Vertriebene Gelehrte
An dieser Stelle wollen wir an die Vertriebenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der CAU in der Zeit von 1933 - 1945 erinnern.
Jedes Teilstück des Bildes steht für eine vertriebene Person:
Dr. Wolf Bodenheimer
Der Chemiker Wolf Bodenheimer folgt seinem Lehrer Professor Karl Lothar Wolf von Karlsruhe nach Kiel, wo er 1931 bei ihm promoviert und anschließend als Assistent eingestellt wird.
Am 1. Juli 1933 wird Bodenheimer aufgrund seiner »nicht-arischen« Abstammung entlassen. Da ihm klar ist, dass es ihm nicht mehr möglich ist, in Deutschland zu arbeiten, nutzt er seine ausländischen Kontakte und bittet um eine Tätigkeit in Cambridge. Die Gutachten, die über den 28-jährigen Chemiker eingeholt werden, sind äußerst positiv. Auch der mittlerweile als Universitätsdirektor eingesetzte Karl Lothar Wolf unterstützt seinen ehemaligen Assistenten. Bodenheimer erhält im September eine Einladung nach England, um dort seine Studien fortzusetzen.
Da die finanzielle Situation des Chemikers ungesichert ist, bittet er den Academic Assistance Council, der emigrierten Wissenschaftlern befristete Unterhaltungsbeihilfen zuteilt, um ein Stipendium – vergebens. Er folgt der Einladung trotzdem und geht nach London. Um sich über Wasser zu halten gründet Bodenheimer mit anderen Emigranten ein Laboratorium, in dem koschere Suppenwürfel hergestellt werden. Als er beim »Academic Assistance Council« um ein Darlehen anfragt, wird dieses auch abgelehnt. Bodenheimer, der sich von der Hilfsorganisation völlig im Stich gelassen fühlt und dies auch nach dem Krieg in einem wütenden Schreiben zum Ausdruck bringt, arbeitet daraufhin als Chemiker in einem Londoner Unternehmen und später während des Krieges in der Metallchemie, bevor er als Fellow in das »Royal Institute of Chemistry« (Königliches Institut für Chemie) in London aufgenommen wird.
Nach dem Krieg, im Jahre 1950, wandert er nach Israel aus und wird Gründungsmitglied der »Israel Chemical Society« (Gesellschaft für Chemie). Ab 1952 hält er gelegentlich Gastvorträge an der Hebrew University, Jerusalem. Nach Deutschland kehrte er nicht zurück. ba
Fakten
- geb. 23. Juli 1905 in Frankfurt/Main; gest. 31. Mai 1975 in Jerusalem
- Einrichtung: Chemie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Dr. Leonore Brecher
Leonore Brecher promoviert 1916 bei dem österreichischen Physiker Karl Przibram am Institut für Radiumforschung in Wien, wo sie ihm ab 1918 assistiert. Da es ihr wie vielen Frauen der damaligen Zeit nicht möglich ist, sich mit einer festen Anstellung im akademischen Betrieb zu etablieren, geht sie 1923 mit einem Stipendium der »American Association of University Women« für ein Jahr nach Rostock und dann wieder nach Wien zurück, um ihre Studien fortzusetzen.
Ein anschließendes Stipendium der »Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler«, das sie 1925 erhält, ermöglicht ihr einen Aufenthalt in Berlin, wo die mittlerweile 39-jährige Wissenschaftlerin unter anderem bei der Zellforscherin Rhoda Erdmann (1870 bis 1935) arbeitet, die zu den ersten an der Berliner Universität lehrenden Professorinnen gehört Durch ein bis 1931 befristetes Stipendium des Yarrow Research Fellowship of Girton College, Cambridge, hält sie sich in England, Rostock und schließlich in Kiel auf, wo sie beim Zoologen Prof. Dr. Wolfgang Freiherr von Buddenbrock-Hettersdorf und anschließend bei dem Physiologen Professor Rudolf Höber arbeitet .
Im Juli 1933 bittet sie in einem Schreiben an das Biochemische Institut in Cardiff um ein Stipendium, da sie aufgrund ihrer »nicht-arischen« Abstammung von der »Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler« nicht mehr unterstützt werde. Die Situation in Kiel wird immer aussichtsloser, als ihr Unterstützer Höber, der nach dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«(BBG) als Jude gilt, von seinem Lehrstuhl vertrieben wird. Sie bittet den »Academic Assistance Council« um eine Arbeitsmöglichkeit in England, die ihr verweigert wird. Mit 47 Jahren sei sie zu alt und wissenschaftlich zu spezialisiert, heißt es. Außerdem wird ihre »Persönlichkeit in einem Schreiben des Girton College, Cambridge, sehr negativ eingeschätzt« (Bodleian Library, Department of Western Manuscripts, Archiv der »Society for the Protection of Science and Learning«, zitiert nach Uhlig).
Sie kehrt im November 1933 von Deutschland nach Wien zurück. Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland 1938 wird sie aufgrund ihrer Abstammung wieder vertrieben.
Nach einem unbezahlten Forschungsaufenthalt in Cardiff im November 1938 wird ihre persönliche Lage immer verzweifelter, da die Nachfolgeorganisation des »Academic Assistance Council», die »Society for Protection of Science and Learning« (Gesellschaft zum Schutz von Wissenschaft und Lehre), ihr weder finanzielle Unterstützung noch eine dauerhafte Arbeitsstelle vermitteln kann. Eines der letzten Lebenszeichen Leonore Brechers ist ein Schreiben an die Organisation vom 14. Mai 1939.
Schließlich wurde Leonore Brecher am 14. September 1942 ins Vernichtungslager Maly Trostinez deportiert und verstarb dort am 18. September 1942. ba
Fakten
- geb. 14. Oktober 1886 in Botosani (Österreich-Ungarn);
- gest. 18.09.1942 im Vernichtungslager Maly Trostenets
- Einrichtung: Zoologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
Professor Dr. Fritz Brüggemann
Der Literaturwissenschaftler Fritz Brüggemann habilitiert sich 1918 in Aachen und lehrt seit 1928 in Kiel. Während der Weimarer Republik gilt Fritz Brüggemann politisch als Liberaler. 1930 hält er die Festrede bei der Verfassungsfeier der Provinz Schleswig-Holstein. Redner der vorhergehenden Jahre waren unter anderem die Juristen Gustav Radbruch, Walter Jellinek und Walther Schücking.
Nach der Machtergreifung kommt es im März 1933 zu einer schweren Auseinandersetzung mit dem Literatur- und Theaterwissenschaftler Wolfgang Liepe. Brüggemann behauptet, dass die Studenten den Vorlesungen seines Kollegen aus »rassischen und nationalen« Gründen fernblieben. Liepe wehrt sich gegen die Vorwürfe und fordert ein Ermittlungsverfahren. Auch der Sprachwissenschaftler Carl Wesle und der Altphilologe Richard Harder bleiben von Brüggemanns Denunziationen nicht verschont. Vermutlich spekuliert Brüggemann, dem es in den zwölf Jahren seiner Kieler Tätigkeit nicht gelungen ist, Ordinarius zu werden, auf einen der Lehrstühle.
Sein intrigantes Verhalten, mit dem er sich den ersehnten Karrieresprung erhofft, kehrt sich jedoch gegen ihn. 1934 lehnt das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung es ab, ihn zum Ordinarius zu ernennen: »(…) bei Herrn Brüggemann (handelt) es sich um einen ausgesprochenen Konjunkturritter, der nacheinander der demokratischen und der sozialdemokratischen Partei (…) angehört hat, mit der durch Zeugen belegten Äußerung, dadurch Karriere machen zu wollen. Seit dem Umschwung spielt sich Brüggemann natürlich als Vorkämpfer gegen den Separatismus auf und ist selbstverständlich schleunigst Pg. [Parteigenosse] geworden.«
Am 16. September 1935 wird Brüggemann die Lehrerlaubnis »im Universitätsinteresse« nach Paragraph 18 der Reichshabilitierungsordnung entzogen. Der Literaturwissenschaftler, der nun ohne Bezüge dasteht, klagt ohne Erfolg beim Kieler Arbeitsgericht. 1942 zieht er nach Berlin und stirbt kurz nach Kriegsende. ba
Fakten
- geb. 18. Dezember 1876 in Aachen; gest. 5. August 1945 in Wiesbaden
- Einrichtung: Literaturwissenschaft
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Wolfgang Freiherr von Buddenbrock-Hettersdorff
Wolfgang von Buddenbrock-Hettersdorff studiert Zoologie in Jena, bevor er in Heidelberg promoviert, sich dort auch habilitiert und schließlich 1920 eine außerordentliche Professur erhält. Noch im selben Jahr wechselt er an das Zoologische Institut in Berlin. Ab 1923 ist er Ordinarius in Kiel und gleichzeitig Direktor des Zoologischen Instituts und Museums der Christian-Albrechts-Universität.
Bei seinem Wechsel aus Berlin bringt er seinen Assistenten Mielke mit. Der Präparator, der vorher in Berlin als Assistent mit entsprechenden Bezügen gearbeitet hat, wirft von Buddenbrock eine zu niedrige Bezahlung vor. Was zuerst wie ein kleiner Zank um eine Gehaltserhöhung beginnt, eskaliert zu einem Streit, in den sich das Reichserziehungsministerium einschaltet und der von Buddenbrock schließlich seine Kieler Stellung kostet. Denn Mielke erreicht über seine Kontakte zum Oberpräsidenten, der gleichzeitig Gauleiter der NSDAP ist, die Fürsprache der Nationalsozialisten. Im Mai 1935 wendet sich von Buddenbrock hilfesuchend an den Rektor. Kurz darauf wird er aufgefordert über Mielke Bericht zu erstatten. Von Buddenbrock verliert die Nerven und beschimpft die Staatsführung als "unsauber". Obwohl sich der Zoologe später entschuldigt, schaltet sich 1936 das Reichserziehungsministerium ein und droht mit einem Dienststrafverfahren. Schließlich wird von Buddenbrock nach Halle/Saale zwangsversetzt.
1942 geht von Buddenbrock nach Wien. Nach Kriegsende hofft er vergeblich, wieder an seinen Kieler Lehrstuhl zurückkehren zu dürfen. Von 1946 bis zu seiner Emeritierung lehrt er in Mainz als Professor für Vergleichende Physiologie. ba
Fakten
- geb. 25. März 1884 in Bischdorf/Schlesien; gest. 11. April 1964 in Mainz
- Einrichtung: Zoologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Walter Bülck
1916 wird der Theologe Walter Bülck Pfarrer in Kellinghusen und habilitiert sich 1921 in Kiel als Privatdozent für Praktische Theologie. Sein Lehrer ist der liberale Theologe Otto Baumgarten. Von 1919 bis 1922 ist Bülck Mitglied der "Deutschen Volkspartei". 1925 erhält er in Kiel einen Lehrauftrag für schleswig-holsteinische und nordische Kirchenkunde. 1931 übernimmt er den Lehrstuhl für Praktische Theologie, ein Jahr später wird er beauftragt, die akademischen Gottesdienste abzuhalten.
1934 wird er in den "Schleswig-Holsteinischen Hochschulblättern", dem Organ der Kieler Studentenschaft, das seit den späten zwanziger Jahren nationalsozialistisches Gedankengut propagiert, scharf angegriffen. Der Konflikt spitzt sich zu, als er sich gegen die Berufung eines Ordinarius ausspricht, der den nationalsozialistischen Rassegedanken unterstützt. Es beginnt eine Hetzkampagne gegen den Theologen, der als "Liberaler", "Demokrat" und "Baumgartenschüler" beschimpft und dessen Frau aufgrund ihrer "nicht-arischen" Abstammung ebenfalls angefeindet wird. Sein Kollege Hermann Mandel wirft ihm vor, "dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus den des Christentums" entgegenzustellen. 1935 wehrt Bülck sich juristisch gegen diese Äußerung und bekommt Recht. Trotz dieses Erfolgs vor Gericht wird der in den Augen der Nazis missliebige Ordinarius 1936 gezwungen, eine schlechter bezahlte Stelle in Greifswald anzunehmen.
1945 verlässt Bülck Greifswald und geht nach Hamburg, wo er einen Lehrauftrag für Religionsgeschichte erhält und eine Pfarrstelle in Altona übernimmt. Da sowohl sein Versuch, an die Universität Greifswald zurückzukehren, als auch sein Antrag auf Emeritierung scheitern, bleibt Bülck in Hamburg, wo er bis zu seinem Tod lebt. ba
Fakten
- geb. 7. März 1891 in Hamburg; gest. 20. April 1952 in Hamburg
- Einrichtung: Praktische Theologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1988.
Professor Dr. Wilhelm Caspari
Wilhelm Caspari habilitiert sich 1904 in Erlangen und ist seit 1915 Professor in Breslau, bevor er 1922 nach Kiel berufen wird. Vor seiner Berufung an die Christian-Albrechts-Universität hat er unter anderem Studien über die Bundeslade und die israelitischen Propheten veröffentlicht. Viele seiner Artikel erscheinen in den einflussreichen Zeitschriften "Theologische Studien und Kritiken" und "Neue Kirchliche Zeitschrift".
Der Theologe ist Mitglied der Bekennenden Kirche, die sich gegen die nationalsozialistisch vereinnahmte Landeskirche stellt, und nimmt an den illegalen Examensprüfungen der "Vorläufigen Kirchenleitung“ der Bekennenden Kirche teil. 1935 setzt er sich gegen diffamierende Äußerungen seines Kollegen Hermann Mandel zur Wehr und fordert ein Disziplinarverfahren, was von der Universitätsleitung abgelehnt wird. Da die alttestamentliche Wissenschaft während des Nationalsozialismus größte Schwierigkeiten hatte, sich zu legitimieren, wird die Arbeit des Theologen zusätzlich erschwert.
1935 versucht das Kultusministerium Caspari nach Halle zu versetzen, was die dortige Universität ablehnt. Noch im selben Jahr erfolgt seine Beurlaubung, ein Jahr darauf wird er von seinen Pflichten entbunden. Das Reichserziehungsministerium gibt für sein Vorgehen keine Gründe an. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Caspari aus anderen, nicht näher bekannten Umständen beurlaubt worden sei, was ihm die Besetzung einer Pfarrstelle unmöglich macht.
1945 stellt die Theologische Fakultät Kiel einen Antrag auf Wiedergutmachung und möchte den Theologen auf seinen ehemaligen Lehrstuhl zurückholen. Da der Ordinarius mittlerweile 69 Jahre alt ist, wird ihm angeboten, die Vertretung eines nicht besetzten Lehrstuhls zu übernehmen. Caspari lehrt daraufhin zwei Jahre in Kiel, bevor er 1947 an den Folgen eines Unfalls stirbt. ba
Fakten
- geb. 3. November 1876 in Memmingen; gest. 3. Februar 1947
- Einrichtung: Alttestamentliche Theologie und morgenländische Religionsgeschichte
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Prehn, Wolfgang (Hrsg.): Zeit, den schmalen Weg zu gehen. Zeugen berichten vom Kirchenkampf in Schleswig Holstein. Kiel 1985.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1988.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Gerhard Colm
Gerhard Colm zählt zu den bedeutendsten deutschen Finanzwissenschaftlern. Nachdem er von 1915 bis 1918 im Ersten Weltkrieg gekämpft hat und mit dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse ausgezeichnet worden ist, studiert er Nationalökonomie. Von 1922 bis 1926 arbeitet er als Referent am Statistischen Reichsamt in Berlin, bevor Bernhard Harms, der Gründer des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr, ihn und andere berühmte Ökonomen wie Adolph Löwe und Hans Philipp Neisser nach Kiel holt. Hier arbeitet er zunächst als Privatdozent und ab 1930 als außerordentlicher Professor und Abteilungsvorstand.
Weil Colm dem Reichsbanner angehört und Mitglied der SPD und zeitweise der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) ist, wird er am 25. April 1933 beurlaubt. Zudem wird aus seinem Fragebogen ersichtlich, dass er Jude im Sinne des Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG) ist. Bereits zwei Wochen zuvor war ein SS-Trupp gegen ihn vorgegangen, um ihn aus dem Institut für Weltwirtschaft zu vertreiben. Im August desselben Jahres emigriert Colm in die USA. Einen Monat später wird er aus dem deutschen Staatsdienst entlassen, allerdings nicht aus "rassischen" Gründen, sondern weil er aufgrund seiner politischen Aktivitäten als "unzuverlässig" gilt.
