
»Forschung ist nicht so abstrakt wie gedacht«
Medizin und Technik bieten spannende Berufsaussichten, stehen in der Schule aber nicht auf dem Stundenplan. Reinschnuppern können Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines interdisziplinären Projektes zu Magnetfeldsensoren, mit denen sich die Herzaktivität messen lässt.

Am »Herzsimulator« können Schülerinnen und Schüler lernen, medizinisch auffällige Herzsignale zu erkennen. Doktorandin Cara Broß hat den Aufbau gemeinsam mit Forschenden des SFB 1261 als Baustein eines dreiteiligen Schulmoduls entwickelt.
Raus aus der Schule, rein ins Labor: Im letzten Sommer besuchten Schülerinnen und Schüler einer Gettorfer Oberstufe die Technische Fakultät. Im Anschluss beschrieben einige ihre Eindrücke von Forschung: »Ich wusste nicht, dass unterschiedliche Fachgebiete so eng zusammenarbeiten«, »Man kann wirklich viel ausprobieren und seine eigenen Fähigkeiten entfalten«, »Forschung ist nicht so abstrakt wie gedacht«. Die Besuche gehören, zusammen mit einem Vortrag an der Schule, zu einem mehrteiligen Modul, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Sonderforschungsbereich (SFB) 1261 »Biomagnetische Sensorik« entwickelt haben. Ihr Ziel: Einblicke geben in die magnetische Messung von Herzströmen und in den Forschungsalltag.
Damit trafen sie auch das Anliegen von Lehrkräften, die ihre Fächer wie Physik oder Biologie stärker über »anwendungsnahe Aufhänger« vermitteln wollten. Immerhin sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Haupttodesursache in Deutschland. Bislang werden per Elektrokardiogramm (EKG) vor allem elektrische Herzsignale gemessen. »Das wollen wir mit speziellen Sensoren kombinieren, die magnetische Signale erfassen. So könnten wir bestimmte Herzerkrankungen sicherer erkennen«, erklärt Professor Eckhard Quandt, Sprecher des SFB, ein Ziel des interdisziplinären Forschungsverbundes.
In enger Zusammenarbeit mit Professor Gerhard Schmidt, Experte für Signalverarbeitung im SFB, und Promovierenden arbeitete Lehramtsstudentin Cara Broß das Thema für die Schule auf. Im Rahmen ihrer Masterarbeit entwickelte sie Experimente und testete diese mit Schulklassen in der Kieler Forschungswerkstatt. »Die Schülerinnen und Schüler arbeiten dabei quasi an der SFB-Kette entlang und beschäftigen sich mit denselben Fragen wie die Forschenden«, erklärt Broß. Welche Materialien eignen sich für das Konzept dieser Sensoren? Wie müssen die Sensoren aufgebaut sein? Wie lassen sich die Herzsignale optimal auslesen?
Basierend auf diesen Experimenten hat Broß jetzt einen neuen Aufbau für den Einsatz an Schulen erstellt. Mittlerweile ist sie Doktorandin am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und hat gemeinsam mit SFB-Mitgliedern der Technischen und der Medizinischen Fakultät einen Herzsimulator entwickelt: Der nach menschlichem Vorbild geformte Oberkörper aus Kunststoff gibt über eine Spule verschiedene magnetische Signale ab, ähnlich denen eines Herzens. Über einen Magnetfeldsensor werden die Signale ausgelesen und am Computerbildschirm dargestellt. Nach einer Einführung in Diagnosetechniken sollen die Schülerinnen und Schüler in den simulierten Herzaktivitäten Auffälligkeiten erkennen, wie zum Beispiel ein Vorhofflimmern. Der Herzsimulator bildet – nach dem Vortrag und den Laborbesuchen – den dritten Baustein des fächerübergreifenden Schulmoduls des SFB 1261.
Ilka Parchmann, Didaktikprofessorin am IPN und zusammen mit Dr. Carolin Enzingmüller Leiterin des Outreachprojekts im SFB, untersucht die Wirkung dieser Maßnahmen: »Wir wollen Schulen und Unis langfristig stärker vernetzen. Deswegen setzen wir in Kiel einen starken Fokus auf die wissenschaftliche Begleitung solcher Aktivitäten.« Sie bereichern nicht nur den Unterricht, sondern auch die Forschung, so ihre Erfahrung. »Es ist spannend, zu versuchen, seine Arbeit verständlich zu erklären«, sagt Elektrotechnikingenieur Gerhard Schmidt. »Und auf diese Weise gewinnen wir auch Nachwuchs.«
Weitere Informationen: info.sfb1261.de
Autorin: Julia Siekmann
Sensoren für magnetische Herzströme
Der Sonderforschungsbereich 1261 »Biomagnetische Sensorik« wird seit 2016 mit rund elf Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Mehr als 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Materialwissenschaft, Physik, Elektrotechnik und Medizin erforschen hier hochempfindliche Magnetfeldsensoren. Anders als elektrische Messverfahren wie das EKG (Elektrokardiogramm) wären Magnetfeldsensoren in der Lage, Herz- oder Gehirnströme kontaktlos ohne Elektroden zu messen (Magnetokardio- bzw. Magnetoenzephalogramm). Zukünftig könnte das zum Beispiel (Langzeit-)Untersuchungen erleichtern. (jus)
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