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Ganz oben steht Vertraulichkeit

Zehn Jahre lang arbeitete Professor Andreas Susenbeth ehrenamtlich als Ombudsmann für die Christian-Albrechts-Universität. Und er war immer dann zufrieden, wenn ein Konflikt entschärft werden konnte, noch ehe er sich zum Drama auswuchs. Entsprechenden Grund zur Freude hatte er bemerkenswert oft.

Andreas Susenbeth
© Martin Geist

Andreas Susenbeth leistete zehn Jahre lang Ehrenamt als universitärer Ombudsmann.

»Mitglieder und Angehörige der Universität können sich in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und in Fragen vermuteten wissenschaftlichen Fehlverhaltens an das Ombudsteam der Universität wenden.« So definiert die Uni Kiel die Funktion dieser Einrichtung. Für Andreas Susenbeth, der diesem kleinen Team angehörte, bis er zum 1. April dieses Jahres offiziell in den Ruhestand ging, klingt das aufregender, als es im Alltag ist. Fast nie ging es in all den Jahren um den Vorwurf gravierender Verstöße, dafür umso mehr um menschliche Befürchtungen und Befindlichkeiten, teils gepaart mit mangelnder Kenntnis über das System Hochschule und die bisweilen ungeschriebenen Regeln, die sich darin herausgebildet haben.

Am häufigsten hatte es der Ombudsmann mit Streitigkeiten zum Thema Autorenschaft zu tun. Wer steht als Hauptautor oder -autorin an erster Stelle, wer hat sich mit einem Platz weiter hinten zu begnügen, wer wird möglicherweise überhaupt nicht aufgeführt? Diese Fragen treiben laut Susenbeth gerade den wissenschaftlichen Nachwuchs immer wieder um. Denn von der Zahl der Publikationen hängt sehr stark die Reputation und damit letztlich die persönliche Karriere ab. Ähnlich verhält es sich mit den Daten oder Materialien, die einem wissenschaftlichen Paper zugrunde liegen. Dazu der Ombudsmann: »Wer über Monate viel Herzblut in eine Erhebung investiert hat, neigt manchmal zum Glauben, es handle sich um persönliches Eigentum, aber so ist das oft schon deshalb nicht, weil es in der Regel das Ergebnis von bezahlter Arbeit darstellt und außerdem normalerweise nie eine Person alles allein bewerkstelligt hat.«

In den Arbeitsgruppen spielt das eigentliche Leben einer Universität. Und gerade in der modernen Wissenschaft kommt man gemeinsam fast immer weiter als allein.

Andreas Susenbeth

Etwas komplexer ist es mit der Autorenschaft. Denn es kann tatsächlich legitim sein, dass die Professorin als Hauptverfasserin einer Veröffentlichung genannt wird, obwohl die entsprechende Arbeit überwiegend von einem Doktoranden oder einer anderen Mitarbeiterin erbracht worden ist. »Von der Idee über den Projektantrag bis hin zur fachlichen Begleitung geht es immer auch um die Institution selbst«, erläutert Susenbeth. »In der Regel kann man das den Leuten sehr gut klar machen«, erzählt der Ombudsmann, der auf der anderen Seite bei Bedarf auch die Angehörigen seiner eigenen Zunft ein Stück weit ins Gebet genommen hat. Erfahrene Professorinnen oder Professoren, deren Geltung kaum noch von der Produktion immer neuer Veröffentlichungen abhängt, sollten nach seiner Überzeugung jedenfalls »die Nachwuchsförderung in den Vordergrund stellen« und auf die vorderen Plätze in der Autorenreihe verzichten, was im Übrigen längst auch gängige Praxis geworden sei.

Grundsätzlich lohnt sich aus Sicht des 66-Jährigen eine Zusammenarbeit, in der sich alle Beteiligten wiederfinden, unbedingt, denn würde es gar zu sehr knirschen, stünde der Erfolg der Gruppe an sich in Frage. Damit genau das nicht passiert, ist die Arbeit des Ombudsteams von einem eisernen Prinzip geleitet: Vertraulichkeit. Schriftliche Unterlagen zu seiner Tätigkeit fertigte Andreas Susenbeth allenfalls zur persönlichen Verwendung, Statistiken führte er überhaupt nicht. Alles sollte gut aufgehoben bei ihm sein. Ins Gespräch mit Dritten ging er nur auf ausdrücklichen Wunsch der Ratsuchenden. »Ganz überwiegend konnten die Dinge sehr gut gelöst werden«, resümiert der Ombudsmann, dessen Ziel es immer war, die Funktionsfähigkeit der Teams zu bewahren oder wiederherzustellen. Denn klar ist für ihn: »In den Arbeitsgruppen spielt das eigentliche Leben einer Universität. Und gerade in der modernen Wissenschaft kommt man gemeinsam fast immer weiter als allein.«

In diesen Dienst stellen sich nach Professor Susenbeths Ausscheiden als Nachfolger der Chemiker Professor Gernot Friedrich und weiterhin die Philosophin Professorin Christine Blättler für den geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich.

Autor: Martin Geist

Einsatz für »saubere« Wissenschaft

Während das Ombudsteam im Konfliktmanagement der Uni Kiel eine für den Alltag recht bedeutende Rolle spielt, ist die »Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens« nur sehr selten gefordert. Sieben gestandene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen gehören diesem Gremium an und werden tätig, wenn Plagiatsvorwürfe oder wissenschaftlich unsaubere Methoden im Raum stehen. Ebenso wie das zweiköpfige Ombudsteam können alle Hochschulangehörigen vom Studenten bis zur Professorin diese Kommission anrufen. (mag)

Kontakte und Informationen:
www.uni-kiel.de/de/forschung/integritaet-ethik

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