
»Wir brauchen mehr Ermutigung für junge Wissenschaftlerinnen«
Rechtswissenschaftlerin Professorin Nele Matz-Lück ist seit Oktober 2020 Vizepräsidentin für Internationales, Nachwuchs, Gleichstellung und Diversität. Im Gespräch mit der unizeit gibt sie Einblicke in ihr neues Amt.

Setzt sich als Vizepräsidentin für die Förderung junger Akademikerinnen und mehr Diversität an der Hochschule ein: Seerechtlerin Nele Matz-Lück.
unizeit: Wie haben Sie sich als Vizepräsidentin eingerichtet? Haben Sie bereits Schwerpunkte gesetzt?
Nele Matz-Lück: Ich versuche mich in die verschiedenen Felder, Strukturen und Gremien einzufinden, sodass ich schnellstmöglich gestaltend tätig sein kann. Das Interessante an meinen Ressorts ist, dass es sich um Querschnittsthemen handelt, sie spielen in alle Bereiche hinein, in Lehre und Forschung – in die gesamte Universität. Innerhalb dieser einzelnen Bereiche habe ich prioritäre Themen identifiziert: Für die Internationalisierung ist das die Entwicklung einer tragfähigen Internationalisierungsstrategie, auch um der Kritik des Wissenschaftsrates im Rahmen der Exzellenzstrategie zu begegnen. Im Bereich Gleichstellung ist eine Priorität, dass wir mehr – das heißt aktuell: überhaupt – weibliche Dekane in den Fakultäten bekommen. Bei der Nachwuchsförderung hat mich in den letzten Wochen die Auswahl der Fellows für den DenkRaum beschäftigt. Also ein ganz konkretes Projekt, das auf den Weg gebracht wird. Diversität ist der Bereich, mit dem ich bisher am wenigsten Berührungspunkte aus einer strukturellen Sichtweise hatte. Je mehr ich lerne, desto wichtiger finde ich, dass wir auch hier an einer Strategie arbeiten, um die Universität lebenswert für alle ihre Angehörigen zu gestalten.
Wo muss eine Institution wie die CAU bei der Diversität ansetzen?
Mit der diversitätsbeauftragten Person (Eddi Steinfeldt-Mehrtens, Anm. d. Red.) hat die Universität einen großen Schritt getan, dieses wichtige Thema auch strukturell zu verankern. Gleiches gilt für das Audit »Vielfalt gestalten« des Stifterverbandes. Das sind die Strukturen, die gewährleisten, dass man dauerhaft an dem Thema dranbleibt, begleitet von vielen einzelnen Aktivitäten und Bausteinen, zum Beispiel der Richtlinie gegen Mobbing oder dem Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung.
Zu den vielen Querschnittsthemen zählt auch die Gleichstellung. In der Wissenschaft scheint es generell eine Geschlechterkluft zu geben. Woran liegt das?
Ich kann mit meiner eigenen Disziplin beginnen: Nur 13 Prozent der Lehrenden im Staatsrecht in Deutschland sind Frauen. Das ist ausgesprochen niedrig und daran scheint sich nicht viel zu ändern. Was wir brauchen, ist mehr Ermutigung für junge Wissenschaftlerinnen. In der Rechtswissenschaft haben wir mehr Studienanfängerinnen und mehr Absolventinnen, bei den Doktorarbeiten wird der Frauenanteil im Verhältnis dann schon ein bisschen geringer und danach brechen die Zahlen ein. Der Übergang aus der Promotionsphase in eine wissenschaftliche Karriere muss enger begleitet und unterstützt werden. Da müsste man aktiv Werbung machen, und es muss positive Vorbilder geben. Dazu gehört auch, dass Frauen Frauen unterstützen. Genau hierfür gibt es an der CAU Mentoringprogramme. Und es braucht ein gesellschaftliches Umdenken. Viele Frauen scheinen in der Familienphase automatisch zurückzustecken – oder, um die Karriere nicht zu gefährden, sich gegen Kinder zu entscheiden. Wenn die wissenschaftliche Karriere der einzige Grund gegen eine Familiengründung ist, stimmt mit unserem Hochschulsystem etwas nicht.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Internationalisierung. Was bedeutet das eigentlich für eine Universität?
Ich glaube nicht, dass Internationalisierung sich darin erschöpft, dass wir eine höhere Anzahl von internationalen Studierenden haben, aber es ist ein Puzzlestein. Wenn wir im Wettbewerb mit anderen Universitäten gut dastehen wollen, dann sind die Studierenden, die positive Erfahrungen mit zurück in ihre Heimatländer nehmen und die vielleicht später als Postdocs den Kontakt suchen, auch Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die Forschung.
Unser aller Arbeit wird von einem internationalen Austausch befruchtet, und wenn wir international sichtbarer sind – durch große Verbundprojekte zum Beispiel –, wird das dazu führen, dass wir bessere Forschende hierher bekommen. Und zwar nicht nur internationale, sondern auch aus Deutschland.
Wie muss der Weg also aussehen?
Eine fertige Internationalisierungsstrategie habe ich noch nicht in der Tasche. Zunächst müssen wir noch einmal genauer prüfen, welche Kooperationen in den Fakultäten vorhanden sind. Ich glaube, es gibt da viel mehr gute Kooperationen mit ausländischen Partnerinstitutionen, als wir bisher wahrnehmen. Auch eine Art Benchmarking müssen wir betreiben. Da wird die entscheidende Frage sein: Mit wem vergleichen wir uns? Wenn wir uns mit ausländischen Spitzenunis vergleichen, werden wir vieles vielleicht nicht erreichen können, weil wir die Ressourcen nicht haben. Gleichzeitig brauchen wir ambitionierte Ziele, um uns zu verbessern.
Planen Sie dabei über die drei Jahre Ihrer Amtszeit hinaus?
Ein Punkt, von dem die Entscheidung abhängig sein wird, mich erneut zur Wahl zu stellen, ist, inwieweit Raum für eigene Forschung bleibt. Ich habe das auch der Präsidentin am Anfang unserer Gesprächsaufnahme gesagt: Wenn die Vizepräsidentschaft bedeutet, dass das Internationale Seerecht in Kiel nicht mehr sichtbar ist, dann möchte ich dieses Amt nicht übernehmen. Ich bin Seerechtlerin aus Leidenschaft. Ich glaube aber, es macht Sinn, über drei Jahre hinaus zu planen, wenn man konzeptionell und strategisch etwas verändern will. Tatsächlich ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch zu früh – man muss erst einmal Taten sprechen lassen, bevor man über Verlängerungsmöglichkeiten spekuliert.
Das Interview führte Anna-Kristina Pries
Kurzvita Prof. Dr. Nele Matz-Lück, LL.M.
Seit 8.10.2020 Vizepräsidentin für Internationales, Nachwuchs, Gleichstellung und Diversität an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, seit 2011 Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Völkerrecht, insbesondere Seerecht sowie Co-Direktorin des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht. Sprecherin des Netzwerks Future Ocean. Seit 2018 Richterin am Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein. Vor ihrem Ruf an die CAU war sie als Wissenschaftliche Referentin am Max-Planck-Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg tätig. Weitere Stationen: Dalhousie University in Halifax, Kanada, K.G. Jebsen Centre for the Law of the Sea an der Arktischen Universität Norwegens, Tromsö. Interdisziplinärer LL.M.-Studiengang an der Universität Aberystwyth, Wales. (apr)
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