
Bilder beim Wort nehmen
Das gemeinsame Studienprojekt »Bild und Sprache – Sprache und Bild« der Kunstpädagogik, Germanistik und Kunstgeschichte an der Kieler Uni im Wintersemester förderte den Dialog zwischen den Disziplinen und schuf neue Sichtweisen.

Wie lassen sich Bilder durch Sprache erschließen? Und was muss Sprache leisten, um von allen verstanden zu werden? Um diese und weitere Fragen drehte sich ein gemeinsames Seminar der Kunstpädagogik, Germanistik und Kunstgeschichte.
Ob kunstgeschichtliche Fakten oder Bildinterpretationen: Die inhaltliche Schnittmenge von Kunst- und Deutschunterricht ist groß. Um später in der Schule fächerübergreifende Projekte leichter realisieren zu können und um künftige Lehrkräfte für das jeweils andere Schulfach zu sensibilisieren, haben Dozentinnen und Dozenten des Kunsthistorischen Instituts und des Germanistischen Seminars der Uni Kiel erstmalig ein gemeinsames Seminar organisiert.
Das Sprechen und Schreiben über Bilder stand im Zentrum des vom Projekt erfolgreiches Lehren und Lernen (PerLe) über den PerLe-Fonds für Lehrinnovation geförderten fächerverbindenden Lehr-Lern-Vorhabens »Bild und Sprache – Sprache und Bild«. Ein Semester lang beschäftigten sich die Studierenden mit dem »Wechselverhältnis beider Medien im fachlichen und fachdidaktischen Kontext«.
»Das Thema ist hochspannend«, erklärt Kunsthistorikerin Martina Ide vom Organisationsteam. »Das Verhältnis von Bild und Sprache ist komplex. Beide sind zwar eigenständige Codes, bedingen einander aber auch.« Was können Bilder und was kann Sprache für das Verstehen leisten? Wie lassen sich Bilder durch Sprache erschließen? Diesen und anderen Fragen sind über 60 angehende Deutsch- und Kunstlehrkräfte sowie Studierende der Kunstgeschichte nachgegangen.
»Was sich auf dem Papier so einfach liest, war für die Studierenden durchaus eine Herausforderung«, weiß Dr. Tobias Heinz vom Germanistischen Seminar. Denn neben den Lehrveranstaltungen, den Fachvorträgen und Workshops stand die Gruppenarbeit in fächerübergreifenden Teams im Vordergrund. »Dabei mussten die Gruppen erst einmal bestimmte Kommunikationsprobleme überwinden«, erklärt Heinz. Nicht alle Fachbegriffe aus der Kunst oder aus der Germanistik wurden von allen Studierenden gleichermaßen verstanden.
»Diese Verständnisprobleme zu erkennen und darauf zu reagieren, indem man Fachbegriffe erklärt oder umschreibt, ist für die Ausbildung von Lehrkräften ein wichtiger Schritt«, erklärt Kunsthistorikerin Friederike Rückert. »Denn schließlich sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Ausführungen verstehen.« Gleiches gilt für angehende Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, die später in Museen Gruppen jeden Alters durch Ausstellungen führen wollen.
Um auch praxisnah Antworten auf Fragen zu finden, hat unter anderem eine Gruppe Studierender mit einer elften Gymnasialklasse gearbeitet. Sie wollten herausfinden, wie Sprache Kunst eröffnet oder verschließt. Dazu wurde drei Gruppen von Schülerinnen und Schülern – ohne Informationen zu Künstler und Werk – das Bild »Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken« (1984) von Martin Kippenberger gezeigt und sie wurden nach ersten Assoziationen gefragt. Im zweiten Schritt wurden der ersten Gruppe der komplette Titel des Bildes, der zweiten Gruppe ein verkürzter Titel und der dritten Gruppe die Information, das Werk habe keinen Titel, übermittelt und wiederum nach einer Einschätzung über die Bedeutung des Bildes gefragt. Herausgekommen sind jeweils sehr unterschiedliche Interpretationen, die sich mit der Nennung des Titels nochmals stark veränderten. »Daran kann man erkennen, welche Rolle Sprache auf die Wahrnehmung von Bildern hat«, sagt Ide.
Andere Studierende haben sich mit Texten und Bildern in Schulbüchern befasst und überprüft, welcher Wort- und Wissensschatz von Schülerinnen und Schülern bestimmter Altersgruppen erwartet wird. »Dabei hat die Gruppe festgestellt, dass Texte in Schulbüchern manches Mal viel zu schwierig und damit unverständlich für die Altersgruppe sind. Zum Beispiel gehört das Wort Lötzinn (eine Metalllegierung zum Löten, Anmerkung der Redaktion) sicher nicht zum Vokabular von Zehnjährigen.« Dieses Beispiel ließ die Studierenden nicht nur schmunzeln, sondern auch grundlegend darüber nachdenken, wie sie kommunizieren und wie es um das Sprachrepertoire anderer bestellt ist. »Das war ein weiteres Ziel des gemeinsamen Seminars«, sagt Tobias Heinz.
Erste Ergebnisse haben die Studierenden zum Abschluss des Semesters in Form einer Posterpräsentation vorgestellt und werden diese jetzt in Hausarbeiten vertiefen. Die wichtigste Erkenntnis des fächerübergreifenden Studienprojekts wurde aber schon während des Semesters deutlich: Wie viel Spaß der Blick über den Tellerrand machen kann.
Autorin: Jennifer Ruske
Beteiligt an dem Studienprojekt waren: Martina Ide, Dr. Susanne Schwertfeger und Friederike Rückert vom Kunsthistorischen Institut sowie Professor Jörg Kilian, Dr. Tobias Heinz, Junior-Professorin Inger Petersen und Dr. Diana Maak vom Germanistischen Seminar.
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