Christian-Albrechts-Universität zu Kiel


Große Forscher und Forscherinnen von der Förde:

Eduard Buchner


Der Chemie-Nobelpreisträger gilt als einer der Väter der modernen Biochemie. In Kiel wirkte der Entdecker der zellfreien Gärung von 1893 bis 1896.


Über die Kieler Zeit von Eduard Buchner ist wenig bekannt. Denn es gibt nur wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen aus dieser Zeit. »In den Ferien ist er immer zu seinem Bruder, dem Mediziner Hans Buchner, nach München gefahren und hat dort mit Hefepresssaft gearbeitet«, sagt Professor Roland Schauer, Emeritus am Biochemischen Institut. Durch Zufall machte Buchner, kurz nachdem er Kiel verlassen hatte, dabei eine Entdeckung, die ihm 1907 den Chemie-Nobelpreis einbrachte. Für seinen Bruder stellte er zellfreie Extrakte aus Hefe her, die dieser für immunologische Zwecke verwenden wollte. Um das Eiweißextrakt aus den Hefezellen zu konservieren, setzte er, wie bei der Konservierung von Marmelade, Zucker zu. »Dabei stellte er fest«, so Schauer, »dass Bläschen entstanden.« Das heißt, es bildete sich Kohlendioxid und Alkohol. Buchner hatte aus Hefe ein Enzymgemisch (Zymase genannt) gewonnen, das Glykolyse machte, also Zucker in Alkohol umwandelte.

Dies war neu und widersprach der Theorie des französischen Chemikers und Mikrobiologen Louis Pasteur (1822-1895). Mit Pasteur ging die große Mehrheit der Gärungstechnologen, Chemiker und Physiologen davon aus, dass Vorgänge wie Fäulnis, Verwesung oder Gärung durch kleinste Lebewesen verursacht werden. Gärung auszulösen war somit eine der Lebensfunktionen der Zelle wie die Atmung, das Wachstum und die Vermehrung. Diese Reaktionen sollten nur ablaufen, wenn die Zelle noch lebte. Buchners Extrakt war aber frei von Zellen und konnte trotzdem Zucker vergären.

Mit dieser Entdeckung bewies er die Auffassung des deutschen Chemikers Justus von Liebig (1803-1873). Liebig war überzeugt davon, dass biochemische Reaktionen auch außerhalb der Zelle ablaufen können. Die Mechanismen, die ein lebendes System ausmachten und in einer Zelle abliefen, sollten sich nach Liebig letztlich mit chemischen Reaktionen beschreiben lassen. Die gesamte Biochemie sei damit nichts anderes als normale Chemie. Mit seiner Entdeckung legte Buchner, nach dem ein Gebäude des biochemischen Institut am Otto-Hahn-Platz benannt ist, den Grundstein für die moderne Biochemie. Die erste Mitteilung Buchners »Über die alkoholische Gärung ohne Hefezellen« erschien am 23. März 1897 in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft, nachdem sie dort am 11. Januar 1897 eingegangen war. Zehn Jahre später erhielt er dafür den Nobelpreis.

An der weiteren Aufklärung des enzymatischen Abbaus von Zucker war auch ein Kieler Wissenschaftler beteiligt, der Biochemiker Otto Meyerhof (1884-1951). Er erhielt 1922 den Nobelpreis für Physiologie/Medizin.

Eduard Buchner wurde am 20. Mai 1860 in München geboren. Als sein Vater, ein Arzt, starb, war Eduard noch keine elf Jahre alt. Buchner studierte mit Unterbrechungen Chemie, Botanik und Physik an der Universität München und am Polytechnikum, der heutigen Technischen Universität München. Während des Studiums arbeitete er in einer Konservenfabrik. Bereits in dieser Zeit kam er mit Fragen der Gärungschemie in Kontakt. 1885 veröffentliche Buchner seine erste Arbeit »Über den Einfluss des Sauerstoffs auf Gärungen«.

