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Große Forscher und Forscherinnen von der Förde:

Otto Fritz Meyerhof


Der Medizin-Nobelpreisträger von 1922 legte mit seinen Arbeiten den Grundstein für die moderne Biochemie. Am Kieler Physiologischen Institut war er von 1912 bis 1924 tätig.


Otto Meyerhof wurde am 12. April 1884 in Hannover geboren und wuchs in Berlin auf. Er studierte in Freiburg, Berlin, Straßburg und Heidelberg Medizin und Philosophie. Das Interesse Meyerhofs an der Forschung, für die er später berühmt wurde, weckte Otto Warburg (1883 – 1970). Diesen deutschen Biochemiker traf Meyerhof in der Heidelberger Universitätsklinik für Innere Medizin. Warburg, der 1931 selbst den Nobelpreis erhielt, analysierte schon damals molekulare Vorgänge in der Zelle, um Einblick in die komplexe Stoffwechselchemie und die biochemische Energetik der lebenden Zelle zu bekommen. 1912 folgte Meyerhof seinem früheren Lehrer, Rudolf Höber (1873 – 1953), der 1910 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Physiologie in Kiel erhalten hatte und habilitierte sich ein Jahr später. Seine Antrittsvorlesung als Privatdozent »Zur Energetik der Zellvorgänge« wurde später als »Chemical Dynamics of Life Phenomena« eine der erfolgreichsten wissenschaftlichen Monographien des letzten Jahrhunderts.

1914 heiratete er die Mathematikstudentin und Malerin Hedwig Schallenberg. Aus der Ehe gingen eine Tochter und zwei Söhne hervor. Sein Sohn Gottfried schreibt in Erinnerung an das Leben von Otto Meyerhof: »Er ging gern spazieren und wohnte daher so nah wie möglich bei seiner Arbeitsstätte. In Kiel konnte er schon in einigen Minuten von seiner Etagenwohnung im Niemannsweg zum Physiologischen Institut (das sich auch in Düsternbrook befand und im Krieg zerstört wurde) zur Universität gehen.«(1)

In der Forschung beschäftigte er sich weiterhin mit der physiologischen Chemie des Muskels. Untersuchungsgegenstand war der lebende Froschmuskel, ein Gewebe, das damals gut zugänglich war. 1922 wurde der Privatdozent Meyerhof zum außerordentlichen Professor an der Kieler Universität ernannt. Im gleichen Jahr erhielt er zusammen mit dem englischen Physiologen Archibald Vivian Hill (1886 – 1977) den Nobelpreis für Medizin für seine Entdeckung des gesetzmäßigen Zusammenhangs zwischen Sauerstoffverbrauch und Milchsäureumsatz in Muskeln.

Beide Wissenschaftler arbeiteten unabhängig voneinander und zum größten Teil mit unterschiedlichen Methoden. Hill analysierte die Wärmeproduktion im Muskel und Meyerhof untersuchte mit chemischen Methoden den Sauerstoffverbrauch des Muskels und die Umsetzung von Kohlenhydraten in Milchsäure. Meyerhof stellte fest, dass Glykogen, die Speicherform von Glukose, bei Sauerstoffmangel zu Milchsäure umgewandelt wird. In Gegenwart von Sauerstoff geht jedoch die Bildung von Milchsäure stark zurück und der Organismus schlägt andere biochemische Reaktionswege ein.»Auch hat er als erster die Thermodynamik, also die Energiegewinnung aus Glukose, kalkuliert«, berichtet der Kieler Biochemiker Professor (em.) Roland Schauer. Er habe gemessen, wie viel Energie (Kalorien) durch Verbrennen von Glukose entsteht und nachgewiesen, dass im Stoffwechsel die gleiche Menge Energie aus Glukose gewonnen und stufenweise freigesetzt wird. Schauer: »Diese quantitative Erfassung der exakten chemischen Reaktion des Stoffwechsels, das ist schon fundamental.«

Übrigens: Die frühere Theorie, dass Muskelkater durch eine Ansammlung von Milchsäure bei anaerober Muskelarbeit in der Muskulatur entsteht, gilt heute nicht mehr. Das ist auch verständlich, denn die Milchsäure wird schon bald nach Abschluss der Bewegung völlig abgebaut. Der Muskelkater beginnt aber oft erst Stunden später und hält sehr viel länger an. Ursache des Muskelkaters sind mikrofeine Risse in der Zellstruktur der Muskelzellen, sozusagen »Mini-Muskelfaserrisse«. Diese feinen Risse entstehen durch Überdehnung der Muskulatur bei einer ungewohnten Belastung.