1933 ist er Mitbegründer der Exil-Universität New School for Social Research in New York und lehrt dort als Professor. 1940 bis 1946 fungiert er als Finanzreferent im Weißen Haus und arbeitet einen Plan für eine Währungsreform in Deutschland aus. Auch nach dem Krieg bleibt Colm in den USA: 1946 bis 1952 berät er den amerikanischen Präsidenten Truman in Wirtschaftsfragen, von 1952 bis 1968 arbeitet er als Chefökonom der National Planning Association. 1961 wird ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Frankfurt am Main verliehen, und 1964, vier Jahre vor seinem Tod in Washington, erhält er den Bernhard-Harms-Preis, der für hervorragende Forschungen auf dem Gebiet weltwirtschaftlicher Forschungen vom Institut für Weltwirtschaft an der Uni Kiel verliehen wird. ba
Fakten
- geb. 30 Juni 1897 in Hannover; gest. 26. Dezember 1968 in Washington
- Einrichtung: Wirtschaftliche Staatswissenschaften
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
Professor Dr. Walter Dix
Der Agrarwissenschaftler Walter Dix ist seit 1924 als ordentlicher Professor für Pflanzenbau in Kiel tätig und leitet das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzucht.
In den Monaten nach der Machtergreifung kann Walter Dix zunächst unbehelligt weiterarbeiten, bis es am 26. Januar 1934 zu einer massiven Störaktion während einer seiner Vorlesungen kommt, so dass er seinen Vortrag abbrechen muss. Ebenso wie die entschieden nationalsozialistische Kieler Studentenschaft fordert daraufhin auch die Landesbauernschaft, die ihm "mangelnde Zusammenarbeit" vorwirft, seine Entlassung. Im April desselben Jahres reicht Walter Dix einen Antrag auf Beurlaubung ein, der genehmigt wird. Im September richtet er ein Gesuch an den Dekan, das ans preußische Erziehungsministerium weitergeleitet wird. Vermutlich steht das Gesuch mit seiner späteren Tätigkeit in Ankara in Verbindung. 1935 wird er in Kiel emeritiert.
Walter Dix geht ins türkische Exil und übernimmt eine Tätigkeit an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Ankara. Nach dem Krieg kehrt er nach Deutschland zurück und zieht nach Eltville (Rheinland). Zuletzt lebte er bis zu seinem Tod in Wiesbaden. ba
Fakten
- geb. 7. November 1879 in Rhaunen bei Bernkastel, gest. 1. März 1965 in Wiesbaden
- Einrichtung: Pflanzenbau
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Walter Elliger
1934 wird Walter Elliger, der unter anderem durch seine Arbeiten über Martin Luther und Thomas Müntzer bekannt geworden ist, an die Theologische Fakultät Kiel berufen. Bereits ein Jahr später wird er hier politisch aktiv: 1935 verteidigt er in einem Brief Kollegen gegen Angriffe der nationalsozialistisch ausgerichteten "Schleswig-Holsteinischen Hochschulblätter". Er wirft der Zeitschrift "antichristliche Polemik" vor, und dass sie Beiträge publiziere, "in denen das Christentum besudelt wird".
Die Situation an der Theologischen Fakultät ist zu diesem Zeitpunkt bereits äußerst schwierig, denn rund die Hälfte des Lehrkörpers ist entlassen, so dass überlegt wird, das Institut zu schließen. Elliger spielt mit dem Gedanken, einen Ruf nach Bonn anzunehmen. Auf Wunsch des Landesbischofs und Rektors entschließt er sich dann doch, am Neuaufbau der Fakultät mitzuwirken. Obwohl er anfangs in seiner Arbeit unterstützt wird, kommt es schließlich zu einem Konflikt mit dem Rektorat. Elliger, der inzwischen Dekan ist, findet für seine Vorschläge zum Umbau der Fakultät keine Mitstreiter. Schon 1936 legt er sein Amt als Dekan nieder. Offenbar scheint es sich aber um mehr als organisatorische Meinungsdifferenzen zu handeln, denn der Theologe wird angewiesen, die Vertretung eines Lehrstuhls in Greifswald anzutreten. Im Oktober 1936 wird er dorthin berufen, was er als Strafversetzung empfindet.
In Greifswald lehrt er bis 1950, bevor er an die Humboldt-Universität nach Berlin wechselt. 1964 erfolgt ein Ruf nach Bochum, wo er 1976 emeritiert wird. ba
Fakten
- geb. 8. Dezember 1903 in Heppens/Wittmund; gest. 25. Mai 1985 in Unna
- Einrichtung: Kirchengeschichte
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1988.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Privatdozent Dr. Hans Engelland
Der Theologe Hans Engelland habilitiert sich mit einer Arbeit über Melanchthon in Tübingen, bevor er 1933 nach Kiel kommt. Schon ein Jahr später gerät er ins Kreuzfeuer der Kritik: Vom nationalsozialistischen Studentenschaftsführer wird ihm vorgeworfen, dass sein theologisches Weltbild mit dem des Regimes nicht vereinbar sei. Ihm wird angelastet, eine welt- und lebensverneinende Anschauung zu propagieren, die nicht nur "ein Schlag ins Gesicht der nationalsozialistischen Weltanschauung und alles gesunden Denkens, sondern zugleich damit geeignet [ist], allen gesunden Lebenswillen und Lebensglauben unseres Volkes … zu brechen." Obwohl sich der Dekan der Theologischen Fakultät und einige Studenten hinter den missliebigen Theologen stellen, fordert der Studentenschaftsführer 1935 Engellands Entlassung. Auch die Universitätsleitung hält Engellands theologische Auffassungen für staatsfeindlich. Sie widerspräche dem "ewigen Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse" und sei als "Sabotage" aufzufassen. Am 4. Juni 1935 wird dem unerwünschten Theologen kurz vor seinem zweiunddreißigsten Geburtstag die Lehrbefugnis entzogen.
Engelland wird danach Dozent an einer kirchlichen Einrichtung in Berlin. 1938 übernimmt er die Leitung des Diakonissenhauses Elisabethstift in Oldenburg.
Nach dem Krieg lehrt er zunächst an der Kirchlichen Hochschule in Hamburg, wo er 1954 zum Professor ernannt wird. 1960 verleiht ihm die Universität Kiel die Ehrendoktorwürde. Ab 1963 lehrt er wieder in Kiel als ordentlicher Professor und steht dem Theologischen Institut bis zu seinem Tod 1970 als Direktor vor. ba
Fakten
- geb. 23. Juni 1903 in Föhrden/Rendsburg; gest. 4. November 1970 in Kiel
- Einrichtung: Systematische Theologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Prehn, Wolfgang (Hrsg.): Zeit, den schmalen Weg zu gehen. Zeugen berichten vom Kirchenkampf in Schleswig Holstein. Kiel 1985.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1988.
Professor Dr. Abraham Halevy (Adolf) Fraenkel
Fraenkel studiert in München, Marburg, Berlin und Breslau. In Marburg promoviert er 1914 mit einer Dissertation über die Teiler der Null und die Zerlegung von Ringen.
Obwohl er von 1914 bis 1918 Kriegsdienst leistet, habilitiert er sich 1916. Durch seine Arbeit "Theorie unscharfer Mengen" und für sein Hauptwerk "Einleitung in die Mengenlehre" (1919) wir er weltbekannt. 1928 wird der 37-jährige Fraenkel an die Kieler Universität berufen.
Fünf Jahre später, am 25. April 1933, wird er beurlaubt, da er nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums als Jude gilt, obwohl eine Ausnahmeregelung auf ihn zutrifft, die es ehemaligen Frontkämpfern erlaubt, an der Universität zu bleiben. Einen Tag später stellt er selbst einen Antrag auf Beurlaubung und Versetzung in den Ruhestand, die am 9. September 1933 erfolgt. Ab Ende des Jahres werden ihm keine Bezüge mehr gezahlt. Fraenkel bemüht sich schon ab Mai 1933 darum, an die Universität Jerusalem zurückkehren zu können, wo er bereits als Gastprofessor gelehrt hat. Er stellt einen Antrag auf Wohnsitzverlegung, der im Oktober 1933 schließlich genehmigt wird.
Die erste Zeit in Jerusalem ist für Fraenkel finanziell äußerst schwierig, da er kein Gehalt bekommt. Zwar werden ihm 1934 Gnadenbezüge aus Deutschland zuerkannt, aber die Beihilfen für seine Kinder mit der Begründung gestrichen, dass sie in Jerusalem keine deutsche Erziehung erhielten. Sein Lohn wird auf ein Sperrmarkkonto in Deutschland überwiesen, auf das nur mit hohen Verlusten von Jerusalem aus zugegriffen werden kann.
Fraenkel, der von 1938 bis 1940 Rektor der Jerusalemer Universität ist, wird nach dem Krieg als Emeritus der Universität Kiel geführt. Im Zuge eines Wiedergutmachungsverfahrens erhält Fraenkel nach einer Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Finanzministeriums vom 15. Januar 1957 die ihm zustehenden Bezüge. ba
Fakten
- geb.17. Februar 1891 in München, gest. 15. Oktober 1965 in Jerusalem
- Einrichtung: Besondere Mengenlehre, Arithmetik und Beziehungen zur Philosophie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Ernst Fraenkel
Von 1899 bis 1905 studiert Ernst Fraenkel an den Universitäten Bonn, Leipzig und Berlin Klassische Philologie, Sanskrit und Indogermanistik. Nach seiner Promotion folgt 1906 ein zweijähriger Studienaufenthalt in Leipzig, wo er sich intensiv mit baltischen Sprachen beschäftigt. 1909 kommt er als Privatdozent nach Kiel und wird dort 1916 außerordentlicher und 1920 ordentlicher Professor.
Nach der Machtergreifung kann der protestantisch getaufte Fraenkel als so genannter "Vorkriegsbeamter" zunächst weiter lehren, obwohl er nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums(BBG) als Jude gilt. Doch mit den Nürnberger Gesetzen ändert sich dies: 1936 wird er mit 54 Jahren in den Ruhestand versetzt, die Lehrerlaubnis wird ihm entzogen. Auch wissenschaftliches Publizieren ist für ihn in Deutschland nicht mehr möglich.
Der Dekan der Philosophischen Fakultät, an der Fraenkel tätig ist, unterbreitet dem Reichserziehungsministerium den Vorschlag, den vakanten Lehrstuhl in einen für "Rassenkunde oder nordische Kulturgeschichte" umzuwandeln, was aber nicht in die Tat umgesetzt wird.
Der Sprachwissenschaftler Fraenkel, der sich unter anderem mit dem Werk "Litauisches Etymologisches Wörterbuch" große Verdienste in der Baltistik erwirbt, siedelt nach Hamburg über. Dort leitet er nach dem Krieg, von 1946 bis 1953, das Seminar für Vergleichende Sprachwissenschaften an der Universität Hamburg, bevor er mit 72 Jahren in den Ruhestand geht. ba
Fakten
- geb. 16. Oktober 1881 in Berlin; gest. 2. Oktober 1957 in Hamburg
- Einrichtung: Indogermanistik
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Privatdozent Dr. Willy Feller
Der als Vilim Feller geborene Mathematiker gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Wahrscheinlichkeitstheorie. Sein zweibändiges Hauptwerk "An Introduction to Probability Theory and its Applications" (1950-61) zählt zu den bedeutendsten mathematischen Abhandlungen des 20. Jahrhunderts und erscheint in russischer, polnischer, chinesischer, spanischer und ungarischer Sprache.
Willy Feller studiert an der Universität Zagreb, bevor er an die Universität Göttingen wechselt. 1926 promoviert er bei Richard Courant. Ab 1928 lehrt er in Kiel, wo er sich ebenfalls habilitiert.
Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG) ist jedes Mitglied des Lehrkörpers verpflichtet, einen Fragebogen auszufüllen, um den seit April 1933 notwendigen "Ariernachweis" zu erbringen. Feller gibt an, dass sein Vater "gemischt", also zur Hälfte "nicht-arisch" war, er selbst gilt also als "Vierteljude". Dies führt zu der Forderung der Freien Kieler Studentenschaft, den Mathematik-Dozenten zu beurlauben. Sein Kollege Erhard Tournier denunziert Feller zusätzlich, indem er dessen jugoslawische Herkunft aufdeckt. Professor Theodor Kaluza setzt sich vergebens für Feller ein. Am 9. September 1933 wird Feller die Lehrbefugnis unter Anwendung des BBG entzogen. Noch im selben Jahr verlässt er Deutschland.
Er arbeitet zunächst bis 1934 in Kopenhagen, Dänemark, anschließend in Stockholm und Lund (von 1934 bis 1939), Schweden, bevor er mit seiner Frau Clara Mary Nielsen in die USA emigriert. 1944 erlangt er die amerikanische Staatsbürgerschaft und lehrt bis 1945 an der Brown University, Providence. Nebenbei fungiert er als einer der Herausgeber der 1940 gegründeten Fachzeitschrift Mathematical Reviews. 1945 erhält er einen Ruf an die Cornell University, New York, und fünf Jahre später übernimmt er einen Lehrstuhl an der Universität in Princeton. Kurz vor seinem Tod wird ihm 1970 die National Medal of Science für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen verliehen. ba
Fakten
- geb. 7. Juli 1906 in Zagreb/Kroatien; gest. 14. Januar 1970 in New York
- Einrichtung: Mathematik
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Rota, Gian Carlo: Fine Halls in its Golden Ages. Remembrances of Princton in the early fifties, www.princton.edu
Dr. Rudolf Freund
Nachdem der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Freund in Heidelberg promoviert hat, arbeitet er am Kieler Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr, bis er 1933 nach der Machtergreifung entlassen wird. Über die Gründe seiner Entlassung ist der Society for the Protection of Science and Learning nichts Näheres bekannt.
Rudolf Freund geht nach Berlin und erhält vom späteren Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften (1977) Bertil Ohlin eine Einladung nach Stockholm. Der junge Wissenschaftler Freund soll an der dortigen Hochschule den Forschungsbereich Agrarökonomie aufbauen, auf den er sich spezialisiert hat, wobei ein schwedisches Unternehmen seinen Aufenthalt finanziert. Freund folgt der Einladung.
Von 1934 bis 1936 arbeitet Rudolf Freund in Schweden, bevor er in die Vereinigten Staaten auswandert und zehn Jahre, bis 1946, an der University of Virginia lehrt. In den Jahren 1946 bis 1955 ist er Professor für Agrarökonomie an der North Carolina State University. Nach Deutschland kehrt er nicht zurück. ba
Fakten
- geb. 21.Mai 1905 in Pforzheim; gest. 1956 in Raleigh/North Carolina
- Einrichtung: Wirtschaftswissenschaft
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Emil Fuchs
Zeitweise führendes Mitglied der deutschen Quäkergemeinde;
1933 wurde Fuchs von den Nationalsozialisten verhaftet.
Fakten
- geb. 13.05.1874 in Beerfelden (Provinz Hessen-Nassau), gest. 13.02.1971 (in Berlin)
Privatdozentin Dr. Melitta Gerhard
Melitta Gerhard, die als erste Frau die Venia Legendi (Lehrbefugnis) für deutsche Literaturgeschichte erhält, studiert an der Friedrich Wilhelm Universität in Berlin (heute Humboldt-Universität), wo sie 1919 mit einer Arbeit über Schiller und die griechische Tragödie promoviert. In Berlin wird sie von Friedrich Gundolf auf den damals noch wenig bekannten Stefan George aufmerksam gemacht, über den sie später ein Buch schreiben wird.
Nach ihrer Promotion bewirbt sie sich um die Zulassung zur Habilitation. In Heidelberg wird sie abgelehnt, aber aus Kiel erhält sie eine Zusage. Dort beginnt sie mit ihrer Habilitationsschrift "Der deutsche Entwicklungsroman bis zu Goethes 'Wilhelm Meister'". 1927 wird sie als erste Frau in Deutschland Privatdozentin für deutsche Literaturgeschichte und hält von 1927 bis 1933 Vorlesungen an der Christian-Albrechts-Universität. Im April 1933 wird sie vom Amt suspendiert, da sie Jüdin im Sinne des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums(BBG) ist. Trotzdem sie in einem Schreiben vom 30. Juni 1933 an das Reichsministerium beteuert, niemals mit marxistischem oder "jüdischen" Auffassungen sympathisiert und "die pazifistische Kriegsliteratur auf das leidenschaftlichste bekämpft" zu haben, wird ihr am 9. September 1933 die Lehrbefugnis entzogen.
Sie geht daraufhin in die USA, wo sie zunächst ein Jahr (1934-1935) mit Unterstützung des "Emergency Committee in Aid of Displaced German Scholars" als Gastprofessorin am Wellesley College, Massachusetts, lehrt. 1937 entschließt sie sich zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zur endgültigen Auswanderung in die Vereinigten Staaten. In der ersten Zeit des Exils verdient sie sich ihren Lebensunterhalt mit Deutschunterricht für amerikanische Soldaten in St. Louis, bevor sie von 1938 bis 1942 am Rockford College in Illinois und anschließend bis 1944 an der University of Missouri, Columbia, lehrt. Ab 1946 arbeitet sie bis zu ihrer Emeritierung am Wittenberg College in Ohio.
