischen Philosophie mit dem Zuständigkeitsbereich für "weltanschauliche Fragen" wurde im "Dritten Reich" ein besonderer Stellenwert beigemessen. Noch im Jahr 1933 erschien in Kiel eine Vortragssammlung mit dem Titel "Die Stellung der Natur- und Geisteswissenschaften in der neuen Universität und die Aufgabe ihrer Fachschaften". In diesen Vorträgen erörterten der damalige Rektor der Christian-Albrechts-Universität, Professor Lothar Wolf, und der Historiker Professor Carl Petersen die Idee einer "politischen Universität" mit der Philosophischen als "Kernfakultät".Die Professoren Stenzel und Kroner waren 1933 und 1934 anhand des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums – im Falle Kroners auf Druck durch Teile der Studentenschaft – vom Philosophischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entfernt worden. Ihre Nachfolger trieben die Instrumentalisierung der Philosophie im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie voran.

Den Lehrstuhl Stenzels übernahm Professor Kurt Hildebrandt, der seit 1933 Mitglied der NSDAP, des NSLB (Nationalsozialistischer Lehrerbund) und NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) war. Hildebrandt hatte sich schon in den Zwanziger Jahren durch Vorträge wie "Staat und Rasse" und "Rassenhygiene und geistige Erziehung" hervorgetan.

Auch der Nachfolger Kroners, Professor Ferdinand Weinhandl, hatte schon seit Mitte der Zwanziger Jahre auf Vorträgen nationalsozialistische Ideen vertreten. 1929 wurde er Fachschaftsleiter des "Kampfbundes für deutsche Kultur", 1933 Mitglied verschiedener nationalsozialistischer Organisationen – neben der NSDAP und des NSLB auch der SA, wo er später "Sturmmann" und "Referent für weltanschauliche Schulung" war. Wie auch Hildebrandt argumentierte Weinhandl in Vorträgen und Veröffentlichungen mit Schlagwörtern wie"Rasse", "Führer", "geistige Kultur" und "Deutschtum".

Der Lehrkörper am Philosophischen Seminar umfasste neben Hildebrandt und Weinhandl 1935 auch den gegen seinen Willen an das Seminar versetzten Theologen Professor Hermann Mandel. Die Professoren Johannes Wittmann und Karlfried Graf von Dürckheim-Montmarin, beide seit 1933 Mitglieder der NSDAP und weiterer NS-Organisationen, hatten ebenfalls Lehraufträge.

Nicht nur der Lehrkörper, auch der Lehrplan wurde der nationalsozialistischen Ideologie angeglichen: So gab es ab dem Wintersemester 1933/34 die neue Rubrik "Nationalpolitische Vorlesungen und Uebungen", in deren Rahmen Veranstaltungen wie "Die philosophischen Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung" stattfanden. Mandel bot unter anderem die Vorlesungen "Religionsgeschichte in rassischer Sicht" (Sommer 1936) sowie "Das Christentum im Licht rassenkundlicher Geistesgeschichte für Hörer aller Fakultäten" (Sommer 1937) an. sas

Publikationen

Ferdinand Weinhandl als Beispiel nationalsozialistischer Geisteswissenschaftler

Ferdinand Weinhandl, 1923 in Kiel habilitiert, lehrte vor seiner Berufung auf den Lehrstuhl Richard Kroner im August 1935 als außerplanmäßiger Professor am Philosophischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität.

Schon in den Zwanziger Jahren vertrat er nationalsozialistische Positionen: Im Jahre 1926 erschien unter dem Titel "Person, Weltbild und Deutung" eine Sammlung von Vorträgen, in denen Weinhandl seit 1924 sein Konzept von Person, "Volk" und "Führer" entwickelt hatte. Er sah demnach im "Führer" den "das Ganze erst wahrhaft einigenden vorbildlichen Einzelnen". 1929 wurde er Fachschaftsleiter des "Kampfbundes für deutsche Kultur" und Redner für dessen schleswig-holsteinische Landesabteilung. Außerdem engagierte er sich in der Kieler Ortsgruppe des "Kampfringes der Deutsch-Österreicher im Reich", bevor er 1933 in die NSDAP, den Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) und die SA eintrat.

Am 10. Mai desselben Jahres wirkte der Philosoph als Hauptredner bei der Kundgebung zur Bücherverbrennung auf dem Kieler Wilhelmplatz mit. Mit seinem an die Jugend gerichteten Vortrag "Undeutscher Geist und deutscher Geist" lieferte er den geistigen Hintergrund für die "Säuberung" der Bibliotheken von "Schmutzliteratur" (so eine studentische Erklärung vom 3. Mai in der "Kieler Zeitung"):

"Wenn sich heute [...] deutsche Studenten zusammenfinden, um diesen in Büchern aufgestapelten Giftstoff zu verbrennen, so soll das nichts anderes dokumentieren, als dass die deutsche Studentenschaft am Aufbau des deutschen Geisteslebens teilhaben will [...] um [...] das ihre zu tun im Ringen um deutsches Wesen und die deutsche Seele im Geiste Adolf Hitlers."

