
Sport ohne Hürden
Inklusion im Sport ist ein großes Thema. In der Lehre gibt es trotzdem noch Luft nach oben, meint Professor Manfred Wegner vom Institut für Sportwissenschaft.
Wer eine Behinderung hat und in Kiel Sport studieren möchte, kann sich das von vornherein aus dem Kopf schlagen. Der obligatorische Eignungstest, bei dem die sportliche Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden muss, sieht solche Fälle schlicht nicht vor. »Es gibt derzeit keine Lücke«, bedauert Manfred Wegner und fügt hinzu: »Da müssen wir dringend nacharbeiten.«
Dabei sieht der Sportpsychologe und geschäftsführende Institutsdirektor in der Inklusion einerseits eine große Chance, andererseits vieles skeptisch, wenn es um Inklusion in der Sportwissenschaft geht. »Menschen mit und ohne Behinderung haben zu wenig Kontakt«, beschreibt er ein Grundproblem. Oftmals wird nach seiner Erfahrung über behinderte Menschen geredet, statt mit ihnen. Kommt es doch zu Gesprächen, dann verlaufen diese vielfach »sehr artifiziell«, kritisiert er. Dabei spielen Kontakte für Wegner, der sich seit 30 Jahren wissenschaftlich und auch auf der Ebene von Verbänden mit Sport und Behinderung beschäftigt, eine entscheidende Rolle: »Kontakte tragen dazu bei, Haltungen zu verändern, aber nur, wenn sie auf Augenhöhe stattfinden.« Einen Dialog nach dem Motto »Wir meinen es ja gut mit euch« könne man dagegen getrost vergessen.
Gleichwohl sieht Wegner positive Tendenzen. Sport und Inklusion, das ist an der Uni Kiel vom kommenden Wintersemester an Pflichtstoff in der Ausbildung von Lehrkräften. »Schon mal sehr gut«, findet das der Wissenschaftler, der dieses Thema unabhängig davon immer wieder in die Lehre einbaut und auch sonst im Institut für eine solche Vorgehensweise wirbt.
Ermutigend ist nach Wegners Einschätzung auch so manches, was sich an der Basis tut. »Im Breitensport passiert teilweise unheimlich viel«, lobt er und nennt als Beispiel das Projekt »Sport für Alle« im Kreissportverband Stormarn, der mit hauptamtlicher Unterstützung inklusiven Sport in verschiedenen Vereinen anbietet. So wird in Bad Oldesloe unter inklusiver Devise gegen den Ball getreten: »Ob groß, ob klein, ob mit oder ohne Einschränkung - gemeinsam wird Fußball gespielt und die Technik und Taktik des Fußballspiels trainiert.«
»Das sollte Schule machen«, wünscht sich Wegner, der durchaus auch in anderen Bereichen des Sports entsprechende Tendenzen sieht: »Wir brauchen noch mehr Neugierige mit Offenheit für Vielfalt, und ihre Zahl nimmt tatsächlich zu.« Zugleich gießt der Sportpsychologe aber Wasser in den Wein und stellt klar, dass Offenheit allein nicht genügt. »Nötig sind Ressourcen, um unsere Konzepte umzusetzen. Dieses Problem dürfen wir nicht schönreden.«
Was mit entsprechenden Ressourcen möglich ist, beweist das Vorzeigeprojekt »Snow & eyes«, das die Kieler Sportwissenschaft gemeinsam mit dem Verein »Sportsgeist« und der Skischule Kiel realisieren. Blinde und sehbehinderte Menschen erhalten persönliche Guides zur Seite gestellt und sind dadurch in der Lage, auf ganz normalen Pisten Ski zu laufen. »Das ist eine entspannte Sache«, erzählt Marcel Wollstadt, wissenschaftliche Hilfskraft am Kieler Sportinstitut und einer der Ski-Guides. Eine Erfahrung hat der 26-Jährige bei »Snow & eyes« wiederholt gemacht: »Menschen mit Behinderung sind nicht weniger selbstständig als Nichtbehinderte, aber sie haben weniger Möglichkeiten.«
An mehr Möglichkeiten zu arbeiten und ein Klima der Offenheit zu schaffen, in dem sich solche Möglichkeiten entfalten können, dazu gibt es in Kiel bald eine große Gelegenheit. Im Mai 2018 richtet die Stadt die Special Olympics aus, ein internationales Sportfest, zu dem etwa 4.000 Teilnehmende überwiegend mit geistiger Behinderung erwartet werden. »Das könnte einen wichtigen Impuls für die Stadt Kiel und die Universität bringen«, hofft Manfred Wegner.
Martin Geist

Beim Vorzeigeprojekt »Snow & eyes« unter Mitwirkung der Uni Kiel können Blinde und Sehbehinderte den Spaß am Skifahren genießen.
Foto: CAU und Skischule Kiel
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