1965 wird ihr anlässlich der 300-Jahr-Feier der Universität Kiel die Ehrendoktorwürde verliehen. ba
Fakten
- geb. 22. November 1891 in Berlin, gest. 10. November 1981 in Cambridge, Massachusetts
- Einrichtung: Deutsche Literaturgeschichte
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Spaethling, Robert: Melitta Gerhard zum Gedächtnis. In: The German Quarterly, Vol. LV (1982).
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Bernhard Harms
Der Ökonom und Gründer des weltweit renommierten Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Bernhard Harms, geht nach der Schule bei einem Buchbinder in Celle in die Lehre. Danach studiert und lehrt er von 1900 bis 1906 Volkswirtschaftslehre in Tübingen. Er unternimmt mehrere Forschungsreisen in die ganze Welt, die sein Interesse an internationalen Wirtschaftsbeziehungen wecken.
1908 wird er als ordentlicher Professor für Nationalökonomie nach Kiel berufen. In den Jahren 1911 bis 1914 gründet er dort das "Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr", die seinerzeit erste Forschungsstätte für internationale Wirtschaftsbeziehungen. Zu seiner Blüte gelangt das Institut nicht zuletzt dadurch, dass Bernhard Harms es versteht, begabte junge Ökonomen nach Kiel zu holen, unter anderem Gerhard Colm, Hans Neisser und Adolph Löwe.
Am 25. April 1933 teilt das Kultusministerium mit, dass es sich eine Verfügung über den Ökonomen nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vorbehalte. Es ist den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, dass der als "republikfreundlich" geltende Bernhard Harms in der Vergangenheit maßgeblich Einfluss auf die Besetzung von Lehrstühlen hat. Zunächst bleibt er jedoch in seinem Amt. In den nächsten Wochen kommt es aber verstärkt zu gewalttätigen Angriffen auf Mitarbeiter durch SA-Männer, und der Wissenschaftler sieht sich gezwungen, seinen Posten 1933 "freiwillig" zu räumen. Nach seiner Rückkehr von einer Forschungsreise wird ihm Ende 1934 Berlin als Wohnsitz zugewiesen, wo er 1939 stirbt.
An ihn erinnert der vom Kieler Institut für Weltwirtschaft seit 1964 alle zwei Jahre verliehene Bernhard-Harms-Preis, der für hervorragende Forschungen auf dem Gebiet weltwirtschaftlicher Forschungen verliehen wird. ba
Fakten
- geb. 30. März 1876 Detern/Ostfriesland; gest. 21. September 1939 in Berlin
- Einrichtung: Weltwirtschaftslehre
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
- www.uni-kiel.de/unizeit/uz-31/htm/uz_31_7e.shtml
Privatdozent Dr. Rudolf Heberle
Nachdem er im Ersten Weltkrieg gekämpft hat, studiert Rudolf Heberle in Göttingen, Königsberg, Freiburg, Marburg und Kiel, wo er bei seinem späteren Schwiegervater Ferdinand Tönnies 1923 in der Soziologie promoviert. Nach seiner Promotion lehrt er bis 1926 in Königsberg, und schließlich kehrt er 1928 nach Kiel zurück um hier bis zu seiner Emigration zehn Jahre später zu lehren.
Schon früh steht der Soziologe den Nationalsozialisten ablehnend gegenüber. Er erforscht die Ursachen für ihren Erfolg in Schleswig-Holstein in einer Studie, die 1934 kein Verlag drucken will, aber später große Beachtung finden wird. Unmittelbar nach der Machtergreifung 1933 bekommt Heberle Schwierigkeiten mit dem Dekan der Philosophischen Fakultät, der Heberles Vorlesungsthemen aus politischen Gründen für ungeeignet hält. Im November 1936 wird Heberle von einem Studenten denunziert: Er lehre "Marxismus", heißt es, was fast zu seiner Entlassung führt. Als er später trotzdem für eine Professur vorgeschlagen wird, stellt sich heraus, dass sein Urgroßvater Jude im Sinne der NS-Gesetzgebung war. Die Berufung wird fallengelassen.
Nachdem ihm 1937 das Privatdozentenstipendium und die Lehrauftragshonorare aus denselben Gründen verwehrt werden, nimmt er einen Ruf an die Louisiana State University an, wo er bis zu seiner Emeritierung 1963 bleibt. Dort wird er vor allem durch seine vergleichenden Studien über Massenbewegungen und Untersuchungen über den Wandel des "alten Südens" der USA bekannt. Auch macht er die Schriften Ferdinand Tönnies' in Nordamerika bekannt.
Heberle, dem nach Anerkennung seines Wiedergutmachungsverfahrens eine Professur in Kiel angeboten wird, lehnt diese ab und bleibt in den USA. ba
Fakten
- geb. 3. Juli 1896 in Lübeck; gest. 20. April 1991 in Baton Rouge, Louisiana
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Dr. Georg Henneberg
Georg Henneberg macht 1935 sein Staatsexamen in der Medizin und promoviert noch im selben Jahr, um im Anschluss daran als Volontärsassistent am Hygiene-Institut der Universität Kiel zu arbeiten. Als er seine ärztliche Zulassung beantragt, zu der auf Grund der Nürnberger Gesetze ein Abstammungsnachweis erforderlich ist, beginnen die Schwierigkeiten.
Da sein Großvater mütterlicherseits nach den NS-Regelungen als Jude gilt, wird ihm die Zulassung verweigert. Der Mediziner lässt sich nicht einschüchtern und protestiert beim Berliner Innenministerium gegen die Ablehnung. Von dort erhält er die Antwort, er müsse sich einen anderen Beruf suchen. Erst als der Direktor der Kieler Hautklinik, Victor Klingmüller, und der Heidelberger Professor Ernst Rodebach sich für ihn einsetzen, erhält er seine Approbation. Seine Bewerbung für eine Assistentenstelle am Kieler Hygiene-Institut wird jedoch abgelehnt, da er nach den Nürnberger Gesetzen als "jüdisch versippt" gilt und für eine Tätigkeit im Staatsdienst nicht in Frage käme. Er bewirbt sich im Reichsgesundheitsamt, wo er ebenfalls abgelehnt wird. Bei der Berliner Schering AG findet er schließlich Arbeit und leitet die Bakteriologische Abteilung. Auch andere Wissenschaftler, welche im Sinne der Rassengesetzgebung jüdischer Abstammung sind, werden dort beschäftigt.
Nach dem Krieg habilitiert sich Georg Henneberg 1950 an der Freien Universität Berlin. Später wird er Direktor des Robert-Koch-Instituts und lehrt an der Universität Freiburg. Von 1961 bis 1976 arbeitet er beim Bundesgesundheitsamt und wird schließlich dessen Präsident. ba
Fakten
- geb. 12. Oktober 1908 in Charlottenburg; gest. 26. Februar 1996 in Berlin
- Einrichtung: Medizin
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Hans von Hentig
Hans von Hentig, der als "Vater" der Kriminalpsychologie gilt, studiert Rechtswissenschaften in Paris, Berlin und München, wo er 1912 promoviert wird. 1914 wird er zu Fronteinsätzen in den Westen, auf den Balkan und nach Palästina entsandt. Nach dem Ersten Weltkrieg gehört er zu den führenden "National-Bolschewisten", die ein Bündnis der nationalen Kräfte in Deutschland mit den Kommunisten im In- und Ausland erreichen wollen. Den Putschversuch Hitlers am 9. November 1923 versucht er mit Volksfronttruppen aus Sachsen und Thüringen zu verhindern. Als 1925 aus diesem Grund ein Verfahren wegen Hochverrats gegen ihn eingeleitet wird, flieht er in die UdSSR.
Er kehrt nach Deutschland zurück und habilitiert sich 1929 in Gießen. 1931 wird er als Professor nach Kiel berufen, wo er von 1932 bis 1933 Dekan der juristischen Fakultät ist.
Dem Rechtswissenschaftler, der sich als einer der wenigen Kieler Professoren hinter geschasste Kollegen wie den Philosophen Richard Kroner stellt, wird schließlich "nahegelegt", einen Ruf an die Universität Bonn anzunehmen. Dort erhält er 1935 mit 48 Jahren per Eilbrief seine Pensionierung. Noch im selben Jahr verlässt er Bonn und emigriert in die Vereinigten Staaten.
Von 1937 bis 1948 arbeitet er als Gastprofessor an Universitäten in Kalifornien, Colorado, Oregon, Iowa und Kansas. Von Anfang an ist er wissenschaftlicher Berater des Generalstaatsanwaltes in Washington und von 1938 bis 1944 Direktor des Colorado Crime Survey. In dieser Zeit publiziert er sein Hauptwerk "The Criminal and his Victim. Study in the Sociobiology of Crime" (1948).
Hans von Hentig kehrt 1951 nach Deutschland zurück und lehrt bis zu seiner Emeritierung 1955 an der Universität Bonn. 1968 wird ihm das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. ba
Fakten
- geb. 9. Juni 1887 in Berlin, gest. 6. Juli 1974 in Bad Tölz
- Einrichtung: Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminalwissenschaft, Kriminalgeschichte
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
- Von Hentig, Hans: "Der Fall v. Hentig ist recht unerfreulich": Hans von Hentig und die nationalsozialistische Hochschulpolitik. In: Mathias Schmoeckel (Hg.): Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich. Köln 2004, S.299-345.
- Von Mayenburg, David: Kriminologie und Strafrecht zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Hans von Hentig (1887-1974). Baden-Baden 2006.
Professor Dr. Albin Hentze
Der Mediziner Albin Hentze ist seit 1928 ordentlicher Professor an der Christian-Albrechts- Universität und amtiert zugleich als Direktor des staatlichen Zahnärztlichen Instituts in Kiel. Als 1934 interne Pläne auftauchen, das Institut zu schließen, wehrt sich der Wissenschaftler dagegen. Er wirft einem Kieler Fachkollegen, Professor Anton Bichlmayer, intrigantes Verhalten vor, da dieser sich in einem Gutachten negativ über sein Institut geäußert haben soll. Die Kieler Studentenschaft stellt sich daraufhin gegen Hentze.
Als der Dekan der medizinischen Fakultät Ende Juni 1934 vorschlägt, anstelle des zahnärztlichen Instituts ein kiefernorthopädisches zu eröffnen, wird beschlossen, dem Kollegen Bichlmayer die Leitung dieses neuen Instituts zu übergeben. Offensichtlich will man Hentze aus der Universität vertreiben, denn schon im Mai desselben Jahres war ihm geraten worden, seine vorzeitige Pensionierung zu beantragen. Als er schließlich für den Posten der Institutsleitung als ungeeignet angesehen wird und die Schließung seines Instituts erfolgt, stellt er Anfang Juli einen Antrag auf Emeritierung. Hentze wird daraufhin zum September 1934 im Alter von 58 Jahren emeritiert. Ein Jahr später siedelte er nach Hamburg über und starb 1944 in Coburg. ba
Fakten
- geb. 9. Januar 1871 in Halle/Saale; gest. 1944 in Coburg
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Volbehr, Friedrich; Weyl, Richard: Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665-1954. 4. Auflage. Kiel 1956.
Dr. John Herberts
Nach seiner Promotion 1933 arbeitet der junge John Herberts am Kieler "Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr" als Assistent. Doch schon kurz darauf wird er wieder entlassen, weil er "nicht-arischer" Abstammung ist.
Herberts flüchtet noch im selben Monat, August 1933, nach Paris. Von dort knüpft er Kontakte ins Ausland und sucht Arbeit. Die Universität Brisbane verwendet sich für ihn bei der Rockefeller Foundation und stellt ihm eine Stelle in Australien in Aussicht. Die Referenzen, die Herberts vorweisen kann, sind ausgezeichnet. Sie stammen unter anderem von dem bedeutenden Ökonomen Adolph Löwe, der seinerzeit am "Kieler Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr" lehrte. Löwe, der 1933 nach Manchester emigrierte und dort an der Universität bis 1940 lehrt, setzt sich für ihn ein. Aber Herberts' Hoffnungen, im Ausland Arbeit zu finden, sollen sich zerschlagen. Der "Academic Assistance Council" sieht keine Möglichkeit, den Wirtschaftswissenschaftler in England zu beschäftigen, und Ende des Jahres wird ihm mitgeteilt, dass auch in Australien keine Stelle für ihn zu finden sei.
Herberts tritt daraufhin im Mai 1934 eine befristete Stelle als wissenschaftlicher Angestellter in Paris an. Dies ist die letzte Nachricht über den Wirtschaftswissenschaftler, die in den Akten der "Society for the Protection of Science and Learning" vermerkt ist, dann verliert sich seine Spur. Auch Nachfragen von Adolph Löwe, der seit Beginn des Krieges nichts mehr von ihm gehört hat, bleiben erfolglos.
ba
Fakten
- geb. 31. Mai 1905 [Ort unbekannt]; verschollen seit 1934
- Einrichtung: Wirtschaftswissenschaften
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
Privatdozent Dr. Volkmar Herntrich
Volkmar Herntrich studiert Theologie in Tübingen, Kiel und Berlin, wo er 1930 sein Examen ablegt. Seit seiner Studienzeit ist er eng mit Dietrich Bonhoeffer befreundet. 1932 wird er Privatdozent in Kiel. Er ist Mitglied im Pfarrernotbund, der sich gegen die Übernahme des so genannten "Arierparagraphen" ausspricht und gehört zu den führenden Köpfen der Bekennenden Kirche.
1934 veröffentlicht er einen Vortrag über "Völkische Religiosität und Altes Testament", in dem er die Berechtigung des Alten Testaments gegen den nationalsozialistischen Antisemitismus verteidigt. Daraufhin sprechen sich die Gauleitung der NSDAP und der Rektor der Universität gegen einen Verbleib Herntrichs an der Kieler Universität aus. Im November 1934 wechselt der massiv unter Druck geratene Theologe an die katholische Hochschule in Bethel, seine universitäre Lehrbefugnis verliert er im folgenden Jahr.
Nach der Schließung Bethels 1939 leitet er von 1940 bis 1942 das Evangelische Jugendwerk in Berlin-Dahlem und ist in dieser Zeit Opfer weiterer Repressionen wie Redeverboten, Hausdurchsuchungen, Verhören und vorübergehenden Verhaftungen. Ab 1942 ist er Hauptpastor der St. Katharinenkirche in Hamburg. Er ist Vorsitzender des Diakonischen Rates und ab 1948 Oberkirchenrat und stellvertretender Landesbischof.
Ab 1949 lehrt er an der Theologischen Fakultät in Hamburg Alttestamentliche Exegese. 1956 wird er zum Bischof der Hamburgischen Landeskirche gewählt. Damit ist er der jüngste der deutschen evangelischen Bischöfe. Als Mitglied der Weltdienstkommission des Lutherischen Weltbundes vertritt er ökumenische Interessen und koordiniert Hilfseinsätze in Notgebieten.
Im Alter von nur 50 Jahren verunglückt er tödlich auf dem Weg nach Warschau. ba
Fakten
- geb. 8. Dezember 1908 in Flensburg; gest. 14. September 1958 in Lietzow bei Nauen
- Einrichtung: Altes Testament
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Prehn, Wolfgang (Hrsg.): Zeit, den schmalen Weg zu gehen. Zeugen berichten vom Kirchenkampf in Schleswig Holstein. Kiel 1985.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1988.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Hermann Christian Hillmann
Der gelernte Tischler Hermann Christian Hillmann holt 1931 sein Abitur an der Karl-Marx-Schule in Berlin nach, bevor er sich an der Kieler Universität immatrikuliert. Dort wird er als Hilfskraft am "Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr" eingestellt, wo er an der Erstellung der Deutschen Hochschulstatistik mitarbeitet. Ab 1932 ist Hillmann dann Assistent von Gerhard Colm, Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften. Neben seinem Studium engagiert er sich von 1932 bis 1933 in der "Sozial-Demokratischen Studenten-Organisation", wird sogar deren Präsident. Die Organisation arbeitet mit Gewerkschaften zusammen und organisiert unter anderem Fortbildungslager für arbeitslose Jugendliche.
Im April 1933 verliert Hillmann auf Grund seiner Arbeit in der "Sozial-Demokratischen Studenten-Organisation" und der Tätigkeit für Professor Colm, der nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums(BBG) als Jude gilt, seine Stelle. Er wird von den Nazis für vier Monate in ein Umerziehungslager gesteckt, worauf der 24-jährige 1934 nach Schottland emigriert. In St. Andrews nimmt er sein Studium wieder auf, das er 1935 mit einem "Master of Arts" abschließt.