Buchner war aber nicht nur Biochemiker, sondern erbrachte auch in der organischen Chemie bemerkenswerte Leistungen. Etwa die Hälfte seiner 120 wissenschaftlichen Publikationen ist seinen organisch-chemischen Untersuchungen gewidmet. Sie befassen sich im Wesentlichen mit der Chemie der Diazoalkane, wie in der Buchner-Biographie von dem Berliner Chemiker Rolf Ukrow nachzulesen ist. Dieses für die organische Chemie sehr bedeutende Forschungsgebiet hatte Buchner von seinem Lehrer Theodor Curtius (1857–1928) übernommen und weiterentwickelt. 1888 promovierte er unter Curtius' Betreuung in München über »Eine neue Synthese von Derivaten des Trimethylens“, worin er die Existenz eines Cyclopropanolringes bewies. Während seiner Habilitation (1891) hat er als Erster das Pyrazol (ein Ringmolekül mit drei Kohlenstoff- und zwei Stickstoffatomen) selbst synthetisiert. Diese Reaktion, eine Zykloaddition mit Diazoessigester und Benzol, ist als Buchnerreaktion bekannt. Das Pyrazol ist die Muttersubstanz von vielen interessanten Verbindungen in der organischen Chemie. »Von dieser preiswürdigen Entdeckung lebt die organische Chemie noch heute«, erklärt Schauer, der sich anlässlich der Benennung des Instituts intensiv mit dem Wissenschaftler beschäftigt hat.

Im Herbst 1893 wechselte Buchner von München an die Kieler Universität, wo er unter der Leitung von Curtius seine organisch-chemischen Arbeiten fortführte. 1895 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1896 ging Buchner als außerordentlicher Professor für analytische und pharmazeutische Chemie an die Universität Tübingen. Den längsten Abschnitt seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit absolvierte Buchner von 1898 bis 1909 an der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin. Weitere Stationen seiner akademischen Laufbahn waren Breslau und Würzburg.

»Buchners Leben endete tragisch«, schreibt Rolf Ukrow. Als Major einer bayerischen Munitionskolonne erlitt der Vater von drei Kindern an einem Frontabschnitt in Rumänien am 11. August 1917 eine schwere Verletzung, an deren Folgen er zwei Tage später, am 13. August, im Feldlazarett Focsani erlag.

Kerstin Nees



Streit um die Entdeckung


Für die Entdeckung der zellfreien Gärung wurde Eduard Buchner 1907 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Aber auch Maria Manasseina (1848 – 1903) aus St. Petersburg beansprucht diese Entdeckung für sich. Die russische Ärztin hatte 1871 Versuche durchgeführt, aus deren Ergebnissen sie die Existenz eines Gärprozesses ohne Mitwirkung der lebenden Hefezelle schloss. Ihre Arbeit erschien 1872 in Julius Wiesners »Mikroskopischen Untersuchungen«. Also 26 Jahre vor Buchners Veröffentlichung zur zellfreien Gärung. »Sie hat Hefe zerrieben oder in einem anderen Experiment sogar leicht verkohlen lassen«, erklärt Professor Roland Schauer vom Biochemischen Institut. Unter dem Mikroskop habe sie nachgewiesen, dass keine Hefezellen mehr wuchsen. Ihren Anspruch auf die Entdeckung der zellfreien Gärung veröffentlichte sie in der gleichen Zeitschrift, in der Buchner seine Ergebnisse zur zellfreien Gärung publizierte, berichtet Schauer. Buchner entgegnete ihr, dass die Techniken damals noch nicht so gut gewesen seien und ihre Zuckerlösungen mit Mikroorganismen verunreinigt gewesen seien. Die Mehrzahl der Wissenschaftler folgte Buchners Darstellung. »Wie dem auch sei, Maria Manasseina war auf der richtigen Fährte und nahe am Erfolg und sie war sich dieses Weges bewusst gewesen«, so der Buchner-Biograph Rolf Ukrow.

Buchtipp zum Thema: Rolf Ukrow: Nobelpreisträger Eduard Buchner (1860-1917). Ein Leben für die Chemie der Gärungen und – fast vergessen – für die organische Chemie. Dissertation an der Fakultät I – Geisteswissenschaften – der Technischen Universität Berlin, 2004.

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