In den späten Dreißiger Jahren tat sich Weinhandl in verschiedenen Ämtern der nationalsozialistisch gelenkten Wissenschaft hervor. Er wurde 1938 Wissenschaftlicher Leiter der im Einvernehmen mit "Reichsleiter" Alfred Rosenberg neugegründeten "Wissenschaftlichen Akademie des Dozentenbundes der Christian-Albrechts-Universität" und Vorsitzender des neuen "Amts für Wissenschaft". Darüber hinaus wirkte er an verschiedenen Arbeitskreisen mit. Mit seinem Vortrag "Deutschland und die Philosophie des Ostens" leistete er 1938 außerdem einen Beitrag zur publizistischen Einstimmung auf den Krieg.

Dessen Ausbruch brachte der "Wissenschaftlichen Akademie" eine neue Aufgabe: das "Projekt des Kriegseinsatzes der Wissenschaften". Weinhandl übernahm in dessen Rahmen die "Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung und Widerlegung der feindlichen Propaganda auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen im Weltkrieg und heute". Als 1940 die Arbeitskreise des NSD-Dozentenbundes durch das Amt "Wissenschaft der Reichs- dozentenführung" ersetzt wurden, ernannte man Weinhandl zum "Leiter des Amtes Wissenschaft der Universität Kiel" und "Fachkreisleiter" für "Allgemeine Philosophie und Religionswissenschaft." In seinen Veröffentlichungen wie z.B. "Philosophie - Werkzeug und Waffe" (1940) schuf Weinhandl die philosophische Legitimation des Krieges und des nationalsozialistischen Anspruches auf die Vormachtsstellung in Europa.

Mit Unterstützung des Philosophen Martin Heidegger ging Weinhandl 1942 nach Frankfurt am Main. Zwei Jahre später zog er nach Graz, wo er 1958 zwei Lehrstühle für Psychologie und Pädagogik übernahm. Im Jahre 1963 erhielt Weinhandl das österreichische Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse, bevor er sich 1965 emeritieren ließ. sas

Weiterführende Literatur und Links

  • 2017 | Frankfurt a.M.
    „Das Kieler Kunsthistorische Institut im Nationalsozialismus. Lehre und Forschung im Kontext der «deutschen Kunst»“ (Kieler Werkstücke Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte 47)
    verfasst Karen Bruhn.
  • 2009
    „Deutsche Art in Sprache und Dichtung: die Germanistik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Nationalsozialismus“
    verfasst von Birgit Aschmann. In: Wissenschaft an der Grenze, S.197-227
  • 2009
    Kieler Soziologie im Nationalsozialismus: akademisches Wirken im Spannungsfeld von Anpassung und Widerstand
    verfasst von Klaus R. Schroeter. In: Wissenschaft an der Grenze, S.175-193
  • 2001 | Bielefeld
    Die Pädagogische Hochschule Kiel im Dritten Reich
    verfasst von Karl Heinrich Pohl. Verl. für Regionalgeschichte
  • 1995
    Das Fach Volkskunde an der CAU im Zeichen des Nationalsozialismus : das Beispiel Gustav Friedrich Meyer
    Harm-Peer Zimmermann. In: Top, Bd. 5, 13, S.6-28
  • Die Lehrkräftebildung während des Nationalsozialismus
  • An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist das Fred-K-Prieberg Archiv beheimatet. Prieberg ist einer der Experten zum Thema Musik in der NS-Zeit gewesen. Seine Forschung und Veröffentlichungen sind Ausgangspunkt für viele weitere Arbeiten zu dem Thema.

Die Kieler Soziologie im NS-Staat

In den Dreißiger Jahren emigrierten zwei Drittel der deutschen Soziologen, und ein Teil der soziologischen Fachzeitschriften stellte 1933 ihr Erscheinen ein. Darauf ist die Legende zurückzuführen, dass im NS-Staat die Soziologie nicht existiert habe. Dem wird heute jedoch ebenso widersprochen wie dem Mythos, dass das Fach an den nationalsozialistischen Universitäten "ausstarb". Es wurden in den späten Dreißiger Jahren gar neue Professuren eingerichtet. Für einige Soziologen versprach die "Machtergreifung" eine Umorientierung ihres Faches.

An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel wurde erst 1954 ein Institut für Soziologie und Politische Wissenschaft eingerichtet. Das Fach Soziologie hatte zuvor von 1929 bis 1936 und erneut ab 1951 den Status eines Seminars innerhalb der Philosophischen Fakultät inne. In der Zwischenzeit, also von 1936 bis 1951, wurden soziologische Inhalte in verschiedenen Fachbereichen gelehrt. Zu diesen gehörten beispielsweise die wirtschaftlichen Staatswissenschaften, Philosophie, Völkerrecht und Pädagogik. In den Zwanziger, Dreißiger und Vierziger Jahren wurde das Fach unter anderem von Ferdinand Tönnies (nur bis 1933), Rudolf Heberle, Ludwig Heyde sowie Gerhard Mackenroth an der Wirtschafts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät vertreten. An der Philosophischen Fakultät lehrten unter anderem Hans Freyer und Cay Baron von Brockdorff soziologische Themen.