Nach seinem Examen findet er nicht sofort eine Anstellung und verbringt zwei Monate in einem Arbeitslosenlager. Im Herbst 1935 wird er schließlich "economic investigator" an der Dundee School of Economics und ab 1936 Assistent an der Universität Manchester. 1940 nimmt Hillmann die britische Staatsbürgerschaft an und erhält einen Posten in einem regierungsnahen Planungsstab, den der britische Historiker Arnold Toynbee leitet. Während des Krieges erhält er die Aufgabe, sich mit ökonomischen Problemlösungen für ein besetztes Deutschland zu befassen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrt Hillmann nicht nach Deutschland zurück. Er bleibt stattdessen in England, wo er an verschiedenen Universitäten wissenschaftlich tätig ist. ba
Fakten
- geb. 24. Dezember 1910 in Kiel; gest. 24. Oktober 1990 in Windermere/GB
- Einrichtung: Student der Ökonomie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Keyserlingk, Robert: Arnold Toynbee’s Foreign Research and Press Service. 1939-43 and its Post-war Plans for South-east Europe. In: Journal of Contemporary History 21 (1986), S. 539-558.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Rudolf Höber
Rudolf Höber studiert an den Universitäten Freiburg und Berlin, bevor er 1898 sein Examen ablegt. An der Kieler Universität arbeitet er seit 1909 als Privatdozent und wird 1915 zum ordentlichen Professor ernannt. Als der Wissenschaftler 1902 mit erst 29 Jahren sein Buch "Physikalische Chemie der Zellen und Gewebe" veröffentlicht, ist die Resonanz in Fachkreisen groß. In dem schmalen Werk unternimmt er den Versuch, biologische Erscheinungen auf physiochemische zurückzuführen und so zu analysieren. Die Untersuchung kreist um die Frage: Was ist und was leistet die Zellmembran?
Am 24. April 1933 wird Rudolf Höber von fünf SS-Leuten und zwei Zivilisten tätlich angegriffen. Ihm wird gedroht, er dürfe sein Institut nie wieder betreten und keine Prüfungen mehr abhalten, andernfalls sei sein Leben in Gefahr. Bei der Überprüfung Höbers im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wird festgestellt, dass er "zu 50% Jude" sei und außerdem dem Reichsbanner und der Deutschen Demokratischen Partei angehört. Am 26. September 1933 wird der Wissenschaftler mit 60 Jahren auf Grund seiner "nicht-arischen" Abstammung in den Ruhestand versetzt. Die Medizinische Fakultät setzt sich im Oktober des Jahres für ihren Kollegen ein, um den exzellenten Wissenschaftler zu halten, doch als Argument für seine endgültige Entlassung wird nun sein politisches Engagement ins Feld geführt.
Rudolf Höber, dem als "Halbjuden" in Deutschland keinerlei berufliche Perspektiven bleiben, emigriert mit seiner Frau Josephine über England in die USA, wo er seine wissenschaftliche Arbeit in Philadelphia fortsetzt.
In einem Nachruf ist zu lesen: "Sein Lebensabend war durch das Schicksal der Emigration beschattet. Er trug es mit Tapferkeit und ohne Verbitterung. Kollegen in England, wo er 1933 zunächst vorübergehend Aufnahme fand, haben nicht vergessen, wie er – ohne zu klagen und viel vom Erlebten zu berichten – sein Galvanometer aufbaute und mit neuen Messungen begann. Zur endgültigen Überwindung durch wirkliche Verwurzelung im neuen Lande war er aber wohl nicht mehr jung genug."
Auf dem Campus der CAU erinnert heute die Rudolf-Höber-Straße an den ehemaligen Wissenschaftler der Universtität. ba
Fakten
- geb. 27. Dezember 1873 in Stettin; gest. 5. September 1953 in Philadelphia, USA
- Einrichtung: Physiologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Nachruf von W. Wilbrandt in: "Cellular and Molecular Life Science", Vol. 9, Nr. 12, Dez. 1953.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Heinrich Hoeniger
1932 wird der 53-jährige Rechtswissenschaftler Heinrich Hoeniger aus Freiburg als Professor nach Kiel berufen. Am 9. April 1934 scheidet er bereits wieder aus dem Lehrkörper aus, da er laut dem Universitätsoberinspektor als Jude gilt. Wie viele andere seiner Kollegen wird er unter anderem auf Betreiben der Kieler Studentenschaft 1934 nach Frankfurt zwangsversetzt. 1935 wird er mit 56 Jahren pensioniert, da das Reichsbürgergesetz vom 14. November desselben Jahres vorsieht, dass als Juden eingestufte Beamte mit Ablauf des Jahres in den Ruhestand zu treten haben.
Der Rechtswissenschaftler emigriert 1938 in die Vereinigten Staaten, wo er von 1939 bis 1941 an der Fordham University und von 1941 bis 1950 am Hunter College in New York Vorlesungen über arbeitsrechtliche und sozialpolitische Themen hält.
Nach dem Krieg gibt der als sozial engagiert geltende Heinrich Hoeniger zuweilen Gastvorlesungen in Deutschland, die vor allem von den jungen Studenten begeistert aufgenommen werden. 1950 kehrt er schließlich dauerhaft in die Bundesrepublik zurück, und lehrt als Gastprofessor bis 1960 in Frankfurt. Im selben Jahr geht er in den Ruhestand und erhält die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main, die seit 1952 jährlich an bis zu fünf Persönlichkeiten verliehen wird, die sich auf kommunalpolitischem, kulturellem, wirtschaftlichem, sozialem oder städtebaulichem Gebiet um Frankfurt verdient gemacht haben. ba
Fakten
- geb. 26. Dezember 1879 in Ratibor/Schlesien; gest. 14. April 1961 Frankfurt/Main
- Einrichtung: Bürgerliches Recht, Arbeits- und Handelsrecht
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Döhring, Erich: Geschichte der Juristischen Fakultät 1665 bis 1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, 3.1). Kiel 1965.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Gerhart Husserl
Nach seiner Habilitation in Bonn wird der 33-jährige Gerhart Husserl 1926 Ordinarius in Kiel, wo er an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät lehrt. Aufgrund seiner "nicht-arischen" Abstammung gemäß dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums(BBG) wird er am 25. April 1933 wie viele seiner Kollegen mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Trotz der Ausnahmeregelung im BBG für Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg darf Gerhart Husserl, der sogar ausgezeichnet worden war, nicht im Amt bleiben.
Im Herbst 1933 soll er nach Göttingen zwangsversetzt werden, aber die dortige Universität lehnt es ab, ihn zu beschäftigen. Daraufhin wird er nach Frankfurt/Main an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät versetzt. Seinen Lehrstuhl in Kiel nimmt nun Karl Larenz (1903 bis 1993) ein, der zu den führenden Mitgliedern der "Kieler Schule" gehört, die die nationalsozialistische Doktrin, völkisches Denken und Rassenideologie im Recht verankern wollen.
Im Oktober 1934 bittet Husserl in Frankfurt um seine Emeritierung, in der Hoffnung, durch diesen Schritt zumindest noch dem Lehrkörper weiter angehören zu können. Zu diesem Zeitpunkt ist er gerade 40 Jahre alt. Zum 31. Dezember 1935 wird der Rechtswissenschaftler auf Grundlage der Nürnberger Gesetze in den Ruhestand versetzt. Im Februar darauf wird ihm die Lehrerlaubnis entzogen, so dass er jeder beruflichen Perspektive beraubt ist. Acht Monate nach Entzug der Lehrerlaubnis emigriert er in die Vereinigten Staaten, wo er 1941 amerikanischer Staatsbürger wird.
Von 1940 bis 1948 lehrt er an der Universität Washington. Anschließend arbeitet er als Berater für Rechtsangelegenheiten im US-Hochkommissariat für Deutschland. 1952 kehrt er in die Bundesrepublik zurück und strengt ein Wiedergutmachungsverfahren an. Die Universität Frankfurt zahlt ihm daraufhin die Emeritusbezüge rückwirkend ab 1950. In den folgenden Jahren lehrt er als Gastprofessor an den Universitäten Köln und Freiburg, bevor er sich aus dem Berufsleben zurückzieht. ba
Fakten
- geb. 22. Dezember 1893 in Halle/Saale; gest. 9. September 1973 in Freiburg/Breisgau
- Einrichtung: Römisches Recht, Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Rechtsphilosophie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Döhring, Erich: Geschichte der Juristischen Fakultät 1665 bis 1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, 3.1). Kiel 1965.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Felix Jacoby
Nach dem Studium der Klassischen Philologie in Freiburg, München und Berlin promoviert Felix Jacoby 1900 mit 24 Jahren. Drei Jahre später habilitiert er sich an der Universität Breslau, wo er dann als Privatdozent arbeitet. 1906 wird Felix Jacoby als außerordentlicher Professor nach Kiel berufen, wo man ihn ein Jahr später zum Ordinarius für Klassische Philologie ernennt. Nachdem er von 1915 bis 1918 im Ersten Weltkrieg kämpft, beginnt er ab 1920 in Kiel mit den Vorarbeiten zu dem monumentalen, mehrbändigen Werk "Die Fragmente der griechischen Historiker".
Obwohl Felix Jacoby nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums als Jude und damit als zu entlassen gilt, bleibt er als ehemaliger Frontkämpfer zunächst im Amt. Doch dies soll sich ändern, als er öffentlich angegriffen wird und Studenten des Philologischen Seminars ihren 57-jährigen Lehrer in Schutz nehmen. 1934 stellt sich auch die Universitätsleitung gegen ihn und erwägt die Versetzung an eine andere Universität, um sich des Kollegen zu entledigen.
Im März 1934 bittet Felix Jacoby um seine Beurlaubung, um die Studenten nicht in Gefahr zu bringen, die zu ihm halten, wie in dem Brief an das Kulturministerium zu lesen ist: "(…) die Gefahr, in die sich jeder begibt, der seinem nichtarischen Lehrer die Treue hält, weil er glaubt, dass auch ein Nichtarier ihm Erzieher sein kann." Einen Monat später wird der Altphilologe beurlaubt und am 27. November desselben Jahres emeritiert. 1938 muss Felix Jacoby aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften austreten, die "Juden" und "Mischlinge" nicht mehr als Mitglieder duldet. Inzwischen ist er nach Berlin gezogen, aber er entschließt sich erst 1939 zur Emigration ins englische Exil, nachdem SA-Männer während des Novemberprogroms 1939 sein Haus verwüsten.
An der Universität von Oxford kann er die Arbeit an seinem Hauptwerk fortsetzen, doch mittlerweile wurden seine deutschen Rentenbezüge eingestellt. Nach dem Krieg wird er von der Universität Kiel zum Ehrendoktor ernannt, erhält aber erst ab 1953 Ruhestandsbezüge als Emeritus. 1956 kehrt er in die Bundesrepublik Deutschland zurück und lebt bis zu seinem Tod in Berlin. ba
Fakten
- geb. 19. März 1876 in Magdeburg; gest. 10. November 1959 in Berlin
- Einrichtung: Klassische Philologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991. Mensching, Eckart: Finkenkrug, Neuseeland und Oxford. Über Felix Jacoby und seine Familie 1938/39. In: Ders. (Hrsg.), Nugae zur Philologie-Geschichte 13 (2003), S. 42-53. Wiesehöfer, Josef: Felix Jacoby (1876–1959). In Christiana Albertina, Forschungen und Berichte aus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 61/2005 Wittram, Annegret: Fragmenta. Felix Jacoby und Kiel, Frankfurt 2004 (Kieler Werkstücke, A 28).
Professor Dr. Jens Peter Jessen
Nach dem Abitur am Gymnasium in Flensburg kämpft der 19-jährige Jens Jessen im Ersten Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet zurückkehrt. Trotzdem studiert er ab 1917 Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und in Kiel, wo er 1920 über "Handelskauf nach nordischem Recht" promoviert. Nach Auslandsaufenthalten habilitiert er sich 1927 in Göttingen mit einer Arbeit über "Agrarprobleme in Argentinien". 1932 wird er außerordentlicher Professor in Göttingen, 1933 wechselt er als Professor für Volkswirtschaft nach Kiel an das Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr.
Seit 1930 Mitglied der NSDAP, ist der Ökonom zunächst von der nationalsozialistischen Ideologie überzeugt, gerät nach der Machtergreifung jedoch zunehmend in Konflikt mit dem Regime. Wie sein Sohn Uwe Jessen in einem Interview erklärt, erlebte sein Vater in Kiel, dass Parteiorgane und Geheime Staatspolizei außerhalb der eigenen Gesetze handelten, wogegen sich Jessen sofort gewandt habe. Er wird zum 1. Oktober 1934 nach Marburg versetzt.
Ein Jahr später wird er an die Wirtschaftsfachhochschule Berlin berufen. Nach nur einem Jahr wechselt er an die Universität Berlin. Jens Jessen wird Mitglied der Berliner Mittwochsgesellschaft, die sich kritisch mit den ethischen und staatsrechtlichen Aspekten des Dritten Reichs beschäftigt. Dort kommt er auch in Kontakt mit der Widerstandsgruppe um Ludwig August Theodor Beck, Carl Friedrich Goerdeler und Johannes Popitz. Außerdem verhilft er seinem Kieler Kollegen Richard Kroner zur Flucht.
Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944, an dessen Planung er maßgeblich beteiligt ist, wird Jessen im Herbst verhaftet. Am 7. November desselben Jahres findet vor dem Volkgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler die Verhandlung statt, welche mit seiner Verurteilung zum Tode endet. Am 30. November wird Jessen hingerichtet. ba
Fakten
- 11. Dezember 1895 in Stoltelund bei Tondern, gest. 30. November 1944 Berlin-Plötzensee [hingerichtet]
- Einrichtung: Ökonomie
Literaturangaben
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
- Esch, Christian; Speicher, Stefan: Für meinen Vater war es eine rein politische Frage. Interview mit Uwe Jessen in Berliner Zeitung vom 20.7.2004, S. 23,
www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/0720/feuilleton/0010 - Molzow, Hartwig: Jens Peter Jessen, in: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Bd. 12 (2006), S. 235-243.
- Schlüter-Ahrens, Regina: Der Volkswirt Jens Jessen. Leben und Werk, Marburg 2001
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
Professor Dr. Hermann Kantorowicz
Hermann Kantorowicz gilt als bedeutender Vertreter der Rechtssoziologie, die von Max Weber und Eugen Ehrlich begründet und von Kantorowicz weiterentwickelt wurde.
Der Rechtswissenschaftler aus Freiburg wird 1929 nach Kiel berufen, was dort nicht unumstritten ist, denn Kantorowicz war von 1923 bis 1929 Mitglied des Untersuchungsausschusses des Deutschen Reichstags über die Ursachen des Ersten Weltkriegs. Ein Gutachten über die Kriegschuldfrage und eine kritische Einschätzung der Rolle Deutschlands sind schließlich der Auslöser dafür, dass man Kantorowicz, der sich 1932/1933 zu Forschungszwecken in Florenz aufhält, von Kiel fernhalten möchte. Der vom Erziehungsministerium als "Jude" eingestufte Wissenschaftler, der Mitglied des Republikanischen Richterbundes, des Reichsbanners und der Liga der Menschenrechte ist, wird im September aus politischen Gründen aus seinem Amt als Universitätsprofessor entlassen.
Ende des Jahres 1933 werden seine Bezüge eingestellt. Daraufhin verlässt er Deutschland und lehrt 1933/34 an der New York School of Social Research in New York, an der zahlreiche, aus Deutschland emigrierte Gelehrte wirken. In den folgenden Jahren, 1934/35, lehrt er am dortigen City College.
1935 zieht er nach England, wo er am All Soul's College, Oxford, unterrichtet. Zwei Jahre später wird er stellvertretender Direktor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Cambridge, wo er bis zu seinem Tode bleibt. ba
Fakten
- geb. 18. November 1877 in Posen; 12. Februar 1940 in Cambridge, England
- Einrichtung: Strafrecht, Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie
Literaturangaben
- Rhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Döhring, Erich: Geschichte der Juristischen Fakultät 1665-1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1965.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Dr. Walter Kießig
Der Veterinärwissenschaftler Walter Kießig ist seit 1923 Direktor des Tierseucheninstituts der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holsteins und hat seit 1925 einen Lehrauftrag an der Universität Kiel.
