„Archive des Lebens“ im Zoologischen Museum

Neue Ausstellung dokumentiert den Wert naturwissenschaftlicher Sammlungen als kulturelles Erbe

Dunkler Raum mit beleuchteten Elementen.
Nahaufnahme eines alten Papieres, im Vordergrund ein Mikroskop.
Porträtaufnahme es Mannes vor einer bunt beleuchteten Wand.
Nahaufnahme Krebs vor dunklem Hintergrund im Einmachglas.

 

Schätzungsweise mehr als 10 Millionen Tier-Exponate beherbergt das Zoologische Museum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Dieser wissenschaftliche Schatz gewinnt immer mehr an Bedeutung für die Erforschung der Meeresfauna, die sich durch die Erwärmung der Atmosphäre radikal verändert. Erstmals beleuchtet das Museum mit der aufwändigen Präsentation historischer Tierobjekte und anhand digitaler Medien die spannende Sammlungsarbeit in einer neuen Dauerausstellung, in der Besucherinnen und Besucher auch selbst experimentieren dürfen. Sie ist seit Sonnabend, 30. Oktober, geöffnet.

Zahlreiche Meeresexpeditionen in den vergangenen Jahrhunderten beförderten einen gigantischen Schatz an die Oberfläche, den die Forscherinnen und Forscher in Kiel bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet haben. „Der große Wert unserer Sammlung besteht darin, dass wir einen Blick in längst ausgestorbene Populationen von Tieren werfen können. So können wir etwa durch die Entschlüsselung der Erbinformationen (DNA) einen wertvollen Beitrag für das Verständnis der Veränderungen der Meeresfauna leisten“, erläutert Museumsdirektor Dr. Dirk Brandis. Die neue Ausstellung ist gleichzeitig der Abschluss eines Forschungsprojektes des Zoologischen Museums Kiel mit dem Forschungsinstitut Senckenberg, dem Primatenzentrum in Göttingen und NORe, einem Verbund von Naturkundemuseen und Forschungssammlungen der Nord- und Ostseeregion.

Muscheln, Krebse, Schnecken, die man in alten Sammlungsgläsern, ja teilweise in Einweckgläsern konserviert hat, dazu handschriftliche Aufzeichnungen und antike Mikroskope und Geräte, um beispielsweise den Salzgehalt im Wasser zu bestimmen: Die Ausstellung zeigt, mit welchen Mitteln und Geräten die Wissenschaftler gearbeitet haben, als es noch keine Computer gab und die Forschungsschiffe Segel hatten. Der Kieler Zoologie-Professor Karl-August Möbius etwa wollte Mitte des 19. Jahrhunderts im Auftrag des Königs herausfinden, ob und wie sich die Auster in der Nordsee weiter verbreiten lässt. Über Jahrzehnte trug er eine riesige Anzahl von Austern aus den Weltmeeren zusammen. „Dieser biologische Schatz dient uns heute dazu, genetische Stammbäume der Austern zu erstellen. So zeigte sich, dass die Wattenmeer-Variante große genetische Unterschiede zur Atlantischen Auster aufweist“, erläutert Brandis. Die wissenschaftlichen Möglichkeiten seien enorm: „Wir können heute anhand der Erbinformation aus einer 2000 Jahre alten Austernschale aus römischen Lagern herausfinden, woher die Auster stammte.“

Weil die Naturforscher schon im 19. Jahrhundert systematische „Zeitreihen“ erstellt haben, konnten sie die Veränderungen der Meeresfauna genau dokumentieren: Dabei werden bis heute in bestimmten zeitlichen Abständen immer an derselben Stelle im Meer Proben mit Meerestieren genommen und gesammelt. Wie sich die Tierwelt rund um Sylt verändert hat, können Besucher und Besucherinnen an einem interaktiven Medientisch genau nachverfolgen: Anhand eines Zeitstrahls lässt sich die Entwicklung der Meerestemperatur genau ablesen, seit den 1950-er Jahren geht die Kurve stetig nach oben – „eindeutig eine Folge der Erderwärmung“, erläutert der Museumsdirektor.

Mit einem Klick auf eine bestimmte Stelle im Wattenmeer öffnen sich Bilder, die die Tierwelt zu bestimmten Zeitpunkten zeigen: neben der Auster auch Miesmuscheln, Krabben, Schnecken. In Natura können Jahrhunderte alte Exemplare gleich nebenan bewundert werden, brillant ausgeleuchtet und ästhetisch präsentiert. An einer anderen Station können die Besucherinnen und Besucher selbst Hand anlegen und Seepocken, Muscheln oder Schneckeneier erforschen – unter dem Mikroskop, wie es vor 150 Jahren schon der Zoologe Möbius getan hat.

In dem gemeinsamen Forschungsprojekt der zwölf Museen und Sammlungen „MARSAMM – Historische Sammlungen mariner Organismen – ein Fenster in die Anfänge von Global Change in Nord- und Ostsee“ ist in dreieinhalb Jahren Arbeit als Herzstück eine neue digitale Datenbank entstanden. In ihr sind die Tierbestände aus der Nord- und Ostsee der letzten 200 Jahre dokumentiert. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative „Vernetzen – Erschließen – Erforschen. Allianz für universitäre Sammlungen“ gefördert.

 

Text: Joachim Welding

Das Wichtigste in Kürze:

Was: Ausstellung „Sammlungen – Archive des Lebens“
Wo: Zoologisches Museum
Wann: Dauerausstellung, geöffnet seit dem 30.10.2021
Preise Museumseintritt: Erwachsene 4 Euro, Kinder und Ermäßigungen 2 Euro

Wissenschaftlicher Kontakt:

PDDr. Dirk Brandis
Leitung Zoologisches Museum Kiel
 0431/880-5170
brandis@zoolmuseum.uni-kiel.de

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