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Vermessung einer römischen Totenstadt

Versunkene antike Städte oder Grabstätten wissenschaftlich zu erkunden, ist nicht nur Aufgabe der Archäologie. Auch mittels technisch-naturwissen­schaftlicher Metho­den wie geo­physikalischen Messungen lassen sich verwertbare Ergebnisse erzielen.

Zwei Forschende mit einem Messgerät in der Wüste
© Uni Kiel

Doktorandin Rebekka Mecking und der wissenschaftliche Mitarbeiter Ercan Erkul bei Bodenradar­messungen. Im Hintergrund ist der aus dem Sand ragende Teil der Nekropole zu sehen.

 

Tuna el-Gebel ist einer der größten erhaltenen Friedhöfe der Antike: Die Totenstadt, die in der ägyptischen Wüste liegt, erstreckt sich über eine Fläche von ca. 100 Hektar. Gebaut wurde sie einst von den Ptolemäern und Römern als Friedhof für die antike Metropole Hermopolis Magna (heute el-Aschmunein). Wie Architektur und Funde belegen, wurde sie über 600 Jahre lang genutzt, von der Zeit des Hellenismus ab ca. 300 vor Christus bis zum Beginn der Spätantike etwa 300 nach Christus. 

Dass man heute so viel über die sogenannte Petosiris-Nekropole weiß, ist nicht nur Archäologinnen und Archäologen und ihren Ausgrabungen zu verdanken, sondern auch Fachleuten aus der angewandten Geophysik. Mit der geophysikalischen Erfassung archäologischer Stätten hat sich die Forschungs­gruppe der Universität Kiel um Professor Wolfgang Rabbel weltweit einen exzellenten Ruf erarbeitet. Im Oktober 2018 war das Kieler Team – in Kooperation mit dem Landesmuseum Hannover, dem Koordinator des Projektes – einmal mehr in Ägypten vor Ort, um die Totenstadt mit neuesten Methoden noch genauer zu untersuchen.

»Wir haben sehr spannende Ergebnisse erzielt«, berichtet Rabbel. »Der antike Stadtplan, den wir durch Vermessung der Bodenmagnetisierung und mithilfe des Bodenradars erstellt haben, zeigt die zahl­reichen großen und kleinen Häuser, die die Römer für ihre Toten gebaut haben. Viele erstrecken sich über mehrere Stockwerke. Darin wurden die Verstorbenen sehr aufwändig bestattet.« Manche dieser Gebäude liegen oberirdisch, sind teilweise noch sichtbar. Der größte Teil ist jedoch, auch bedingt durch die Lage in der Wüste, mit Sand bedeckt. »Da die Stadt so groß ist, lässt sie sich nicht in Gänze ausgraben«, weiß Rabbel. Zudem gebe es in der Archäologie den Trend, Erkenntnisse so minimalinvasiv wie möglich zu erlangen. »Man weiß inzwischen, dass jede große Grabung auch Zerstörung mit sich bringt«, so Rabbel. »Durch die Messungen wissen die Fachleute jedoch genau, wo sie suchen müssen.«

Mit naturwissenschaftlich-technischen Methoden lässt sich manche Frage aber auch auf andere Weise beantworten. Das haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auch am interdisziplinären archäologisch-geowissenschaftlichen Sonderforschungsbereich 1266 »TransformationsDimensionen – Mensch-Umwelt-Wechselwirkungen in prähistorischen und archaischen Gesellschaften« der Universität Kiel mitwirken, bereits in der Vergangenheit in Tuna el-Gebel bewiesen. Von 2007 bis 2010 gab es eine erste Messkampagne, bei der das Team das Gebiet der Totenstadt magnetisch auskartiert, das heißt, die Stätte als Ganzes erfasst hat.

»Das ist immer der erste Schritt der geophysikalischen Prospektion (Erkundung) in der Archäologie«, sagt Rabbel und erklärt das Verfahren. »Das Gestein im Untergrund wird durch das Erdmagnetfeld magnetisiert. Überall ist ein bisschen Eisenoxid drin, alles ist also leicht magnetisierbar, jedoch auf unterschiedliche Art und Weise. Wenn wir Punkt für Punkt auf einer Fläche messen, bekommen wir so die Veränderungen des Erdmagnetfelds in der Stärke heraus, die durch die Magnetisierung der Objekte im Untergrund hervorgerufen werden. Und das kann man sehen.« Auf den so entstanden Abbildungen lassen sich wie auf einem Grundriss die Umrisse der Häuser, einzelne Zimmer, Nebenräume und selbst kleinere Durchgänge entdecken.

Bis 2015 wurden die Daten ausgewertet, Forschungsergebnisse und Bilder veröffentlicht. Nachdem die Stätte als Ganzes erfasst wurde, will das Forschungsteam den einzelnen Gebäuden tiefer auf den Grund gehen: Seit 2017 laufen neue Untersuchungen, bei denen Doktorandin Rebekka Mecking mitwirkt. Mit verbesserten Bearbeitungsmethoden wird sie die alten Daten neu aufarbeiten und mit dem Bodenradar weitere punktuelle Messergebnisse über die Häuser einholen.

Die Arbeit ist jedoch aufwendig. »Wenn der Untergrund es zulässt, schafft man vielleicht 50 mal 50 Meter am Tag.« Doch am Ende soll es gelingen, jedes Stockwerk der unterirdischen Gebäude bis in die Tiefe zu erfassen, um diese später virtuell als 3D-Bild darzustellen. »Das ist aufgrund der mehrstöckigen Häuser für die Geophysik eine echte Herausforderung«, sagt Rabbel. »Die Diagramme, die dabei entstehen, sind kompliziert, und diese zu analysieren erfordert eine besondere Anstrengung. Aber genau das ist es, was uns einen Heidenspaß macht.« 

Autorin: Jennifer Ruske