
Schnappschuss aus dem Leben
Max Planck gilt als einer der einflussreichsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Ein Projektteam aus Physik und Regionalgeschichte will anhand persönlicher Dokumente weitere Seiten des Kieler Ehrenbürgers erforschen.

Von Originalbriefen Max Plancks über Korrespondenz mit berühmten Physikkollegen bis zu Urlaubspostkarten der Familie – in den 20 Kartons und Ordnern stecken viel Arbeit und so manche Schätze für das Team rund um die Professoren Oliver Auge (Regionalgeschichte) und Michael Bonitz (Theoretische Physik)
»Ich bin froh, dass er in den Fahrstuhl gepasst hat«, sagt Michael Bonitz, Professor für Theoretische Physik, und zeigt auf den großen Tresor, der seit ein paar Monaten im Physikzentrum steht. Darin stapeln sich Kartons mit bis zu 130 Jahre alten Dokumenten von Max Planck, geboren 1858 in Kiel. Einer seiner Professoren hat ihn seinerzeit gewarnt, eine Karriere in der Physik zu verfolgen – dort sei eh schon alles erforscht. »Gut, dass Planck nicht auf ihn gehört hat: Seine Quantentheorie hat später die Physik revolutioniert und ihm 1919 den Nobelpreis eingebracht.«
Seiner Heimatstadt Kiel bleibt Planck ein Leben lang eng verbunden, auch als ihn die Wissenschaft weiter nach Berlin treibt. Über sein Leben und Wirken in Kiel baute Bonitz eine erste Ausstellung in der Physik-Bibliothek auf, zur Eröffnung kamen sogar zwei von Plancks Urenkelinnen. Als die Familie später nach einer Haushaltsauflösung noch einmal Kontakt zu Bonitz aufnimmt, sagt er sofort zu, persönliche Dokumente Plancks leihweise zur Durchsicht zu übernehmen: »Aber bei der Menge, noch dazu ungeordnet und in alter Handschrift, war mir klar, dass wir Unterstützung brauchen.« Oliver Auge, Professor für Regionalgeschichte an der CAU, hatte sich im Zusammenhang mit dem Kieler Gelehrtenverzeichnis bereits viel mit Biografien von Kieler Professorinnen und Professoren beschäftigt und sagte gern zu: »Diese auf den ersten Blick nicht unbedingt naheliegende Zusammenarbeit zwischen Fächern finde ich ganz großartig. Das würde ich mir noch mehr wünschen.«
Manuskripte, persönliche Briefe, Familienfotos und vieles mehr
Die Max-Planck-Förderstiftung ermöglichte eine erste Digitalisierung der Originaldokumente und die Anschaffung des Tresors, um sie sachgerecht zu lagern. Koordiniert von Karoline Liebler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Projekt Kieler Gelehrtenverzeichnis, arbeiten wissenschaftliche Hilfskräfte aus der Regionalgeschichte und der Physik seit Anfang des Jahres daran, die über 20 Kartons und Ordner zu sichten, zu sortieren und weiter zu digitalisieren. Finanziert werden sie aus Mitteln des Collegium Philosophicum, einem Forschungsnetzwerk der Philosophischen Fakultät, und des Präsidiums der CAU.
Ein Ziel des Projektes ist, die Dokumente für die Forschung verfügbar zu machen. »Als Historiker sind wir keine ‚Jäger und Sammler‘. Wir müssen auswählen, was historisch relevant ist, und dafür auch Studierende sensibilisieren«, betont Auge. Zu sortieren gibt es jede Menge, von Manuskripten und Briefen über Fotos bis zu Reisepässen und Urlaubspostkarten. Originalbriefe von Planck selbst sind darunter und persönliche Korrespondenz mit ebenso berühmten Kollegen wie Wernher von Braun, Werner Heisenberg oder Plancks Schülerin Lise Meitner. »Das ist ein lebendiger Schnappschuss aus Plancks wissenschaftlich verdientem, aber auch persönlich gebeuteltem Leben«, sagt Auge. So starben sowohl seine erste Frau als auch alle vier Kinder aus erster Ehe noch zu seinen Lebzeiten. »Auch wie Planck als Wissenschaftler im Zweiten Weltkrieg angesichts eines totalitären Regimes agiert hat, gewinnt durch den russischen Angriffskrieg eine neue Aktualität und muss differenziert und abgewogen betrachtet werden.«
Auswertung wird in die Lehre eingebunden
In einem Projektseminar im Wintersemester sollen die Dokumente weiter ausgewertet werden. »Für unsere Studierenden ist es toll, wenn sie mit Originalen arbeiten und ihre Ergebnisse mit der Öffentlichkeit teilen können«, sagt Auge. Denkbar sind zum Beispiel ein Buch, eine Ausstellung oder eine digitale Präsentation. Einige Stücke werden in die bestehende Sammlung in der Physik-Bibliothek integriert. Teile davon hatte Bonitz bereits während der Coronaschließung mit der Muthesius Kunsthochschule digital aufbereitet. Der erste Teil der digitalen Präsentation wird in Kürze mit Unterstützung der Max-Planck-Förderstiftung fertiggestellt.
Einblicke in das Projekt gibt ein Themenabend am 4. Oktober, dem 75. Todestag von Planck. In Vorträgen und Diskussionen geht es um die Rolle, die Planck für Kiel und die aktuelle Physik spielt – bis zur Entwicklung hochmoderner Quantencomputer. »Alte Schätze« aus dem Tresor werden natürlich auch zu sehen sein.
Autorin: Julia Siekmann
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