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Doppelter Sachverstand

In der Geophysik werden Materialien mit ausgeklügelten Methoden vermessen. Wer sich auf das Fach der Restaurierung versteht, analysiert dagegen auch mit Augen, Ohren und Erfahrung. Wenn sich beide Disziplinen zusammentun, kann Bemer­kens­wertes herauskommen.

Wandmalereien der Villa dei Misteri
© Martin Geist

Die Wandmalereien der Villa dei Misteri im antiken Pompeji sind mehr als 2000 Jahre alt und zeigen Szenen aus der griechischen Mythologie.

Egal ob es um einen schmucklosen Zweckbau wie die Rader Hochbrücke, mittelalterliche Wandmalerei im Schwahl des Schleswiger Doms oder antike Gemälde in einer pompejischen Villa geht: Immer wieder muss der bauliche Zustand dieser Objekte untersucht werden, um sie für ihre wenn auch sehr unterschiedlichen Funktionen zu erhalten. Eine Brücke soll nicht einstürzen, Wandmalereien sollten so lange wie möglich Zeugnis von früheren Kulturen ablegen. Und schon aus diesem Grund kommt es darauf an, bei der Untersuchung der Substanz möglichst wenig Schaden anzurichten.

»Wie dick sind die Wände? Weisen sie Schalungen, Schüttungen oder andere Besonderheiten auf?« Um solche Fragen geht es gerade bei historischen Bauten, sagt Professor Thomas Meier vom Institut für Geowissenschaften der Uni Kiel. Und er fügt hinzu: »Wichtig ist die Oberflächenbeschaffenheit, weil sie entscheidend für das Erscheinungsbild von alten Gebäuden ist, aber auch für deren Erhalt.«

Henrieke Dwenger­mann
© Martin Geist

Restauratorin Henrieke Dwenger­mann in der Villa dei Misteri im antiken Pompeji.

Die Kieler Geophysik hat sich nun erstmals mit einer neuen Methode zur wissenschaftlichen Analyse von Wandmalerei befasst. Per Ultraschall-Oberflächenmessung wurden das im 14. Jahrhundert entstandene Fresko »Der Kindermord« in Schleswig und ebenso die mehr als 2.000 Jahre alten Wandmalereien der Villa dei Misteri im italienischen Pompeji ins Visier genommen. »Die Schwäche der Ultraschall-Oberflächenmessung erweist sich dabei zugleich als deren Stärke«, beschreibt Professor Meier ein wesentliches Ergebnis. Mit dieser Ultraschallmessung lässt sich nur wenige Zentimeter in die Tiefe dringen, dicht an der Oberfläche liefert sie aber sehr exakte Daten. 

Zudem lässt sich die Methode relativ einfach und vor allem zerstörungsfrei anwenden. Ein Impulsgeber auf der einen und ein Aufnehmer auf der anderen Seite werden kurz an die Wand gedrückt, der Signalverlauf dazwischen kann in fast beliebigen Abständen gemessen werden. Je nachdem, wie die dabei herauskommenden Wellen aussehen, lassen sich dann Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Materials ziehen. Handelt es sich um ein sehr festes Medium mit einfacher Struktur, sind die Wellen schnell und von einfacher Form. Geht es dagegen dicht an der Oberfläche eher porös her, zeigen sich deutlich gestreute Wellen.

Fachleute für Restaurierung bei der Arbeit
© Restaurierungszentrum

Fachleute für Restaurierung tragen im Schwahl, einem Seitengang des Schles­wiger Doms, Kompressen auf, um das Gemäuer zu entsalzen.

Ausführlich untersucht hat das Geophysikerin Sandra Hintz, die in ihrer Masterarbeit die Daten aus Pompeji und Schleswig auswertete und bei den Messungen in Schleswig teils auch selbst dabei war. Dabei zeigte sich nach ihren Angaben, dass die Methode sehr gut zur Einschätzung des Zustands eines Objektes taugt – und ebenso gut geeignet ist, die Wirksamkeit von Bemühungen um dessen Restaurierung zu beurteilen.

Allein mit ihrer eigenen Expertise schafft die Geophysik das allerdings nicht. »Wir brauchen die Erfahrung von Restauratorinnen und Restauratoren«, betont Professor Meier. Denn seine eigene Disziplin könne beispielsweise zwar wunderbar ermitteln, ob und in welchem Maße sich ein Gemälde auf elastischem Untergrund befindet, was das aber für die Malerei an sich und deren Erhalt bedeute, das sei eine Sache für die Fachleute der Restaurierung.


Weil sich das schon bald nach den ersten Versuchen andeutete, suchte und fand die Geophysik Kontakt zum Restaurierungszentrum Kiel. Dort befasste sich Restauratorin Henrieke Drengemann, die kürzlich ihr Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim abgeschlossen hat, in ihrer Masterarbeit mit der Ultraschall-Oberflächenmessung. »Die Methode funktioniert, auch wenn einzelne Messkurven für uns etwas überraschend sind«, sagt Henrieke Drengemann, die zeitweise in Pompeji tätig war. Ihre Kollegin Julika Heller betont, dass naturwissenschaftliche Methoden in ihrem Fachgebiet grundsätzlich eine zunehmende Rolle spielen und die jetzt getestete Methode eine sinnvolle Ergänzung darstellt: »Gerade weil sie zerstörungsfrei ist und zeigen kann, ob unsere Arbeit funktioniert.«

Für Schleswig ist das gelungen. »Wir konnten am Ende die Wirksamkeit der Restaurierung nachweisen«, sagt Thomas Meier. Und fügt hinzu, dass solche Verfahren sehr wahrscheinlich »in Zukunft noch stärker routinemäßig angewendet werden«. Idealerweise, so meint der Geophysiker, geschieht das stets von Anfang an in Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten für Restaurierung.

Autor: Martin Geist