
Ehrenamtliches Engagement unter der Lupe
Warum engagieren sich Menschen ehrenamtlich für ihr Dorf? Eine Studie innerhalb der Arbeitsgruppe Kulturgeographie an der Kieler Universität geht dieser Frage nach, um Handlungsempfehlungen für die Politik zu formulieren.

Das Ehrenamt auf dem Dorf im Fokus: Das Engagement der Menschen zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr ist Gegenstand einer Untersuchung.
Rund 16 Millionen Deutsche tun es – und das ganz freiwillig: Sie engagieren sich ehrenamtlich, ob bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Sportverein, in der Kirchengemeinde, beim Müllsammeln oder im Rahmen von Nachbarschaftshilfe. Der unentgeltliche Einsatz von Zeit, Kraft, Rat und Tat von Menschen im ländlichen Raum steht seit Mai 2021 in einem Verbundprojekt der Universitäten Kiel und Leipzig im Fokus. Gefördert wird das auf zwei Jahre angelegte Vorhaben »Selbst ist das Dorf?« durch das Bundesprogramm für Ländliche Entwicklung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Arbeitsgruppe Kulturgeographie unter Leitung von Professor Florian Dünckmann untersucht die »Einbettung des ehrenamtlichen Engagements in das alltägliche Dorfleben«. Parallel läuft die gleiche Studie in Leipzig.
Selbst ist das Dorf
Warum man sich für die Studie auf Dörfer konzentriert, ist für den wissenschaftlichen Mitarbeiter der Kulturgeographie Jens Reda schnell erklärt: »Der soziale Kontext auf dem Dorf ist ein anderer als in der Stadt. In der Regel gibt es auf Dörfern ein gutes Gemeinschaftsgefühl, oft erwachsen durch die Tatsache, dass die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum nicht in dem Maße gewährleistet ist wie in der Stadt. Die gegenseitige Unterstützung und das sich umeinander Kümmern hat auch aus der Notwendigkeit heraus Tradition«, weiß Reda aus einem vorherigen Projekt über soziales Engagement im dörflichen Kontext. »Uns interessiert, welche unterschiedlichen Bedeutungen das Engagement für die Menschen in den Dörfern hat und aus welchen Gründen sie sich vor Ort ehrenamtlich engagieren oder eben nicht«, sagt Reda. Wie das Engagement konkret aussieht und wie beispielsweise neu zugezogene Familien in das soziale und ehrenamtliche Gefüge einer festen Dorfgemeinschaft integriert werden, sind nur einige der Fragen, die die Forschenden umtreiben. »Im Moment arbeiten wir an dem umfangreichen Fragenkatalog«, sagt Reda.
In welchen Dörfern genau die Fragen gestellt werden, ist auch noch nicht abschließend geklärt. Zwei Regionen hat sich das Team in Schleswig-Holstein für die Untersuchungen herausgepickt. »Wir haben mit dem Kreis Nordfriesland eine Region gewählt, die sehr ländlich geprägt ist, und mit dem Kreis Herzogtum Lauenburg eine andere, die im Umkreis der Großstadt Hamburg zu finden ist«, erklärt der Kulturgeograph Dünckmann. Derzeit laufen Voruntersuchungen, um mehr über die verschiedenen Dörfer und ihre Strukturen zu erfahren. Gleiches passiert auch in Sachsen: Auch hier wird ein sehr ländlich gelegenes Dorf und eines nahe der Großstadt unter die Lupe genommen, um am Ende einen Ost-West-Vergleich ziehen zu können. »Doch der ist nur ein Nebeneffekt der Studie«, erklärt Dünckmann. »Uns geht es primär darum, durch eine Dokumentation des Dorfes, seiner Strukturen und der Gemeinschaft sowie durch Interviews mit Bewohnerinnen und Bewohnern das Gefüge Dorf zu verstehen. Und das nicht durch einen Blick von oben auf die Gemeinschaft, sondern aus Sicht der Menschen vor Ort.« So ließen sich weitere Wünsche und Bedarfe erkennen.
Welche Faktoren stärken das Engagement?
»Wir wollen zudem konkrete Faktoren identifizieren, die das Engagement in den lokalen Strukturen stärken, erschweren oder verändern. Das ist wichtig, um Ergebnisse der Studie auch in die politische Diskussion einbringen zu können«, so der Professor. Am Ende des Projekts werden Handlungsempfehlungen für die Politik zur Förderung ländlicher Räume formuliert. »Damit soll die Förderung verbessert werden. Denn nur wenn das staatliche Tun – sei es die Unterstützung durch Geld, durch eine Form der Wertschätzung oder durch flexiblere Handhabung von vorhandenen Regulierungen – nah an der dörflichen Lebenswelt und an den Bedürfnissen der Menschen ist, wird die Unterstützung die Menschen vor Ort tatsächlich erreichen.«
Autorin: Jennifer Ruske
Das Projekt »Selbst ist das Dorf?« ist Teil eines groß angelegten Forschungsprogramms des Bundes zum ehrenamtlichen Engagement in ländlichen Räumen. 15 Forschungseinrichtungen erarbeiten hierbei in elf Projekten Erkenntnisse und Fakten darüber, wie bürgerschaftliches Engagement in ländlichen Regionen langfristig gestärkt werden kann.
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