
Tief unter der Nordsee
Seit über 25 Jahren sprudelt klimaschädliches Methan aus einer Quelle auf dem Grund der Nordsee. Dabei verhält sich das Gas auf dem Weg nach oben nicht so, wie man es nach Modellrechnungen erwarten würde.

Stereokameras in der Bubble-Image-Box vermessen die Gasblasen, die einen Durchmesser von 1 bis 20 Millimeter haben. Das Größenspektrum der Blasen zu kennen ist wichtig, um zum Beispiel berechnen zu können, wie viel Methan die Blasen in die Atmosphäre transportieren können.
Foto: CAU
Mitten in der nördlichen Nordsee, 200 Kilometer vor der Ostküste Schottlands sprudelt das Treibhausgas Methan in großen Mengen aus einem Krater am Meeresboden. Die rund 50 Meter breite und 20 Meter tiefe Austrittsstelle entstand 1990, nachdem bei Probebohrungen auf der Suche nach Erdöl versehentlich ein Gasvorkommen angebohrt wurde. Dabei kam es zu einem unkontrollierten Ausbruch, einem Blowout, das Gas schoss mit gewaltigem Druck in die Höhe. Der Druck hat zwar nachgelassen, aber die Gasquelle sprudelt bis heute und zählt zu einer der aktivsten marinen Methangasquellen weltweit.
»Man nahm an, das Reservoir sei nicht so groß und der Gasaustritt würde nach ein paar Jahren aufhören. Bei einer Fahrt im Jahr 2005 haben wir festgestellt, dass es überhaupt nicht aufhört. Es sprudelt bis heute, und das ist auch an der Oberfläche zu sehen«, sagt Dr. Jens Schneider von Deimling vom Institut für Geowissenschaften der CAU.
Der Kieler Geologe war im Sommer 2016 erneut vor Ort, als Leiter einer zweiwöchigen Expedition mit Kolleginnen und Kollegen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), der University of California und des GEOMAR. Die elfköpfige wissenschaftliche Besatzung untersuchte auf dem Forschungsschiff Poseidon mittels eines Unterwasserrobotors den Krater in 95 Metern Wassertiefe. Hydroakustische, biogeochemische, mikrobiologische und ozeanographische Methoden kamen hierbei zum Einsatz. Hintergrund der Forschungsfahrt war die Be ob achtung, dass, obwohl nachweislich sehr viel Methan am Meeresboden austritt, nur relativ geringe Mengen bis in die Atmosphäre transportiert werden.
»Das ist unverstanden. Nach Modellrechnungen müsste viel mehr Gas in die Atmosphäre übergehen. Bei einer so stark sprudelnden Quelle sollte der Transport vom Meeresboden bis zur Oberfläche sehr effektiv sein«, erklärt Schneider von Deimling, der auch Mitglied im Exzellenzcluster »Ozean der Zukunft« ist. Ursache dafür könnten komplexe fluiddynamische Prozesse sein. Vorangegangene Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Gas in Form von Spiralwirbeln innerhalb der Wassersäule nach oben steigt und dadurch deutlich stärker im Wasser gelöst wird als angenommen. Außerdem wird ein Teil des Methans von Mikroben in der Wassersäule und am Meeresboden zu Kohlendioxid abgebaut.
Wie effektiv die Bakterien sind und ob sie mit den Gasblasen aufsteigen, ist Gegenstand der Arbeiten des Kooperationspartners IOW Eine weitere Hypothese ist, dass sich der Gasstrom unter der sommerlichen Sprungschicht in 50 Meter Wassertiefe einschichtet. Die Sprungschicht in der Nordsee trennt die obere warme Deckschicht vom kalten Tiefenwasser. Diese beiden Wasserkörper mischen sich kaum. Und in Phasen mit wenig Durchmischung erreicht auch nur wenig Methan die Oberfläche, so die Vermutung. »Das hat sich bei unseren Untersuchungen bestätigt. Der Gasblasenstrom steigt auf, aber an der Sprungschicht bildet sich ein zweiter Strom, der sich darunter einschichtet.«
Mittels spezieller Sonargeräte, die sich an Bord eines Tiefseeroboters befanden, konnten die Bewegung der Gasblasen von der Quelle aufgezeichnet und quantitativ erfasst werden. Diese Daten dienen dazu, besser zu verstehen, wie die Spiralbewegungen der Gasaustritte den Transport von Methan beeinflussen. Um die akustischen Daten korrekt auswerten zu können, ist es wichtig, das Größenspektrum der Gasblasen zu kennen.
Zum Vermessen der Gasblasen kam die speziell für diesen Zweck entwickelte »Bubble-Image-Box« zum Einsatz. Diese 40 Zentimeter große Box ist mit einer Stereokamera ausgestattet und filmt die »gefangenen« Blasen. »Dabei konnten wir das Gasblasengrößenspektrum ganz genau bestimmen. Und das ist wichtig für die Modellierung der Prozesse und die akustische Auswertung«, erklärt der Geologe. Mit der Auswertung der gesammelten Daten ist der Wissenschaftler auch ein halbes Jahr nach Ende der Forschungsfahrt noch beschäftigt. Die Ergebnisse sind wichtig, um auch die Prozesse an natürlichen Gasfeldern vorhersagen zu können.
Kerstin Nees
Stichwort Methan
Methan ist ein geruchs- und farbloses, hochentzündliches Gas. Es entsteht immer dort, wo organisches Material unter Luftausschluss abgebaut wird, und ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Im Vergleich zu Kohlendioxid hat es den 25-fachen Treibhauseffekt.
Der Großteil der Methan-Emissionen geht, anders als beim Kohlendioxid, auf den Menschen zurück – vor allem durch die Landwirtschaft und die Energiewirtschaft. Als natürliche Quellen gelten Feuchtgebiete, aber auch Permafrostböden im Norden Kanadas oder Sibiriens. Wenn sie durch die zunehmende Erderwärmung auftauen, kann Methan in gewaltigen Mengen entweichen und damit den Klimawandel zusätzlich ankurbeln. »In den Permafrostgebieten liegt eine Art Zeitbombe«, sagt der Kieler Geologe Dr. Jens Schneider von Deimling. (ne)
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