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Schutzmantel gegen Neurodermitis

Die tägliche Anwendung von pflegenden Cremes ist wesentlicher Bestandteil der Neurodermitis-Therapie. Und das Eincremen könnte auch Babys vor der entzünd­lichen Hauterkrankung schützen. Den vor­beugenden Nutzen untersucht jetzt eine Neurodermitis-Präven­tions­studie an der Hautklinik Kiel.

Baby
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Die Haut von Babys ist sehr zart und muss normalerweise nicht täglich gecremt werden. Es sei denn, sie ist besonderes trocken oder krankhaft verändert.

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Was wurde nicht schon alles ausprobiert, um insbesondere familiär vorbelastete Babys und Kleinkinder vor dem Auftreten der entzündlichen Hautkrankheit Neurodermitis zu bewahren. Werdenden Müttern wurde der Speiseplan in der Schwangerschaft umgestellt, Babys wurden möglichst lange gestillt oder mit speziellen Milchersatznahrungen gefüttert, die ausgewählte Bakterienkulturen (Probiotika) enthielten oder hypoallergen waren. Und auch die Beikost, also die erste Nahrung zum Löffeln, sollte möglichst allergenarm sein. All das mit dem Ziel, Kindern, deren Eltern mit Allergien zu kämpfen haben, das Auftreten einer Neurodermitis zu ersparen.

Das Ergebnis ernüchtert: Keine dieser Maßnahmen führte zu einem Rückgang der Neurodermitis-Häufigkeit. Und die ist gewaltig. »Man geht davon aus, das 10 bis 20 Prozent der Kinder und 5 bis 10 Prozent der Erwachsenen an Neurodermitis leiden«, sagt Professor Stephan Weidinger, stellvertre­tender Direktor der Universitäts-Hautklink Kiel und Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung.

Sehr viel wirkungsvoller ist möglicherweise eine im Prinzip recht einfache Methode: das vorsorgliche regelmäßige Eincremen von Neugeborenen. »Menschen mit Neurodermitis haben einen angeborenen Defekt der Hautbarriere. Das heißt, der Schutzmantel der Haut ist schwach. Zum Ausbruch der Erkrankung kann es kommen, wenn die Haut durch bestimmte Stoffe oder Allergene gereizt wird. Wenn man dafür sorgt, dass die Hautbarriere stabil bleibt, eben durch die konsequente Anwendung der Basispflege, könnte dies das Auftreten der Erkrankung verhindern«, erklärt Weidinger, der die genetischen Grundlagen von Neurodermitis erforscht hat.

Und tatsächlich – in Pilotstudien aus den USA, Großbritannien und Japan führte die frühzeitige, kon­sequente tägliche Anwendung von Pflegecremes bei Neugeborenen mit erhöhtem Risiko für Neuro­dermitis zu 30 bis 50 Prozent weniger Erkrankungsfällen bis zum zweiten Lebensjahr. Diese Ergebnisse werden in der Fachwelt als kleine Sensation gefeiert, bedürfen aber noch der kritischen Überprüfung durch größere Studien. Zu dieser Datenlage möchte auch Weidinger beitragen.

Daher hat er in Kiel eine Neurodermitis-Präventionsstudie initiiert. Zusammen mit seiner Kollegin Profes­sorin Regina Fölster-Holst, der Leiterin der kinderdermatologischen Sprechstunde, lädt er werdende Eltern dazu ein, mit ihrem neugeborenen Kind an der Studie teilzunehmen. Voraussetzung ist, dass min­destens ein Elternteil oder ein Geschwisterkind an Neurodermitis, allergischem Asthma oder allergischer Rhinitis (Heuschnupfen) erkrankt ist oder erkrankt war. In diesen Fällen besteht ein stark erhöhtes Risiko für das Neugeborene, an Neurodermitis zu erkranken.

Prinzipiell läuft die Studie folgendermaßen ab: Nach dem Zufallsprinzip werden zwei Gruppen gebildet. Beide Gruppen erhalten strukturierte und standardisierte Informationen über die Krankheit Neurodermitis und mögliche Vorbeugungsmaßnahmen. Zusätzlich erhält eine der beiden Gruppe eine wirkstofffreie Feuchtigkeitspflege zur täglichen Anwendung bei ihrem Baby ab der zweiten bis dritten Lebenswoche Lebenswoche für die Dauer von einem Jahr.

Alle an der Studie teilnehmenden Kinder werden zu insgesamt fünf Studienvisiten in der Hautklinik (innerhalb der ersten 3 Lebenswochen, nach 1, 6, 12 und 24 Monaten) eingeladen, außerdem finden zwei Telefoninterviews im Verlauf statt. Zudem werden die Eltern via Internet um kurze Eintragungen in ein Tagebuch gebeten. Die Kinder werden bis zum sechsten Lebensjahr nachbeobachtet. Weidinger: »Für die Studienkinder ist die Studie beendet, wenn Neurodermitis auftritt. Denn damit ist der Endpunkt erreicht und die erkrankten Kinder benötigen eine Behandlung.«

Die Untersuchungen sind für die Kinder schmerzfrei und nicht-invasiv, versichert der Hautarzt und Entzündungsforscher. »Wir nehmen zum Beispiel Abstriche, um das Hautmikrobiom zu untersuchen, und messen hautphysiologische Parameter wie Wassergehalt der Haut oder ph-Wert. Am Ende der Studie, nach zwei Jahren Beobachtungszeit, fragen wir die Eltern, ob wir für genetische Analysen Blut oder Speichel entnehmen dürfen. Das ist aber freiwilig und keine Bedingung für die Studienteilnahme.«

Ein Ziel der Studie ist, den Ausbruch einer Neurodermitis mit konsequenter, täglicher Pflege zu verhin­dern. Analysiert wird aber auch, wie sich die Schutzfunktion der Haut und ihre Besiedlung mit Bakterien entwickelt.

Kerstin Nees

Die Studie nimmt noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf. Bei Interesse wenden Sie sich an:
0431 500-21163 oder -21346,iharder@dermatology.uni-kiel.de
Neurodermitiszentrum, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Rosalind-Franklin-Straße 7, Kiel
www.dermatology.uni-kiel.de

Basispflege bei Neurodermitis

Bei einer Neurodermitis ist es sehr wichtig, die Haut vor dem Austrocknen zu bewahren. Dazu dient die tägliche Pflege mit rückfettenden und feuchtigkeitsbindenden Pflegemitteln (Emollentien). Dies hilft gegen Juckreiz, schützt vor Entzündungen und beugt einer Verdickung der Haut vor. Studien weisen außerdem darauf hin, dass eine gute Hautpflege den Bedarf an Kortisonpräparaten senken kann. (ne)

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