Die genannten Fachvertreter nahmen dem Nationalsozialismus gegenüber unterschiedliche Haltungen ein: Der Sozialdemokrat Ferdinand Tönnies wandte sich wiederholt entschieden gegen das Regime und den "Gernegroß" (so Tönnies) Adolf Hitler und wurde 1933 aus "politischen Gründen" entlassen. Sein Schwiegersohn Rudolf Heberle übte schon seit den Zwanziger Jahren Kritik am völkischen Gedankengut. Im Februar 1938 stellte Heberle einen Antrag auf Beurlaubung, um seiner Entlassung zuvorzukommen. Trotz seiner Kritik am NS-Regime hatte er bis dahin versucht, seine Sozialforschung in Deutschland fortzuführen. Er bezeichnete seinen Eintritt in die SA im Dezember 1933 später als einzige Alternative zur Emigration und seine Mitgliedschaft als ein "gewisses Mass [sic] von Tarnung für die intellektuelle Bekämpfung des Nationalsozialismus".

Die Position von Cay Baron von Brockdorff, seit 1910 Mitglied des Lehrkörpers an der Kieler Universität, ist weniger klar dokumentiert. Von Brockdorff wurde 1921 außerordentlicher Professor für Philosophie und Pädagogik. Er war national und konservativ eingestellt und Mitglied der NSDAP.

Der "Gaudozentenbundsführer" Hanns Löhr sprach sich 1936 in folgender Weise für den Hochschullehrer aus: "Professor Brockdorff ist alter Deutschnationaler [...]. Es bestehen keine Bedenken gegen eine Studienreise [...] nach England, auch nicht gegen einen Vortrag [...] in Paris." Von Brockdorffs wissenschaftliche Arbeiten zeigten jedoch keine Affinität zum nationalsozialistischen Gedankengut, sondern vielmehr eine geistige Nähe zu Tönnies. Mit diesem verband ihn außerdem ein freundschaftliches Verhältnis.

Anders als Tönnies und Heberle stellten sich die Soziologen Freyer, Mackenroth und Heyde öffentlich hinter den Nationalsozialismus. So gehörten Freyer und Mackenroth beispielsweise zu den Unterzeichnern des "Bekenntnis der Professoren an deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat" vom März 1933. Sie traten somit schon früh öffentlich für das NS-Regime ein.

Freyer war zur Zeit der Machtergreifung nicht mehr in Kiel tätig. In den Jahren 1923 bis 1925 hatte er hier jedoch Philosophie gelehrt und sein Buch "Der Staat" (1925) vorbereitet. In diesem und in seinen späteren Schriften sprach er sich für einen völkischen Staat und einen "Führer" aus, "auf dessen Person alle einzelnen Volksgenossen durch eine geheime Linie bezogen sind, dessen Wille auf alle ausstrahlt, dessen Bild die ganze Jugend prägt."

Mackenroth, der seit 1934 als außerordentlicher Professor in Kiel lehrte, trat frühzeitig der NSDAP bei. Die nationalsozialistische Führung hielt ihn "in jeder Hinsicht, menschlich, politisch und nach seinen Auslandserfahrungen [für] geeignet, die Universität im Auslande zu vertreten", wie es in einem Schreiben an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1936 hieß. Im Jahre 1940 wurde Mackenroth außerordentlicher Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität. Nach einer Berufung an die Universität Straßburg 1942 kehrte er 1945 nach Kiel zurück. Im folgenden Jahr nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf und wurde 1948 Ordinarius für Soziologie, Sozialwissenschaft und Statistik. Auf Mackenroths Initiative hin wurde 1951 das Seminar für Soziologie gegründet, dessen Leitung er übernahm.

Heyde lehrte seit 1924 in Kiel. In seinen Schriften propagierte er die nationalsozialistische Arbeitserziehung und das Prinzip von Führertum und Gefolgschaft. Außerdem forderte er die Senkung von "Soziallasten" nicht nur durch "weitschauende Wirtschaftsplanung", sondern auch durch "Erziehung zur Rassenhygiene", "Verhütung erbkranken Nachwuchses" und "Sicherheitsverwahrung gegen asoziale Elemente". Den NS-Propagandaapparat rechtfertigte Heyde als Mittel zur Festigung des "Glauben[s] an die Genialität und die Kraft der Führung". Bis zum Wintersemester 1945/46 verblieb Heyde an der Kieler Universität. Nach einer zweijährigen Pause wurde er 1948 an die Universität Köln berufen, wo er später Direktor des Seminars für Sozialpolitik wurde. sas

Literaturangaben

Schroeter, Klaus R.: Zwischen Anpassung und Widerstand. Anmerkungen zur Kieler Soziologie im Nationalsozialismus. In: Prahl, Hans-Werner (Hrsg.): Uni-Formierung des Geistes. Universität Kiel im Nationalsozialismus, Bd. 1. Kiel 1995, S. 275-335.