1933 wird er vom Dienst suspendiert und zwangspensioniert. Der Oberassistent und einige weitere Mitarbeiter des Tierseucheninstituts hatten ihn denunziert, am Tag der "Machtergreifung" nicht die Hakenkreuzflagge auf dem Gebäude gehisst zu haben. Der Wissenschaftler wehrt sich gerichtlich gegen die Versetzung in den Ruhestand. Das Gericht gibt ihm zwar Recht, denn 1933 existiert noch keine Verordnung, die Fahne zu hissen. Walter Kießig wird aber nicht rehabilitiert und darf auch nicht wieder an seinen alten Arbeitsplatz zurück. Der Oberassistent, der ihn denunziert hat, wird sein Nachfolger am Institut. Trotz seiner ehemaligen Mitgliedschaft in der nationalkonservativen DNVP wird Kießig als politisch unzuverlässig eingestuft. Als dies an der Universität bekannt wird, entzieht man ihm ebenfalls den Lehrauftrag.
Kießig, der nun in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt, bleibt keine andere Wahl, als einen Posten als Fleischbeschauer am Kieler Schlachthof anzunehmen. 1938 bekommt er eine Stelle am Tiergesundheitsinstitut in Königsberg, fünf Jahre später übernimmt er eine unbezahlte wissenschaftliche Tätigkeit in Posen, Polen.
Nach Kriegsende stellt er einen Antrag auf Wiedergutmachung, der von den britischen Behörden genehmigt wird. Unmittelbar danach erhält er seinen Posten als Direktor des Instituts für Tierseuchen in Kiel zurück, wo er bis 1950 arbeitet. ba
Fakten
- geb. 23. Februar 1882 in Dresden; gest. 1964 in Kiel
- Einrichtung: Gesundheitspflege der Haustiere und Tierseuchen
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Privatdozent Dr. Otto Klemperer
Der Physiker Otto Klemperer lehrt seit 1925 in Kiel. Als er 1933 den Nachweis über seine Abstammung erbringen muss, stellt sich heraus, dass er nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG) "zu 50 Prozent Jude" ist. Gründe, die dieses "Vergehen" entschärfen könnten, wie ein Einsatz im Ersten Weltkrieg, liegen bei ihm nicht vor, aber es können ihm auch keine politischen Betätigungen vorgeworfen werden. Am 21. April 1933 fordert die nationalsozialistisch ausgerichtete Freie Kieler Studentenschaft seine Beurlaubung, bevor ihm am 9. September endgültig die Lehrerlaubnis entzogen wird.
Daraufhin geht er nach England. 1933 erhält Klemperer mit Hilfe des Academic Assistance Councils und der Rockefeller Foundation einen Lehrauftrag in Cambridge. 1946 wird er zum Professor am Imperial College of Science and Technology der University of London ernannt, wo er bis zu seinem Tode lehrt. ba
Fakten
- geb. 14. November 1899 in Berlin, gest. 27. Januar 1987 in London
- Einrichtung: Physik
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Volbehr, Friedrich; Weyl, Richard: Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665-1954, 4. Auflage. Kiel 1956.
Privatdozent Dr. Kurt Kolle
Der Psychiater Kurt Kolle ist der Vater des Filmemachers und Sexualaufklärers Oswalt Kolle. Er wächst in der Schweiz auf und ist bis zum Ersten Weltkrieg britischer Staatsbürger. Seine Erfahrungen während des Krieges festigen seine pazifistische Grundeinstellung. Seit 1926 arbeitet er in Kiel, wo er sich 1928 habilitiert und fortan als Privatdozent und Assistent von Georg Stertz an der Psychiatrischen Klinik tätig ist.
Der überzeugte Demokrat, der dem Republikanischen Bund angehört, stellt sich von Beginn an offen gegen den Nationalsozialismus, was seine Lage in Kiel nach der Machtergreifung sehr schwierig macht. Bereits im März 1933 wird er in der Kieler NS-Zeitung als Anhänger des Marxismus und "glühender Sozialdemokrat" beschimpft. Noch im selben Monat wird er von seiner Lehrverpflichtung beurlaubt. Obwohl seine Stelle an der Klinik bis Ende 1935 läuft, erhält er am 22. Juni 1933 seine Kündigung. Darüber hinaus hat er keine Möglichkeit mehr, wissenschaftlich zu publizieren. Obwohl er im Mai 1934 aus der Gesellschaft deutscher Nervenärzte ausgeschlossen wird, veröffentlicht er im selben Jahr einen Artikel in einer ärztlichen Wochenzeitschrift, wo er sich ausdrücklich gegen die von den Nazis propagierte Euthanasie ausspricht.
Kolle geht nach Frankfurt/Main und lässt sich dort mit einer eigenen Praxis als Psychiater nieder, wobei er durch die NSDAP ständig observiert wird. Im Zuge einer neuen Kampagne gegen ihn muss er schon 1935 seine Praxis wieder schließen, erhält aber eine außerordentliche Professur an der Universität Frankfurt. 1939 wird er zum Professor ernannt. Mittlerweile ist er der NSDAP beigetreten und wird 1942 Leiter einer Zweigstelle des Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie. Dass er trotz seiner äußeren Anpassung nicht mit dem Nationalsozialismus sympathisiert, beweist sein Verhalten während des Krieges. Als beratender Psychiater der Wehrmacht sorgt er dafür, dass viele Sanitätsoffiziere nicht an die Front geschickt werden. Gegen Kriegsende versteckt er in einem tschechischen Kriegslazarett von der Gestapo verfolgte Frauen und Mädchen.
Nach Kriegsende wird Kolle in seinem Entnazifizierungsverfahren daher trotz seiner Parteimitgliedschaft eine antifaschistische Einstellung attestiert, und er wird entlastet. 1952 erhält er einen Lehrstuhl für Psychiatrie und Neurologie in München, wo er später auch Direktor der Universitäts-Nervenklinik wird. ba
Fakten
- geb. 7. Februar 1898 in Kimberley, Südafrika; gest. 21. November 1975 in München
- Einrichtung: Psychiatrie, Neurologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Richard Kroner
Richard Kroner studiert nach seinem Abitur Philosophie und Literaturwissenschaft in Breslau, Berlin und Heidelberg. Mit 24 Jahren promoviert er bei Heinrich Rickert, bevor er sich zehn Jahre später, 1912, in Freiburg habilitiert. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er mit dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse ausgezeichnet wird, kehrt er nach Freiburg zurück. Dort veröffentlicht er 1921 den ersten Band seines Hauptwerkes "Von Kant bis Hegel". Kroner, Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift Logos und Präsident der Hegel-Gesellschaft, wird 1928 als Professor nach Kiel berufen.
Der Wissenschaftler, der seiner Konfession nach Christ ist, kann wegen seiner Teilnahme im Ersten Weltkrieg nach der Machtergreifung vorerst im Amt bleiben, obwohl er nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG) als Jude gilt. Am 15. Januar 1934 kommt es zu einem massiven Zwischenfall: Studenten sprengen seine Vorlesung, da sie sich an seiner Abstammung stören. Die Universitätsleitung verspricht eine Untersuchung des Vorfalls, die jedoch ohne Konsequenzen für die Schuldigen bleibt. Von den Kieler Kollegen stellen sich einzig der Volkswirtschaftler Jens Jessen und der Kriminologe Hans von Hentig hinter ihren Kollegen. Daraufhin verschicken Kroners Studenten ihr Protokoll an alle namhaften Philosophen Deutschlands. Nur Theodor Litt und Eduard Spranger reagieren mit Briefen an Kroner.
Am 11. Februar 1934 veröffentlicht die in Prag erscheinende Emigranten-Zeitung "Neues Vorwärts" einen Artikel mit der Überschrift "Idealismus verboten. Der Präsident des Hegel-Bundes muss gehen". Kroners Stellung verschlechtert sich daraufhin rasant. Noch im selben Jahr wird er nach Frankfurt/Main zwangsversetzt, wo der Rektor dem damals 50-jährigen Kroner den Rat gibt, einen Antrag auf Emeritierung zu stellen, was Kroner tut.
Nach den Novemberpogromen 1938 verschafft ihm sein alter Kollege aus Kiel, Professor Jessen, einen Pass, so dass Kroner mit seiner Frau nach England emigrieren kann. Dort lehrt er drei Jahre in Oxford, bis er 1941 in die USA geht, wo er am Union Theological Seminar in New York arbeitet. Nach dem Krieg wird Kroner in Kiel als Emeritus geführt und erhält die ihm zustehenden Bezüge. Er stirbt am 2. November 1974 und ist in Richmond, England, beigesetzt. ba
Fakten
- geb. 8. März 1884 in Breslau, gest. 2. November 1974 Schloss Mammern/Bodensee
- Einrichtung: Philosophie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991..
- Asmus, Walter: Richard Kroner. Ein Philosoph und Pädagoge unter dem Schatten Hitlers. Frankfurt/M., Bern, New York, Paris 1990.
Privatdozent Dr. Berthold Lichtenberger
Der studierte Agrarwissenschaftler erhält 1923 einen Ruf als Direktor des Instituts für Milchwissenschaft, des heutigen Max Rubner-Instituts, nach Kiel, wo er sich 1927 habilitiert.
Obwohl gegen ihn im Rahmen des nationalsozialistischen Beamtengesetzes nichts vorliegt, wird der Wissenschaftler im Juni 1933 von SA-Männern festgenommen und inhaftiert. Assistenten seines Instituts hätten Beweise gegen ihn in der Hand, Gelder veruntreut zu haben. Ebenso bestehe der Verdacht, dass er Jude sei. Lichtenberger, der von Kiel aus häufig ins Ausland reist und seinem Institut dadurch internationales Renommee verschafft, wird vor Gericht vorgeworfen, falsche Angaben über seine Spesenausgaben gemacht zu haben. Diese Vorwürfe sind formal zutreffend, doch nach den in Auftrag gegebenen Gutachten handelt es nicht um Betrug, sondern vielmehr um finanziell unbedeutende bürokratische Ungenauigkeiten Lichtenbergers. Im Gerichtsverfahren wird er freigesprochen. Nichtsdestotrotz scheidet der Agrarwissenschaftler, an dessen Denunziation außer Institutsangestellten auch nationalsozialistische Parteistellen direkt beteiligt waren, 1934 auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst aus.
Lichtenberger emigriert zunächst in die Vereinigten Staaten, wo er bis 1937 in einer Firma für Agrarmaschinen arbeitet. 1938 erhält er ein Angebot der türkischen Regierung als Berater im türkischen Handelsministerium. Dort wird ihm die Aufgabe übertragen, die milchverarbeitende Industrie zu modernisieren.
1939 kehrt er nach Deutschland zurück und macht während des Zweiten Weltkriegs Karriere in der Milchindustrie, zuerst als Leiter der Heinrich Lanz-Werke in Mannheim, ab 1943 als Direktor der Kühldienst GmbH in Berlin. 1948 übernimmt er eine Professor für Agrarwesen an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin und arbeitet dort gleichzeitig in der Landwirtschaftsverwaltung. Danach ist er im Verein zur Förderung des Milchverbrauchs in Frankfurt/Main tätig. ba
Fakten
- geb. 17. Mai 1887 in Riga; gest. 7. Juni 1953 [Ort unbekannt]
- Einrichtung: Landwirtschaftslehre
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Dr. Aenne Liebreich
Die in eine westfälische Fabrikantenfamilie geborene Aenne Liebreich studiert ab 1921 Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie in München, Berlin und Bonn, wo sie 1925 promoviert. Sie spezialisiert sich auf mittelalterliche Kunst und wird nach Abschluss ihres Studiums Volontärin am Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Dort arbeitet sie am Katalog der mittelalterlichen Miniaturen mit.
1927 wird sie in Kiel am Kunsthistorischen Institut erst als Volontärsassistentin angestellt, dann als Assistentin. Während dieser Zeit schreibt sie an ihrer Habilitationsschrift über den niederländisch-burgundischen Künstler Claus Sluter. Mit einem Stipendium der "Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler" ist es der jungen Kunsthistorikerin möglich, ihre Habilitation 1932 abzuschließen, die in Fachkreisen einhellig gelobt wird.
Nach der Machtergreifung wird die Kunsthistorikerin am 30. April 1933 zuerst beurlaubt und schließlich am 30. Juni entlassen, da sie nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG) "nicht-arischer" Abstammung ist. Es ist ihr nicht mehr möglich, ihr Habilitationsverfahren in Deutschland zu Ende zu bringen.
Sie hat Glück und bekommt aufgrund ihrer Kontakte zu französischen Kollegen und ihrer Sprachkenntnisse eine Assistentenstelle bei Henri Focillon am Institut d'art et d'archéologie an der Sorbonne in Paris, wo sie sich weiterhin mit Stipendien finanziert. Neben der Lehre übersetzt sie das Sluter-Manuskript und reicht es bei Focillon als Doktorarbeit ein. Das Buch erscheint 1936 und wird positiv aufgenommen. Trotz dieses Erfolges nimmt sie sich nach Kriegsbeginn im Winter 1939/40 im Pariser Exil das Leben. ba
Fakten
- 2. Juli 1899 in Bocholt, Westfalen; gest. 1939/1940 in Paris [Selbstmord]
- Einrichtung: Kunstgeschichte
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Lange, Barbara: Aenne Liebreich (1899-1939/40) Dr. Phil.– Habilitation unerwünscht!. In: Kunstgeschichte in Kiel. 100 Jahre Kunsthistorisches Institut der Christian-Albrechts-Universität,
- www.uni-kiel.de/kunstgeschichte/festschrift/liebreich.htm
Professor Dr. Wolfgang Liepe
Der Hebbelforscher Wolfgang Liepe übernimmt 1928 den Lehrstuhl für Neuere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Kiel. Der als republikfreundlich geltende Liepe, der mit dem Kieler Soziologieprofessor Ferdinand Tönnies korrespondiert, engagiert sich für einen intensiveren Austausch unter den republikanisch gesonnenen Hochschulprofessoren.
Im März 1933 gerät er mit seinem Kollegen Fritz Brüggemann in Konflikt: Liepe glaubt, dass Brüggemann gegen ihn intrigiert. Brüggemann soll das Gerücht verbreitet haben, dass Studenten Liepes Vorlesungen aus "rassischen und nationalen Gründen" boykottierten. Studenten sollen Liepe "Rassenschande" vorgeworfen haben, da er mit einer Jüdin verheiratet sei. Nachdem Liepe selbst ein Ermittlungsverfahren anstrengt, um die Vorwürfe zu klären, wird ihm "politische Unzuverlässigkeit" vorgeworfen.
Bereits zu Beginn der Streitigkeiten, im April 1933, wird Liepe vorläufig beurlaubt. Dies wird nachträglich damit begründet, dass er weder "rein-arisch" sei, noch im Ersten Weltkrieg gekämpft habe. Im September desselben Jahres stuft das Reichsinnenministerium Liepe nicht mehr als Juden, wohl jedoch als "jüdisch versippt" ein. Dies gilt jedoch erst zwei Jahre später mit den Nürnberger Gesetzen als Verbrechen. Um ihn dennoch von seinem Lehrstuhl zu entfernen wird er, wie andere Kollegen auch, nach Frankfurt/Main zwangsversetzt, wo er 1936 im Alter von 48 Jahren emeritiert wird. Möglichkeiten, seine wissenschaftliche Arbeit in Deutschland fortzusetzen, hat er damit nicht mehr. Er emigriert in die USA. 1939 arbeitet er am Yankton College South Dakota, und nach 1947 lehrt er in Chicago.
Anders als viele seiner Kollegen, die dasselbe Schicksal teilen und für die eine Rückkehr nach Deutschland undenkbar ist, übernimmt der 1954 aus dem Exil zurückgekehrte Liepe seinen alten Lehrstuhl in Kiel bis zu seiner Emeritierung 1956. 1960 erhält er den Kulturpreis der Stadt Kiel (heute Kultur- und Wissenschaftspreis). ba
Fakten
- geb. 27. August 1888 in Schulzendorf/Oberhavel; gest. 10. Juli 1962 in Kiel
- Einrichtung: Deutsche Literaturgeschichte, Theaterwissenschaft
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Martin Lintzel
Martin Lintzel studiert Geschichte in Halle/Saale, wo er auch 1924 promoviert, ein Jahr später sein Staatsexamen ablegt und sich 1927 für das Fach Mittelalterliche Geschichte habilitiert. 1935 wird der Historiker von Halle, wo er als Privatdozent lehrt, auf ein Extraordinariat für Mittlere und Neuere Geschichte nach Kiel berufen.