Trotz dieses frühen Ruhmes erhielt Meyerhof keinen Lehrstuhl in Kiel. Der Grund war wahrscheinlich, dass sowohl Höber als auch Meyerhof jüdischer Abstammung waren. Kurz vor der Verkündung des Nobelpreises nominierte die medizinische Fakultät August Pütter (1879 – 1929) anstelle Meyerhofs als Direktor des Instituts für Physiologische Chemie (des heutigen Biochemischen Instituts).

1924 verließ Meyerhof Kiel und ging als Direktor des Instituts für Physiologie am Kaiser-Wilhelm-Institut für Zellphysiologie nach Berlin. 1929 übernahm er die Leitung des Instituts für Physiologie am neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut (heute Max-Planck-Institut) für medizinische Forschung in Heidelberg und wurde zum ordentlichen Honorarprofessor der Medizinischen Fakultät ernannt. In einer Würdigung der Universität Heidelberg zum 50. Todestages im Jahr 2001 heißt es: »Zum ersten Mal verfügte Meyerhof über hervorragende Arbeitsbedingungen. Die Laboratorien hatte man nach seinen Plänen gebaut und alles organisiert, um ihm seine Arbeit mit einer großen Zahl sehr empfindlicher Methoden und Geräte zu erleichtern.« (2)

In der Heidelberger Zeit war Meyerhofs Arbeitsgruppe sehr erfolgreich bei der Aufklärung der einzelnen Reaktionsschritte der Glykolyse. Insgesamt 30 Prozent der Enzyme dieses Hauptstoffwechselweges zur Energiegewinnung hat sie dargestellt. Während dieser Studien entdeckte Karl Lohmann in Meyerhofs Labor auch einen anderen biochemisch bedeutsamen Stoff – das Adenosintriphosphat, kurz ATP. Diese Substanz ist das Synonym für biochemische Energie.

Mit der Zeit verschlechterten sich jedoch die Arbeitsbedingungen für den jüdischen Wissenschaftler. Nachdem ihm bereits 1935 unter dem Druck der Nationalsozialisten die Lehrbefugnis entzogen worden war, beschloss er 1938, Deutschland zu verlassen. In Paris leitete er als Forschungsdirektor das »Institut de Biologie Physico-Chimique«, musste jedoch 1940 über Spanien und Portugal in die USA fliehen. An der Pennsylvania University in Philadelphia wurde ihm ein Lehrstuhl für Physiologische Chemie angeboten, so dass er aktiv weiterarbeiten konnte. Daneben folgte er seinen Interessen an der Musik und Literatur und besonders der Kunst, gefördert durch seine als Malerin tätige Frau. Am 6. Oktober 1951 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts.

Kerstin Nees



(1) Gottfried Meyerhof: Erinnerungen an das Leben von Otto Meyerhof in Deutschland.
In: Naturwissenschaftliche Rundschau. 44. Jahrg. Heft 19. 1991. 384 – 386.

(2) www.rzuser.uni-heidelberg.de/~hp3/meyerhof.htm

Stichwort: Glykolyse


Die Glykolyse, der erste Teil des Glukose-Abbauweges, ist die Grundlage des Energiestoffwechsels in der gesamten Biologie – von Mikroorganismen bis zum Menschen. Es ist der einzige Stoffwechselweg, den praktisch alle Organismen gemein haben. Das weist auf eine sehr frühe Entstehung hin: die Glykolyse entstand möglicherweise in den ersten Prokaryoten (Zellen ohne Zellkern) vor 3,5 Milliarden Jahren. In diesem biochemischen Abbauweg wird ein Molekül Glukose (Traubenzucker) in zehn enzymatisch kontrollierten Reaktionsschritten in zwei Moleküle Brenztraubensäure (Pyruvat) umgewandelt. In Prokaryoten und in überwiegend anaerob (ohne Sauerstoff) arbeitenden Zellen oder Geweben, etwa dem Skelettmuskel, wird Pyruvat zu Milchsäure (Lactat) oder, wie bei vielen Hefen, zu Alkohol (Ethanol) und Kohlenstoffdioxid verstoffwechselt. »Die Aufklärung dieses wichtigen Stoffwechselweges war der Anfang der klassischen Biochemie und die entscheidende Basis für die moderne Molekularbiologie«, betont Roland Schauer.


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