
»Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, wo man das so untersuchen kann wie hier«
In anderen Ländern forschen, sich ein internationales Netzwerk aufbauen: Ganz im Sinne des Naturforschers Alexander von Humboldt arbeiten mit Dr. Gitanjali Kolhatkar und Dr. Chao Li zurzeit gleich zwei Forschende mit einem Humboldtstipendium im Forschungsschwerpunkt KiNSIS.

An der CAU und am DESY untersucht Dr. Gitanjali Kolhatkar, was im Inneren von Materialien passiert.
Eines der modernsten Rastertunnelmikroskope der Welt ist schon eine Reise nach Kiel wert. Seine feine Nadelspitze tastet die Oberfläche einer Materialprobe nanometergenau ab. Damit lassen sich einzelne Atome auf Oberflächen nicht nur abbilden, sondern auch bewegen.
Seit über einem Jahr forscht Dr. Chao Li bei Professor Richard Berndt am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik (IEAP). Mit dieser Ausstattung und im Austausch mit anderen Arbeitsgruppen will er die magnetischen Eigenschaften von Molekülen, ihren »Spin«, besser verstehen und kontrollieren. »Einige magnetische Moleküle konnten wir bereits entdecken und ihren Spin gezielt verändern«, erklärt der Physiker von der Universität Peking. Werden Moleküle zwischen zwei verschiedenen Spin-Zuständen hin- und hergeschaltet, lassen sich darüber Informationen verarbeiten, ähnlich wie über den Binärcode 0 und 1 im Computer. Solche schaltbaren Moleküle könnten die Voraussetzung sein für kleinere Datenspeicher und neuartige Quantencomputer.
Auch Dr. Gitanjali Kolhatkar beschäftigt sich zum Teil mit Speicherungsprozessen, wie sie in Computern oder Mobiltelefonen vorkommen. Sie promovierte im kanadischen Montreal, bevor sie im Oktober 2019 als Humboldtstipendiatin ans Institut für Elektrotechnik und Informationstechnik kam. Seitdem forscht sie bei Professor Hermann Kohlstedt, vor allem zum Material Aluminium-Scandium-Nitrid (AIScN), das an der CAU entwickelt wurde. Es gehört zu den ferroelektrischen Materialien, das heißt, es ist permanent elektrisch ausgerichtet. Kommt ein elektrisches Signal von außen hinzu, verändert sich die Kristallstruktur des Materials auf atomarer Ebene – und damit seine elektrische Ausrichtung sowie seine Eigenschaften. »Ich will herausfinden, wie ich die Eigenschaften für verschiedene Anwendungen gezielt verändern kann, zum Beispiel für Datenspeicher«, fasst Kolhatkar ihr Vorhaben zusammen. In Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Professor Kai Rossnagel, ebenfalls vom IEAP, untersucht sie AIScN mit hochintensiver Röntgenstrahlung am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg. So will sie unter anderem untersuchen, was während der Anwendung im Material passiert. »Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, wo man die elektronische Struktur von Materialien so präzise untersuchen kann wie hier. Das Stipendium hilft mir dabei, mein Netzwerk auszubauen und internationale Kollaborationen zu initiieren«, sagt Kolhatkar. Ihr Chef in Montreal ist selbst Humboldtstipendiat gewesen und hat ihr zu dem Forschungsaufenthalt bei Kohlstedt an der CAU geraten. Auch Chao Lis Doktorvater hatte ihm empfohlen, sich für das Stipendium in Berndts Arbeitsgruppe zu bewerben, nachdem er selbst dort geforscht hatte.
Sowohl Kolhatkar als auch Li sind Unterschiede zu den Hochschulsystemen ihrer jeweiligen Länder aufgefallen. So setzen Forschende in China vor allem auf besonders schnelle oder harte Arbeit, um zu wissenschaftlichen Durchbrüchen zu kommen. Das führe oft jedoch dazu, dass Fragestellungen eher einseitig behandelt werden, so Lis Eindruck: »Mir kommt es vor, als werde in Deutschland langfristiger und tiefgehender geforscht.« Kolhatkar findet besonders auffällig, dass Masterstudierende in Kanada bereits viel im Labor arbeiten, aber auch mehr auf sich allein gestellt sind. Unabhängig von der Arbeit vermisse sie in Deutschland manchmal die weite Landschaft Kanadas, gleichzeitig mag sie den »Vibe« der so nah beieinanderliegenden europäischen Städte. Bevor Li nach Schleswig-Holstein kam, habe er nicht gewusst, wie schön und friedlich Kiel sei. Besonders genieße er es, am Wasser spazieren zu gehen. Einen Wunsch hätte er aber noch für die Stadt, gibt er mit einem Lächeln zu: »Noch mehr chinesische Restaurants.«
Autorin: Julia Siekmann
Internationale Kooperationen fördern
Das Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung richtet sich an promovierte und überdurchschnittlich qualifizierte Forschende aller Fachrichtungen aus der ganzen Welt. 6 bis 24 Monate lang können sie gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einer Forschungseinrichtung in Deutschland an einem Thema arbeiten. Dieser internationale Austausch soll nicht nur die Karrierewege der Geförderten unterstützen, sondern auch die Forschung in Deutschland. (jus)
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