Ein Jahr zuvor war er bei nationalsozialistisch überzeugten Kollegen auf einem Kongress mit einer Rede angeeckt, in der er sich gegen die von der SS und dem nationalsozialistischen Chef-Ideologen Alfred Rosenberg vertretene These stellte, Karl der Große sei ein "Sachsenschlächter" gewesen. Als Lintzels Berufung bekannt wird, hagelt es heftige Proteste aus der Kieler Studentenschaft, und es wird ein Disziplinarverfahren gegen den Historiker gefordert, dessen Geschichtsauffassung nicht mit der nationalsozialistischen konform geht. Lintzel bittet den damaligen Rektor Professor Dahm um Unterstützung, die dieser dem neu berufenen Kollegen gewährt. Das Wissenschaftsministerium verzichtet auf ein Disziplinarverfahren, verpasst dem Historiker aber brieflich einen Maulkorb: "[…] Ihnen selbst einen Teil der Schuld an der unerquicklichen Auseinandersetzung zumessen und ersuche Sie, künftig stärkere Zurückhaltung bei Fragen zu bewahren, die – unbeschadet ihres wissenschaftlichen Charakters – gerade von den weltanschaulichen Gegnern des Nationalsozialismus mit Vorliebe ausgebeutet werden."
1936 wird Lintzel auf eine außerordentliche Professur nach Halle zurückgeschickt. Die Tatsache, dass er dort kein Ordinarius ist, empfindet er als "Maßregelung". Erst 1942 erfolgt die ersehnte Ernennung. Über zehn Jahre lehrt er in Halle, bis er 1953 an einer schweren Depression erkrankt und sich zwei Jahre später das Leben nimmt. ba
Fakten
- geb. 28. Februar 1901 in Magdeburg; gest. 15. Juli 1955 in Halle/Saale [Selbstmord]
- Einrichtung: Mittelalterliche Geschichte
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Oscar Martienssen
Der Physiker Oscar Martienssen habilitiert sich 1913 für Technische Physik an der Kieler Universität, an der er ab 1921 als außerordentlicher Professor lehrt.
1933 legt Martienssen alle seine Ämter, welche er zur Vertretung der Interessen seiner nicht beamteten Kollegen bekleidet, nieder. Bis 1935 bleibt er daraufhin unbehelligt, bis ein eher unbedeutender Zwischenfall eine Lawine in Gang setzt, die zu seiner Entlassung führen soll: Als seine Frau ohne weitere Erklärung zu einer Luftschutzübung beordert wird, verlangt Martienssen nach einer gesetzlichen Begründung für diese Maßnahme. Er wird daraufhin voon der Presse demontiert und in einem offenen Brief vom Polizeipräsidenten auf primitivste Weise beleidigt: "[…] scheren Sie sich zum Teufel, Herr Professor Martienssen, und wenn Sie mir den Gefallen tun wollen, recht bald!"
Der Physiker lässt sich nicht einschüchtern und schaltet die Universitätsleitung ein, um diesen Vorfall nicht auf sich beruhen zu lassen. Ein an das Reichsministerium gerichteter Brief, den er dem damaligen Rektor mit der Bitte um Weiterleitung gibt, wird von diesem unterschlagen. Die Kieler Staatsanwaltschaft hingegen erklärt sich bereit, eine Beleidigungsklage gegen den Polizeipräsidenten zu erheben.
Wahrscheinlich als Folge daraus wird Martienssens Position an der Universität im Mai 1936 ohne Angabe von Gründen gekündigt. Einer Klage des Physikers gegen seine unrechtmäßige Entlassung bleibt erfolglos. Nun wird auch die von Martienssen eingerichtete Hinterbliebenenkasse aufgelöst, die eingezahlten Gelder verschwinden auf ungeklärte Weise. Der Physiker, der nun kein Gehalt mehr bezieht, verliert damit auch seine Altervorsorge.
Nach Kriegsende bemüht er sich, den Entzug seiner Lehrerlaubnis rückgängig zu machen. Dem mittlerweile 71-jährigen Martienssen wird daraufhin eine Lehrauftragsvergütung bewilligt, ohne zu unterrichten. 1952 strengt Martienssen darüber hinaus ein Wiedergutmachungsverfahren an, doch es gelingt ihm nicht, seine Ansprüche durchzusetzen. ba
Fakten
- geb. 17. März 1874 in Hamburg; gest. 7. Juli 1957 in Neustadt/Holstein
- Einrichtung: Technische Physik
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Hermann Mulert
Nach seinem Studium in Leipzig, Marburg und Berlin beginnt Hermann Mulert seine Universitätslaufbahn in Kiel, wo er promoviert wird und sich habilitiert. Nachdem er zehn Jahre als Privatdozent in Kiel, Halle und Leipzig tätig ist, erhält er 1917 eine Professur in Kiel.
Hermann Mulert gehört zu den wenigen deutschen Theologen, die sich 1918 nach der Abdankung des Kaisers zur Demokratie bekennen. Während der Kaiserzeit ist er Mitglied verschiedener liberalpolitischer Gruppierungen, und er steht dem Politiker Friedrich Naumann nahe. In den zwanziger Jahren engagiert er sich im "Verein zur Abwehr des Antisemitismus". Ab 1932 ist er Chefredakteur der "Christlichen Welt", wo er vergeblich versucht, liberale Gedanken gegen den immer stärker aufkommenden Nationalsozialismus zu etablieren. Seine Kritik an der Einschränkung rechtsstaatlicher Prinzipien und an der Diskriminierung der Juden führt schließlich zur Beschlagnahmung und 1941 zum Verbot der Zeitung.
Bei parteiamtlichen Stellen der Nationalsozialisten gilt der Theologe als politisch unzuverlässig, da er in seinen Schriften – beispielsweise in "Baumgarten und die Nationalsozialisten" oder "Unsere deutschen evangelischen Volkskirchen und die parteipolitischen Gegensätze" – die herrschende Ideologie angreift: In seiner Verteidigung des emeritierten Kieler Theologen Baumgarten, der 1930 von nationalsozialistisch gesinnten Studenten angefeindet wird, bemüht sich Mulert um eine sachliche Diskussion "in der Hitze des politischen Tageskampfes", indem er auf die Argumente der Studenten eingeht. Spätestens sein Schlusswort macht Mulerts Position jedoch deutlich:
"Von solchen sachlichen Gegensätzen mag man ernst reden; aber wie wenig hat mit ernstlicher Auseinandersetzung, bei der man die Wahrheit sucht, jene Gehässigkeit zu tun, die den politisch Andersdenkenden sogleich moralisch verdächtigt! [...] wer den politisch andersdenkenden Volksgenossen beschimpft, der vertieft die Gegensätze in unserem Volke, der zerreißt die Gemeinschaft, obwohl die Not der Zeit die Pflege der Volksgemeinschaft doppelt zur Pflicht macht. Möge die Besinnung kommen, ehe es zu spät ist!"
Noch klarer äußert Mulert sich am 5. März 1933 – dem Tag der Reichstagswahlen – in der "Christlichen Welt":
"Die Gefolgschaftstreue der Mannen kann auch zu einer blinden Unterwürfigkeit entarten. Vor der schweren Pflicht selbständiger Gewissensentscheidung flüchtet man zum Gehorsam gegen den Führer. Dieser gewissenlose Gehorsam ist undeutsch, unevangelisch, unchristlich. Ihm gegenüber heißt unsere Pflicht: zur Besinnung mahnen, widerstehen und, wenn es sein muß, darunter leiden."
Mulert kritisiert das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" und hisst am 11. August 1933, dem Tag der Weimarer Verfassung, die schwarzrotgoldene Fahne der Republik. Durch dieses Verhalten und seine regimefeindlichen Äußerungen bekommt er Schwierigkeiten mit der Universitätsleitung. Schon im Sommer 1933 zieht Mulert in einem Briefwechsel mit befreundeten Kollegen sein Ausscheiden aus der Theologischen Fakultät in Erwägung. Laut seinem Sohn Theodor Mulert-Busch sind sich die Freunde jedoch einig: "Erst, wenn Wahrhaftigkeit und Selbstachtung in Gefahr sind, soll dieser Schritt getan werden."
Ausschlaggebend für Mulerts Entpflichtungsgesuch im Herbst 1935 sind schließlich auch persönliche Erlebnisse: Die Gestapo hatte seinen Neffen Hermann Reinmuth im November 1934 wegen angeblicher Verbindungen zu Widerstandskreisen verhaftet. Im September 1935 wird er zu sieben Jahren Haft verurteilt, später in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht und dort 1942 ermordet. Ende 1934 hatte Mulert im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Reinmuth einen Verweis erhalten. Seiner Entlassung aus dem Universitätsdienst kommt er 1935 dadurch zuvor, dass er sich auf eigenen Wunsch emeritieren lässt.
Er lehrt ab 1945 in Jena und ab 1948 in Leipzig, wo er maßgeblich am Wiederaufbau der Theologischen Fakultät beteiligt ist. ba/sas
Fakten
- geb. 11. Januar 1879 in Niederbobritzsch bei Freiberg/Sachsen; gest. 22. Juli 1950 in Mügeln bei Leipzig
- Einrichtung: Systematische Theologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991, S.109ff.
- Göhres, Annette und Liß-Walther, Joachim (Hrsg.): Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933-1945. Die Ausstellung im Landtag 2005 (Schriftenreihe des Schleswig-Holsteinischen Landtages, 7). Kiel 2006.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2).Kiel 1988.
- Preul, Reiner: Hermann Mulert in Kiel. Dokumentation eines Wissenschaftlichen Symposiums der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität aus Anlaß des 50. Todestages. Kiel 2001.
Privatdozent Dr. Hans Philipp Neisser
Hans Philipp Neisser studiert von 1913 bis 1916 Rechtswissenschaften und Nationalökonomie in Freiburg, München und Breslau. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitet er unter anderem als Redakteur der linksliberalen Zeitschrift "Magazin der Wirtschaft".
Ab 1927 lehrt er am Kieler Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr. Hier ist er neben Adolf Löwe und Gerhard Colm Mitglied einer Gruppe von theoretisch orientierten, statistisch geschulten und wirtschaftspolitisch engagierten Nationalökonomen. Mit dem Werk "Der Tauschwert des Geldes" (1928), das ihn international bekannt macht, habilitiert er sich für wirtschaftliche Staatswissenschaften. Der demokratisch gesinnte Wissenschaftler ist in Kiel Mitglied im "Republikanischen Klub", der SPD sowie im Reichsbanner. 1933 wird der als Jude geltende Wirtschaftswissenschaftler von Kieler SA- beziehungsweise SS-Mitgliedern aus dem Institut vertrieben.
Neisser wird zunächst beurlaubt und geht kurz darauf nach London. Von dort emigriert er in die Vereinigten Staaten. Am 29. September 1933 wird ihm die deutsche Lehrerlaubnis entzogen, mit der Begründung er gelte als "politisch unzuverlässig". An der University of Pennsylvania erhält er eine Professur. Ab 1943 arbeitet er an der New School for Economic Research in New York, wo er bis zu seiner Emeritierung 1965 lehrt. ba
Fakten
- geb. 3. September 1895 in Breslau; gest. 1. Januar 1975 in Berkeley, USA
- Einrichtung: Wirtschaftliche Staatswissenschaften
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Otto Opet
Der Wissenschaftler Otto Opet lehrt seit 1900 als Privatdozent an der Kieler Universität, wo er 1930 zum Ordinarius berufen wird. Er zählt zu den Wissenschaftlern, deren Abberufung die Kieler Studentenschaft 1933 kategorisch fordert, da er als Jude gilt. Als Mitglied des Reichsbanners, der Liga für Menschenrechte und dem republikanischen Klub und der demokratischen (beziehungsweise radikaldemokratischen) Partei ist er außerdem politisch engagiert.
Unter dem massiven Druck der nationalsozialistischen Anfeindung lässt Opet sich im April 1933 auf "eigenen Antrag" im Alter von 67 Jahren in den Ruhestand versetzen. Aus politischen Gründen wird er noch im November desselben Jahres aus dem Staatsdienst entlassen, seine Bezüge erhält er nur noch bis Ende Februar 1934. In diesem Jahr wird eine Neuberechnung seines Besoldungsdienstalters vorgenommen, die ein höheres Grundgehalt für seine Ruhebezüge ergibt. Im April legt der Rechtswissenschaftler Widerspruch gegen seine Entlassung ein, der einen Monat später abgelehnt wird.
Die letzten Jahre seines Lebens verbringt Otto Opet in Hamburg, wo er noch während des Zweiten Weltkriegs im Alter von 75 Jahren stirbt. ba
Fakten
- geb. 1. April 1866 in Berlin; gest. 17. November 1941 in Hamburg
- Einrichtung: Deutsches Recht
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Döhring, Erich: Geschichte der Juristischen Fakultät 1665-1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, Bd.2, Teil 2). Kiel 1965.
- Deutsche Biographische EnzyklopädieDBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Karl Rauch
Der Rechtswissenschaftler Karl Rauch lehrte bereits in Königsberg, Breslau und Jena, bevor er als Ordinarius 1932 nach Kiel kommt.
Am 25. April 1933 wird er mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Rauch selbst hegt den Verdacht, dass seine Suspendierung mit einem Prozess zusammenhängt, den er vor Jahren gegen die Weimarer Zeitung "Der Nationalsozialist" geführt hatte. Dieser Konflikt des damals als thüringischem Ministerialdirektor fungierenden Rauch mit den Nationalsozialisten könnte der Anlass gewesen sein, den politisch unliebsamen Professor am 1. Oktober 1933 nach Bonn abzuberufen. Auf seinen Kieler Lehrstuhl folgt der systemkonforme Karl August Eckhardt, der der juristischen Fakultät 1935 das Prädikat "Stoßtruppenfakultät" verleihen wird.
Da auf Karl Rauch kein Paragraph des Gesetzes zur "Wiederherstellung des Berufsbeamtentums Anwendung findet, der seine Entfernung aus dem Amt rechtfertigt, sucht man nach einer anderen Lösung. Er bleibt vorerst in Bonn, bis er 1942 eine ordentliche Professur in seiner Heimatstadt Graz erhält. 1945 ernennt man ihn dort zum Rektor, da er zu den wenigen Professoren gehört, die in keiner Beziehung zum Nationalsozialismus standen.
Nach seiner Emeritierung ist er als Honorarprofessor in Bonn tätig, wo er bis zu seinem Tod lebt. ba
Fakten
- geb. 27. März 1880 in Graz; gest. 26. Februar 1953 in Bonn
- Einrichtung: Deutsche Rechtsgeschichte, Handelsrecht
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Döhring, Erich: Geschichte der Juristischen Fakultät 1665-1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, Bd.2, Teil 2). Kiel 1965.
Professor Dr. Heinrich Freiherr Rausch von Traubenberg
Nach seiner Promotion 1905 in Würzburg arbeitet Heinrich Rausch von Traubenberg von 1910 bis 1922 erst als Assistent, dann als Dozent in Göttingen. Bevor er 1931 einen Lehrstuhl für Physik in Kiel erhält ist er Ordinarius in Prag, wo er das Physikalische Institut leitet. Rausch von Traubenberg gehört dem »Weimarer Kreis« an, einer Gruppe liberaler, demokratischer Hochschullehrer, die verfassungstreu sind. Darüber hinaus ist er Mitglied im »Bund Neues Vaterland«, deren Nachfolgeorganisation die »Deutsche Liga für Menschenrechte« ist.
Am 9. Februar 1937, sechs Jahre nach seinem Wechsel nach Kiel, wird der 57-Jährige vorzeitig in den Ruhestand versetzt, da er aufgrund der Abstammung seiner Frau als »jüdisch versippt« gilt, obwohl zu diesem Zeitpunkt der entsprechende Erlass gesetzlich noch nicht in Kraft getreten ist. Das Ehepaar Rausch von Traubenberg zieht nach Berlin, wo der Physiker Otto Hahn seinem Kollegen Rausch von Traubenberg die Möglichkeit gibt, am Kaiser-Wilhelm-Institut wissenschaftlich zu forschen. Sein aus Deutschland emigrierter Freund, der spätere Nobelpreisträger Max Born, lädt ihn an die Universität von Edinburgh, Schottland, ein, wo er selbst lehrt. Doch die deutschen Behörden stellen Rausch von Traubenberg keinen Pass aus, vermutlich um zu verhindern, dass der Experimentalphysiker dem Ausland nützlich ist.
Zwei Jahre nach seiner Zwangspensionierung erleidet Rausch von Traubenberg einen Nervenzusammenbruch. Nachdem ihre Berliner Wohnung ausgebombt wird, kommt der Wissenschaftler mit seiner Frau bei Freunden in Schlesien unter, wo er 1944 einen Herzanfall erleidet und stirbt, unmittelbar nachdem seine Frau Marie von der Gestapo abgeholt worden war. Sie überlebt das Konzentrationslager Theresienstadt durch den Einsatz von Otto Hahn, der die Behörden davon überzeugen kann, dass Marie Rausch von Traubenberg als Einzige die für die deutsche Atomphysik wichtigen Experimente ihres Mannes weiterführen könne. ba
Fakten
- geb. 17. März 1880 auf dem Rittergut Jörden/Estland;
- gest. 15. September 1944 in Hirschberg am See (Doksy) / Böhmen
- Einrichtung: Physik
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Privatdozent Dr. Karl-Heinrich Rengstorf
Nachdem sich der Theologe Karl-Heinrich Rengstorf 1930 in Tübingen habilitiert hat, lehrt er dort als Privatdozent, bis er 1936 für eine Lehrstuhlvertretung nach Kiel wechselt.
Als kurz nach Rengstorfs Einstellung seine Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche bekannt wird, gibt es heftige Proteste gegen den Theologen. Am 16. Dezember 1936 wird ihm die Lehrbefugnis entzogen, weil er dem Berliner Ministerium Vorschläge für den Neuaufbau der Theologischen Fakultät gemacht hatte. Mit seiner Entlassung verliert er alle Rechte, die sich aus seiner Habilitation ergeben. Die nächsten zehn Jahre verbringt er als Studiendirektor im Religionspädagogischen Institut (und dessen Vorläufer) in Loccum.
Nach dem Krieg gehört er zu den ersten deutschen Theologen, die Kontakte mit jüdischen, insbesondere israelischen Wissenschaftlern aufnehmen. 1947 übernimmt er den Lehrstuhl für Neues Testament, Geschichte und Literatur des Judentums an der Universität Münster. Dort gründet und leitet er das Institutum Judaicum Delitzschiam, dessen Vorgängerinstitut in Leipzig durch die Nationalsozialisten geschlossen worden war, und führt es zu internationalem Ansehen.
Rengstorf, der schon in seinem Theologiestudium vor allem von Lehrern geprägt wurde, die sich mit den jüdischen Wurzeln des Christentums beschäftigen, widmet sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit vor allem dem antiken und rabbinischen Judentum und der Geschichte des deutschen Judentums. ba
Fakten
- geb. 1. Oktober 1903 in Jembke bei Gifhorn; gest. 24. März 1992 in Münster
- Einrichtung: Neues Testament
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2).Kiel 1988.
- Volbehr, Friedrich; Weyl, Richard: Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665-1954, 4. Auflage. Kiel 1956.
Dr. Svend Riemer
Der Soziologe Svend Riemer leitet seit 1930 das Akademische Auskunftsamt der Universität Kiel und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der "Volkswirtschaftlichen Zentralstelle für Hochschulwesen". Wegen der "nicht-arischen" Abstammung seiner Frau sieht Riemer sich 1933 gezwungen, seine Stelle zu kündigen: Von offizieller Seite wird ihm mitgeteilt, dass seine Entlassung schon geplant gewesen sei, obwohl "Mischehen" gesetzlich noch nicht verboten sind.
Es wird ihm unmöglich, in Deutschland zu bleiben, wie er der Society for the Protection of Science and Learning in einem Schreiben mitteilt.
Im Juni 1933 bemüht sich der Soziologe um ein Stipendium beim Academic Assistance Council, um einen Aufenthalt an der London School of Economics zu finanzieren. Wie bei vielen anderen deutschen Wissenschaftlern auch, die zu diesem Zeitpunkt zur Emigration entschlossen sind, reicht der Etat der Organisation zur Unterstützung von Wissenschaftlern nicht aus. Riemer bittet schließlich Gunnar Myrdal um Hilfe, den späteren Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels (1970) und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften (1977). Der Schwede interessiert sich für Riemers Forschungsarbeit und verschafft ihm Arbeit an der Stockholmer Handelshochschule.
Bis 1938 bleibt Riemer im schwedischen Exil, dann wandert er in die USA aus, wo er bis 1940 an der Universität Minnesota lehrt. Anschließend arbeitet er zwei Jahre als Assistenz-Professor in Washington, danach bis 1945 an der Cornell University. Bis 1952 lehrt er in Wisconsin und dann an der University of California, Los Angeles, wo er 1971 emeritiert wird. Nach Deutschland kehrt er nicht zurück. ba
Trenner
- geb. 28. Oktober 1905 in Berlin; gest. 15. Mai 1977 in Fullerton/Kalifornien
- Einrichtung: Soziologie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Hans Rosenberg
Mit Hans Rosenberg habilitiert sich 1910 in Tübingen erstmals ein Physiker im Fach Astronomie. 1912 wird er neben seiner Lehrtätigkeit dort Leiter der veralteten Sternwarte auf dem Tübinger Schloss. Zusätzlich richtet er in seinem Haus eine Privatsternwarte ein und entwickelt dort neue Methoden zur Messung von Sternhelligkeiten. 1926 kommt er als außerordentlicher Professor nach Kiel, wo auf seine Initiative der Ausbau der Sternwarte vorangetrieben wird.
Am 1. April 1933 wird der Astronom nach einem tätlichen Übergriff von SA-Männern zunächst beurlaubt. Obwohl der dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG) als Jude gilt, kann er jedoch vorerst weiter unterrichten, da er im Ersten Weltkrieg gekämpft hat. Ein Jahr später, im März 1934, erhält er sogar die Genehmigung zu einer Auslandsreise in die Vereinigten Staaten, denn von offizieller Seite heißt es, er habe eine "durchaus nationale Haltung zur Schau getragen." Rosenberg, der die weiteren politischen Entwicklungen vorauszuahnen scheint, kehrt von dieser Reise nicht nach Deutschland zurück, sondern bleibt mit seiner Familie in den Vereinigten Staaten. Durch das Reichsbürgergesetz, das die Nationalsozialisten auf dem Nürnberger Reichsparteitag 1935 verabschieden, wird der Astronom von seinem Posten entlassen.
Von 1934 bis 1937 lehrt Rosenberg an der Universität von Chicago. 1938 emigriert er in die Türkei, wo er als Ordinarius an der Universität in Istanbul bis zu seinem plötzlichen Tod im Alter von 61 Jahren lehrt. ba
Fakten
- geb. 18. März 1879 in Berlin; gest. 26. Juli 1940 in Istanbul
- Einrichtung: Astronomie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Schmidt-Schönbeck, Charlotte: 300 Jahre Physik und Astronomie an der Kieler Universität. Kiel 1965.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Kurt-Dietrich Schmidt
Der 26-jährige Theologe Kurt-Dietrich Schmidt erwirbt 1923 in Göttingen mit einer Abhandlung über das Konzil von Trient seinen Lizenziatengrad und habilitiert sich 1924 mit seiner Arbeit "Schrift und Tradition" für das Gebiet Kirchengeschichte. Nach seiner Habilitation lehrt er vorerst als Privatdozent in Göttingen und folgt 1929 einem Ruf nach Kiel.
Schon vor den unüberbrückbaren Differenzen zwischen der Landeskirche Schleswig-Holstein, die sich von den Nationalsozialisten instrumentalisieren lässt, und der Bekennenden Kirche hat der Theologe ein Gutachten über die Unmöglichkeit eines so genannten "Arierparagraphen" veranlasst. Schmidt argumentiert, dass derjenige Gläubige, der den Rassegedanken auf die Religion ausdehnt, damit seinen Glauben in Frage stellt.
Schmidt protestiert außerdem gegen die nationalsozialistische Legende von der gewaltsamen Bekehrung der Germanen zum Christentum. Nachdem sich 1933 die "Deutschen Christen" hinter die NSDAP gestellt haben, sammelt Schmidt gemeinsam mit seinem Kollegen Volkmar Herntrich die bekenntnistreuen Professoren um sich und gründet den Pfarrernotbund. Dies war ein Zusammenschluss deutscher evangelischer Theologen, Pastoren und kirchlicher Amtsträger gegen die Durchsetzung des so genannten "Arierparagraphen" im kirchlichen Bereich, womit Christen jüdischer Herkunft die Amtsausübung unmöglich gemacht werden sollte. Wie andere seiner Kollegen beteiligt auch er sich an den illegalen Examensprüfungen der "Vorläufigen Kirchenleitung der evangelischen Kirche".
Im Dezember 1935 versetzt man den Theologen mit 39 Jahren wegen "politischer Unzuverlässigkeit" in den Ruhestand.
Nach dem Krieg wird er Professor für Kirchengeschichte an der Universität Hamburg, wo er bis zu seinem Tod lebt. ba
Fakten
- geb. 25. Oktober 1896 in Uthlede/Bremerhaven; gest. 27. Juli 1964 in Hamburg
- Einrichtung: Kirchengeschichte des 16./17. Jahrhunderts, Konfessionskunde
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Prehn, Wolfgang: Zeit, den schmalen Weg zu gehen. Zeugen berichten vom Kirchenkampf in Schleswig Holstein. Kiel 1985.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1988.
Professor Dr. Julius Schniewind
Julius Schniewind studiert Theologie in Bonn, Halle/Saale, Berlin und Marburg, bevor er 1910 den Lizentiatengrad erwirbt und in Halle bis 1914 als Privatdozent für Neues Testament lehrt. Während des Ersten Weltkrieges ist der Feldprediger. 1921 kehrt er als außerordentlicher Professor an die Hallenser Theologische Fakultät zurück, wo er 1925 promoviert. 1927 wechselt er als Ordinarius nach Greifswald.
Zwei Jahre später wird er nach Königsberg berufen, wo er sich in der Bekennenden Kirche engagiert. Aus diesem Grund wird er 1935 nach Kiel zwangsversetzt, und auch dort setzt er sich für die Bekennende Kirche ein. Zu dieser Zeit sind die Beziehungen zwischen der Landeskirche und der Bekennenden Kirche abgebrochen. Prüfungen von Theologiestudenten durch Professoren der Bekennenden Kirche sind seit Ende Februar 1935 verboten. Der Theologe bekennt offen, zur Bekennenden Kirche zu gehören, und weigert sich, Prüfungen für die Landeskirche abzuhalten. Daraufhin wird Schniewind 1936 von Kiel zurück nach Halle versetzt.
Schniewind, der biblische Theologie als Wort Gottes versteht, die tief im Alten Testament verwurzelt ist, und dessen Hauptinteresse der neutestamentlichen Exegese und der seelsorgerischen Praxis gilt ("Andere schreiben Bücher, ich muss für meine Studenten da sein"), übt auf die Theologiestudenten während der Zeit des Dritten Reiches einen großen Einfluss aus. Er erteilt der Ideologie des Nationalsozialismus eine klare Absage und versucht, die subjektive, religiöse Erfahrung mit der Objektivität der biblischen Zeugnisse zu verbinden.
Auch nach seiner Versetzung nach Halle engagiert sich Schniewind weiterhin in der Bekennenden Kirche, so dass 1937 ein Dienststrafverfahren gegen den 54-jährigen Theologen eingeleitet wird und er eine Gehaltskürzung hinnehmen muss. Er stirbt mit 65 Jahren in Halle. ba
Fakten
- geb. 28. Mai 1883 in Wuppertal-Elberfeld; gest. 7. September 1948 in Halle/Saale
- Einrichtung: Neues Testament
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Nachlass der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle: sundoc.bibliothek.uni-halle.de/nachlaesse/schniewind/schniewind1.htm
- Prehn, Wolfgang: Zeit, den schmalen Weg zu gehen. Zeugen berichten vom Kirchenkampf in Schleswig Holstein. Kiel 1985.
- Alwast, Jendris: Geschichte der Theologischen Fakultät. Von Beginn der preußischen Zeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität 1665-1965, Bd. 2, Teil 2). Kiel 1988.
Professor Dr. Walther Schücking
Nach dem Studium der Staats- und Rechtswissenschaften von 1894 bis 1897 promoviert Walther Schücking über ein völkerrechtliches Thema. Bereits mit 24 Jahren habilitiert er sich an der Universität Göttingen über ein rechtshistorisches Thema. 1900 wird er als jüngster außerplanmäßiger Professor in Preußen an die Universität Breslau und zwei Jahre später an die Universität Marburg berufen.
Der Pazifist schließt sich der von Bertha von Suttner gegründeten deutschen Friedensgesellschaft an. Am Ende des ersten Weltkriegs wird er Vorsitzender der Untersuchungskommission für völkerrechtswidrige Behandlungen von Kriegsgefangenen und Friedensdelegierter bei den Verhandlungen in Versailles. Während der Weimarer Republik tritt der Völkerrechtler der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei bei und ist von 1919 bis 1928 Mitglied des Reichstags. 1926 wechselt er an die Universität Kiel, wo er das Institut für Internationales Recht leitet. 1930 wird er als erster Deutscher zum Richter am Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag gewählt.
Am 25. April 1933 wird Walther Schücking, der bereits vor der Machtergreifung zur Zielscheibe nationalsozialistischer Übergriffe geworden ist, wie viele seiner Kollegen ohne Begründung mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Bis zu seinem Tod zwei Jahre später bleibt Schücking in Den Haag.
Die Christian-Albrechts-Universität hat 1995 das Institut für Internationales Recht zur Erinnerung an seinen berühmten, dem Gedanken des Friedens und Völkerverständigung verpflichteten früheren Direktor in "Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht" umbenannt. ba
Fakten
- geb. 6. Januar 1875 in Münster; gest. 25. August 1935 in Den Haag
- Einrichtung: Völkerrecht, Staats- und Verwaltungsrecht, Politik
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Döhring, Erich: Geschichte der Juristischen Fakultät 1665 bis 1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, 3.1). Kiel 1965.
- Schlichtmann, Klaus: Walther Schücking (1875-1935). Völkerrechtler, Pazifist und Parlamentarier. In: Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft, 15 (2002), S. 129-147.
- www.internat-recht.uni-kiel.de/institut
Professor Dr. August Skalweit
Der Volkswirtschaftler lehrt in Gießen und Bonn, bevor er 1923 eine ordentliche Professur in Kiel erhält. Zum Zeitpunkt der Machtergreifung 1933 ist er Rektor der Christian-Albrechts-Universität. Bereits Anfang Februar kommt es zu heftigen publizistischen Angriffen auf den Wissenschaftler. Ihm wird vorgeworfen, kommunistische Studenten zu protegieren. Hinter den Vorgängen steht die Kieler Studentenschaft. Einen Monat später, am 5. März 1933, legt Skalweit sein Amt als Rektor nieder.
Acht Monate später wird der Wissenschaftler an die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Frankfurt/Main "versetzt" und dort zum Direktor des Seminars für Wirtschaftsgeschichte ernannt. Seine Kollegen dort kritisieren seine politische Haltung und machen ihn dafür verantwortlich, dass die Fakultät "noch außerordentlich stark in altem Fahrwasser" arbeite. Skalweits Stellung an der Frankfurter Universität scheint zu diesem Zeitpunkt gefährdet zu sein, denn sein Name taucht 1936 auf der "List of Displaced German Scholars" der Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland auf.
1941 tritt Skalweit, der immer noch an der Frankfurter Universität lehrt, in die NSDAP ein, allerdings auf äußeren Druck, wie er nach Kriegsende erklärt. Im Februar 1945 bittet er im Alter von 65 Jahren um seine Emeritierung und wird im Juli von seinen Pflichten entbunden. Da emeritierte Professoren, die der NSDAP angehörten, nach Kriegsende keine Bezüge erhalten, versucht Skalweit, seine Pensionierung rückgängig zu machen. Der Wissenschaftler kann zwar nicht wieder auf seinen Lehrstuhl zurückkehren, wird aber von den amerikanischen Besatzungsmächten für politisch einwandfrei erklärt.
In einer Traueranzeige für den im Alter von 80 Jahren verstorbenen August Skalweit heißt es: "Er hat sich als Hochschullehrer auch unter den schwierigsten Verhältnissen bemüht, die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre bewahren zu helfen." ba
Fakten
- geb. 21. August 1879 in Hannover; gest. 12. März 1960 in Bad Homburg
- Einrichtung: Volkswirtschaftslehre
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Julius Stenzel
Der Platonforscher und mit Richard Kroner eng befreundete Julius Stenzel wird 1925 als Professor nach Kiel berufen. Hier wird er im April 1933 als einer der ersten Wissenschaftler beurlaubt, obwohl er "arischer Abstammung" ist, im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte und keiner politischen Partei angehört. Dass seine Frau "nicht-arischer" Abstammung ist, gilt offiziell erst ab 1935 als Verbrechen. Wahrscheinlich war für seinen Ausschluss die Tatsache maßgeblich, dass Stenzel zu dem Disziplinargremium gehörte, das 1930 die nationalsozialistischen Studenten von der Universität verwies, die den Gottesdienst des liberalen Theologen Otto Baumgarten gestört hatten.
Nach seiner Beurlaubung setzen sich 60 Studenten für ihn ein, indem sie eine Eingabe an das Ministerium verfassen und namentlich unterzeichnen: "(…) Weder in seiner Lehrtätigkeit (Vorlesungen und Seminarübungen) noch im persönlichen Gespräch, zu dem er in seiner menschlichen Offenheit und Wärme jedem Gelegenheit gab, hat Herr Professor Stenzel je Veranlassung gegeben, daran zu zweifeln, dass nationale Haltung für ihn eine Selbstverständlichkeit ist. Er hat eine wissenschaftliche Arbeit geleistet, deren besondere Bedeutung für die Gegenwart auch außerhalb des Fachkreises tatsächlich anerkannt worden ist (…)".
Stenzel, der sich weigert seinen Kollegen und Freund Richard Kroner zu überreden, als Herausgeber der wissenschaftlichen Buchreihe "Episteme" zurückzutreten, wird zu Beginn des Wintersemesters 1933/34 nach Halle zwangsversetzt. Vorher hatte er eine Professur in Basel abgelehnt, was er nach eigenen Aussagen später tief bereute. 1935 stirbt er im Alter von nur 52 Jahren in Halle. ba
Fakten
- geb. 9. Februar 1883 in Breslau; gest. 26. November 1935 in Halle/Saale
- Einrichtung: Philosophie, Bildungsgeschichte, Sprachphilosophie
Literaturangabe
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Georg Stertz
Georg Stertz studiert Medizin in Freiburg, München und Breslau, wo er auch promoviert. Der 1911 habilitierte Mediziner erhält er 1921 einen Lehrstuhl für Psychiatrie in Marburg. Fünf Jahre später wird er als Ordinarius nach Kiel berufen, wo er die Nervenklinik leitet.
19. April 1937 tritt der Flaggenerlaß in Kraft, demzufolge "jüdisch versippte“ Beamte in den Ruhestand zu versetzen seien. Der Psychiater wird aufgefordert, einen Antrag auf Entpflichtung zu stellen, da er in einer "deutsch-jüdischen Mischehe" lebt. Stertz wehrt sich und argumentiert, dass seine Frau einen "arischen" Vater hat und demzufolge nicht als "Volljüdin" gelten kann (der Vater ist der bekannte Mediziner Alois Alzheimer). Dass der "Flaggenerlaß", der sich auf Ehen mit "Volljuden" bezieht, tatsächlich nicht auf den Psychiater angewendet werden kann, um seine Entlassung juristisch zu begründen, gesteht selbst der damalige Direktor der Medizinischen Kliniken ein. In seinem Schreiben an Rektor Ritterbusch erklärt er jedoch, dass Stertz "typische Meckerer" beschäftige – gemeint ist sein Assistent Kurt Kolle – , in der "Systemzeit mit allen Juden […] sehr freundlich" gestanden habe und "keine Führereigenschaften im Sinne des nationalsozialistischen Staates" besitze.
Die Zermürbungstaktik gegen den Psychiater ist zunächst erfolgreich. Im Mai 1937 stellt er einen Antrag auf Entpflichtung. Im Juli hingegen erhebt er Einspruch gegen seine Emeritierung und verweist noch einmal auf die Gesetzeslage, die nur auf Beamte zutrifft, die mit "Volljuden" verheiratet sind. Zwar bittet er darum, rehabilitiert zu werden, jedoch ohne sein Entpflichtungsgesuch zurückzunehmen. Trotz seines berechtigten Einspruchs wird der 59-jährige Psychiater nicht wieder in den Lehrkörper aufgenommen. Als Konsequenz von Stertz' Vertreibung aus der Universität ist keiner der Hauptlehrstühle an der Medizinischen Fakultät mehr besetzt.
Nach dem Krieg erhält Georg Stertz 1946 einen Lehrstuhl für Psychiatrie und Nervenheilkunde in München, wo er bis zu seinem Tod lebt. ba
Fakten
- geb. 19. September 1878 in Breslau; gest. 19. März 1959 in München
- Einrichtung: Psychiatrie und Nervenkrankheiten
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Ferdinand Tönnies
Bereits mit 16 Jahren legt Ferdinand Tönnies, der Sohn eines Marschbauern, sein Abitur ab. Danach studiert er Philologie, Archäologie, Geschichte und Philosophie in Jena, Leipzig, Bonn, Berlin und Tübingen. 1877 promoviert er im Fach Alte Philologie in Tübingen. Vier Jahre später, 1881, habilitiert er sich an der Universität Kiel.
Für einige Jahre lebt Tönnies daraufhin in Hamburg, wo seine Studien zu den Ursachen des Hamburger Hafenarbeiterstreiks 1879 ihm das Misstrauen der preußischen Hochschulaufsicht einbringen. Als Kritiker des Wilhelminischen Obrigkeitsstaates und Befürworter der Arbeiterbewegung kann er sich lange Zeit nur schlecht im akademischen Betrieb etablieren. Erst 1909, mit 54 Jahren, wird er außerordentlicher Professor an der Universität Kiel, ab 1913 übernimmt er den Lehrstuhl für Wirtschaftliche Staatswissenschaften. Nur drei Jahre später wird Tönnies auf eigenen Wunsch emeritiert.
Durch die Inflation gerät er in finanzielle Schwierigkeiten, so dass er ab 1921 einen Lehrauftrag für Soziologie annimmt. Mittlerweile genießt der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler auch international hohes Ansehen.
Bereits ab 1930 kritisiert Ferdinand Tönnies scharf den aufkommenden Nationalsozialismus. Nach der Machtergreifung wird der Wissenschaftler, der neben Max Weber und Georg Simmel als Begründer der deutschen Soziologie gilt, aufgrund seiner "bisherigen politischen Betätigung" in den Ruhestand versetzt: Er ist Mitglied der SPD, des Republikanischen Richterbundes und der Liga für Menschenrechte.
Am 26. September 1933 wird Ferdinand Tönnies endgültig aus dem Staatsdienst entlassen. Seine Bezüge als emeritierter Professor kürzt man auf ein Existenzminimum. Er stirbt am 9. April 1936 in Kiel. ba
Fakten
- geb. 26. Juli 1855 bei Oldenswort; gest. 9. April 1936 in Kiel
- Einrichtung: Sozialwissenschaft, Philosophie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991, S.50f.
- Große Forscher von der Förde: Ferdinand Tönnies
- Carstens, Uwe: Ferdinand Tönnies. Friese und Weltbürger. Eine Biografie. Norderstedt 2005.
Dr. Christoph Weber
Christoph Weber studiert von 1904 bis 1906 Philosophie und Theologie in Fulda. In Münster setzt er sein Studium fort, wobei er zusätzlich die Fächer Germanistik, Geschichte und semitische Sprachen belegt. Nach seiner Promotion 1909 arbeitet er in der Universitätsbibliothek Münster. 1921 wird er Abteilungsdirektor an der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Drei Jahre später erhält er in Kiel die Stelle des Direktors der Universitätsbibliothek.
Dem angesehenen Bibliothekar wird im April 1933 von der Kieler Studentenschaft vorgeworfen, vom Etat übermäßig viel katholische Literatur angeschafft zu haben und außerdem "deutschfeindlich" zu sein. Nachdem Christoph Weber im April 1934 beim Rektor anfragt, wie sicher seine Position in Kiel sei, erhält er eine positive Antwort, da er dem nationalsozialistischen Regime positiv gegenüberstehe. Das Kultusministerium hingegen räumt ein, dass der Bibliothekar "hier im Haus nicht so gut beurteilt wird".
Als sich Weber 1935 einen Vorschuss aus dem Bibliotheksetat auszahlen lässt, ohne ihn zu quittieren, wird er beurlaubt. Obwohl die Universitätsleitung eingesteht, dass der Bibliothekar keine strafbare Handlung begangen hat, wird er im Dezember auf Wunsch von Rektor Dahm nach Königsberg zwangsversetzt und degradiert. Von 1943 bis 1945 verdient er seinen Lebensunterhalt in der Reichstauschstelle, wohin aus dem Besitz von NS-Opfern geraubte Bücher gelangen.
Nach dem Krieg wird er 1946 zum Direktor der Universitätsbibliothek Münster ernannt, wo er bis 1951 arbeitet. ba
Fakten
- geb. 27. Oktober 1883 in Guxhagen/Kassel; gest. 25. März 1958 in Fulda
- Einrichtung: Direktor der Universitätsbibliothek
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Werner Wedemeyer
Werner Wedemeyer lehrt seit 1908 als ordentlicher Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Kiel. Trotz seiner "nichtjüdischen" Abstammung gehört er neben Walther Schücking zu den Fakultätsmitgliedern, deren Abberufung von der nationalsozialistisch ausgerichteten Kieler Studentenschaft vehement gefordert wird. In der Kieler Zeitung vom 24. April 1933 verlangt sie seine Beurlaubung. Dem als "republikfreundlich" geltenden Professor wird vorgeworfen, "Umgang mit Juden zu pflegen", da er mit seinem Kollegen Hermann Kantorowicz befreundet ist.
Wedemeyer, der zu den wenigen republiktreuen Hochschullehrern zählt, wird durch die medialen Hetzkampagnen so unter Druck gesetzt, dass er am 22. Mai 1933 um seine vorzeitige Pensionierung bittet, die am 7. Juni erfolgt.
Im Mai des folgenden Jahres stirbt Wedemeyer.
Der Rechtwissenschaftler und überzeugte Nationalsozialist Karl August Eckhardt, der den Lehrstuhl des "versetzten" Karl Rauch innehat, spricht aus diesem Anlass von einem "Kesseltreiben" gegen den Ordinarius, dem er sich "seiner Wesensart getreu, (…) durch die Beantragung vorzeitiger Emeritierung still entzogen (habe)". Es ist derselbe Karl August Eckhardt, Intimus von Heinrich Himmler und seit 1935 Obersturmbannführer, den sein Gönner 1937 vor Parteiangriffen mit folgenden Sätzen protegiert: "Er hat, als die Juden noch geschützt waren, in sehr geschickter Weise, ohne dass das Ausland Einspruch erheben konnte, sämtliche Juden auf deutschen Lehrstühlen dazu gebracht, selbst ihre Entpflichtungsanträge zu stellen." ba
Fakten
- geb. 17. Oktober 1870 in Hameln; gest. 23. Mai 1934 in Kiel
- Einrichtung: Bürgerliches Recht, Römisches Recht, Zivilprozess, Arbeitsrecht
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- Döhring, Erich: Geschichte der Juristischen Fakultät 1665 bis 1965 (Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1665-1965, 3.1). Kiel 1965.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
- Schlüpmann, Klaus: Grenzlanduniversität Kiel. In: Vergangenheit im Blickfeld eines Physikers, www.aleph99.org/etusci/ks/t2a7.html
Professor Dr. Carl Wesle
Der 1912 in Straßburg promovierte und 1920 in Frankfurt a. M. habilitierte Wesle ist seit 1929 Ordinarius in Kiel. Am 20. April 1933 wird er zum Dekan der Philosophischen Fakultät ernannt.
Schon wenige Wochen später, am 15. Mai 1933, wird der "Fall Wesle" in einer Senatssitzung erörtert. Wesle hatte sich für seinen Kollegen Wolfgang Liepe, den Literaturgeschichtler und Theaterwissenschaftler, eingesetzt, der Opfer einer publizistischen Hetzkampagne der nationalspozialistischen Studentenschaft geworden war. Der erste von den Nationalsozialisten an der Kieler Universität eingesetzte Rektor, Lothar Wolf, wirft Wesle vor, für "Unzuträglichkeiten an der Universität" verantwortlich zu sein, genauere Gründe sind allerdings nicht protokolliert. Im Wintersemester 1933/34 wird Wesle als Dekan abgelöst und im Mai 1934 an eine andere Universität "versetzt", ein übliches Verfahren des nationalsozialistischen Regimes, um akademische Opposition zu brechen.
Wesle geht zunächst nach Bonn, dann nach Jena. Obwohl der spätere Kieler Rektor Ritterbusch sich 1939 selbst beim Reichserziehungsministerium dafür einsetzt, den Germanisten zurückzuholen, wird Wesle nicht zurückberufen. Er bleibt in Jena, wo er 1950 verstirbt. ba
Fakten
- geb. 26. Januar 1890 in Straßburg; gest. 22 Oktober 1950 in Jena
- Einrichtung: Germanische Sprachwissenschaft
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991.
- DBA = Deutsches Biographisches Archiv [im Campusnetz der Universität Kiel online (22.4.2008)].
Professor Dr. Carl Wirtz
Nach seinem Studium tritt der Astronom Carl Wirtz als Assistent in die Kuffner-Sternwarte in Wien ein. 1901 geht er als Lehrer an die Seefahrtsschule in Hamburg. Ein Jahr später arbeitet er in Straßburg als Observator, wo er sich 1904 habilitiert und 1909 zum Professor ernannt wird. Seit 1919 lehrt er in Kiel und ist Observator der Universitätssternwarte.
Der Astronom ist bis 1930 Mitglied der SPD. Im Juni 1933 wird ihm vorgeworfen, dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberzustehen, was er jedoch bestreitet. Daraufhin kann Wirtz zunächst unbehelligt weiterarbeiten, aber Kollegen wie der 1933 entlassene Rechtswissenschaftler Otto Opet sorgen sich um ihn. 1935 schreibt er in einem Brief an Ferdinand Tönnies, ob Wirtz noch "aktiv" sei oder auch in den Ruhestand zwangsversetzt.
Im Juli 1936 fragt das Reicherziehungsministerium beim Rektor der Universität an, ob die Fakultät mit einer vorzeitigen Pensionierung Wirtz' einverstanden sei. Obwohl an der wissenschaftlichen Qualifikation des Astronomen keine Zweifel bestehen, entzieht man ihm die Lehrbefugnis und versetzt ihn 1937 in den Ruhestand. Im Herbst 1938 wird die Sternwarte aufgelöst.
Nur zwei Jahre nach seiner Zwangspensionierung stirbt Carl Wirtz im Alter von 63 Jahren. An ihn erinnern ein nach ihm benannter Marskrater und ein Asteorid. ba
Fakten
- geb. 24. August 1876 in Krefeld; gest. 18. Februar 1939 in Hamburg
- Einrichtung: Astronomie
Literaturangaben
- Uhlig, Ralph: Vertriebene Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nach 1933. Zur Geschichte der CAU im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 2). Frankfurt am Main u.a. 1991, S.119ff.
- Schmidt-Schönbeck, Charlotte: 300 Jahre Physik und Astronomie an der Kieler Universität. Kiel 1965.
Übersicht der Vertriebenen
Dr. Wolf Bodenheimer
Dr. Leonore Brecher
Prof. Dr. Fritz Brüggemann
Prof. Dr. Wolfgang Frh. von Buddenbrock-Hettersdorff
Prof. Dr. Walter Bülck
Porf. Dr. Wilhelm Caspari
Prof. Dr. Gerhard Colm
Professor Dr. Walter Dix
Professor Dr. Walter Elliger
Prof. Dr. Hans Engelland
Prof. Dr. Abraham Fraenkel
Prof. Dr. Ernst Fraenkel
Privatdozent Dr. Willy Feller
Dr. Rudolf Freund
Prof. Dr. Emil Fuchs
Privatdozentin Dr. Melitta Gerhard
Prof. Dr. Bernhard Harms
Privatdozent Dr. Rudolf Heberle
Dr. Georg Henneberg
Prof. Dr. Hans von Hentig
Prof. Dr. Albin Hentze
Dr. John Herberts
Dr. Volkmar Herntrich
Hermann Hillman
Prof. Dr. Rudolf Höber
Prof. Dr. Heinrich Hoeniger
Prof. Dr. Gerhart Husserl
Prof. Dr. Felix Jacoby
Prof. Dr. Jens Jessen
Prof. Dr. Hermann Kantorowicz
Dr. Walter Kießig
Privatdozent Dr. Otto Klemperer
Dr. Kurt Kolle
Prof. Dr. Richard Kroner
Privatdozent Dr. Berthold Lichtenberger
Dr. Aenne Liebreich
Prof. Dr. Wolfgang Liepe
Prof. Dr. Martin Lintzel
Prof. Dr. Oscar Martienssen
Prof. Dr. Hermann Mulert
Privatdozent Dr. Hans Philipp Neisser
Prof. Dr. Otto Opet
Prof. Dr. Karl Rauch
Prof. Dr. Heinrich Freiherr Rausch von Traubenberg
Dr. Karl-Heinrich Rengstorf
Dr. Svend Riemer
Prof. Dr. Hans Rosenberg
Professor Dr. Kurt-Dietrich Schmidt
Professor Dr. Julius Schniewind
Prof. Dr. Walther Schücking
Prof. Dr. August Skalweit
Prof. Dr. Julius Stenzel
Prof. Dr. Georg Stertz
Prof. Dr. Ferdinand Tönnies
Dr. Christoph Weber
Prof. Dr. Werner Wedemeyer
Prof. Dr. Carl Wesle
Prof. Dr. Carl Wirtz