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Die von einer mächtigen Fassade dominierte Kultanlage von ed-Deir – rund 200m über dem Talgrund von Petra gelegen – wurde lange Zeit als Grab analog den Prachtgräbern in der Königswand interpretiert. Heute tendiert sie Forschung dazu, in der Anlage eine Art Heroon für den vergöttlichten König Obodas zu sehen, fehlt doch in dem etwa 11 x 12 m messenden Innenraum hinter der Fassade jeder Hinweis auf eine Grabstätte: In der Arkosol-Nische im Hintergrund des Saals (dem einzigen allenfalls als Grablege zu deutenden Ort) befand sich einst ein Baitylos und ein Altar, aber kein Sarkophag; beide Objekte wurden in der Zeit, da der Raum als Kirche genutzt wurde, weitgehend zerstört. Auch die beiden (erst relativ spät freigelegten) Bänke an den Längsseiten des Saales, weisen darauf hin, daß der Raum für kultische Vollzüge von lebendigen Menschen (und nicht als Mausoleum) geschaffen wurde. Vollends klar wurde die kultische Funktion der Anlage, als man festellte, daß sich vor der Pracht-Fassade ein künstlich eingeebneter, weiter Platz befindet, der einst vermutlich von Säulenhallen umgeben war.
Der Felskessel von Petra – östlich der 'Araba etwa zwischen dem Toten Meer und dem Golf von Aqaba gelegen – war nachweislich bereits in der Jungsteinzeit besiedelt. Schon in dieser Zeit scheint man den Sachverhalt wahrgenommen zu haben, daß sich der anstehende Sandstein leicht bearbeiten ließ: Es entstanden (einzelne) Höhlenwohnungen.
Im 4. Jh. v.Chr. etablierte sich im später Petra genannten Ort ein überregionaler Umschlagplatz für Weihrauch und Myrrhe. Das aus dem Nordwesten der arabischen Halbinsel stammende arabische Volk der Nabatäer nutzte die durch steile Felsformationen geschützte natürliche Festung als Rückzugsgebiet und begann, die in der Nähe verlaufende Handelsroute von Syrien nach Ägypten von hier aus zu kontrollieren. Das konnten weder Alexander d.Gr. noch seine Nachfolger verhindern. So versuchte etwa Antigonos I. Monophthalmos vergeblich, die Felsenstadt zu erobern.
Der im 3. und 2. Jh. v.Chr. zwischen den Seleukiden und den Ptolemäern ausgetragene Kampf um die regionale Vorherrschaft blieb für die zunächst noch in Sippenverbänden organisierten Nabatäer weitgehend folgenlos, ja sie erweiterten in dieser und der folgenden Zeit unter der Herrschaft mehrerer Könige mit Namen Aretas ihren Machtbereich. Das Zentrum blieb indes Petra, das um die Zeitenwende an die 40000 Einwohner gezählt haben könnte.
Als die Römer unter Pompejus 64 v.Chr. die Provinz Syrien errichteten, änderte sich – dank eines Friedensvertrags, den der von Marcus Aemilius Scaurus in Palästina besiegte König Aretas III. mit Rom schloß – zunächst so gut wie nichts am wirtschaftlichen Erfolg der Nabatäer. Im letzten Viertel des 1. Jh. v.Chr. und dem ersten des 1. Jh. n.Chr. florierte der Handel – die formal mit Rom alliierten nabatäischen Könige genossen weitgehende Autonomie. In dieser Periode entstanden die bedeutendsten Bauten, v.a. Grabanlagen, die größtenteils in »negativer Architektur« in die den Talkessel umgebenden Wände aus rot-buntem Sandstein eingehauen wurden.
Doch schon bald verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Kaisern und ihren in Petra residierenden Klientelkönigen – v.a. aus wirtschaftlichen Gründen. Um höhere Einnahmen zu erzielen, wurden die asiatischen Warenströme auf römisches Territorium umgelenkt. Diese Maßnahmen leiteten den wirtschaftlichen Niedergang Petras ein. Als Reaktion hierauf verlagerte der letzte nabatäische König, Rabel II., seine Residenz nach Bosra, da der Hauptort des agrarisch geprägten Hauran bessere Lebensgrundlagen bot. Nachdem indes mit ihm die Königsdynastie der Nabatäer endgültig erloschen war, annektierte Trajan 106 n. Chr. die nabatäischen Territorien und ließ die Provinz Arabia errichten. Insbesondere aufgrund der fortwährenden römisch-sasanidischen Auseinandersetzungen büßte Petra in der Folgezeit vollends seine Funktion als prosperierendes Handelszentrum ein. Immerhin konnte Petra unter Diokletian noch einmal Provinzhauptstadt werden, ja es wurde unter den ersten christlichen Kaisern sogar Sitz eines Bischofs. Dann aber schwand die Bedeutung des (doch etwas zu abseits der neuen Haupthandelsrouten gelegenen) Ortes sehr schnell, und in muslimischer Zeit verfielen alle Bauten endgültig: Petra wurde – wieder – zum Zentrum eines Sippenverbandes von Beduinen.
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Synonyms
Synonyms for object:
Ed Deir, ad-Deir, ed Der, ad-Dēr, ad Dayr, ad-Dayr, al Dair, Tempel, معبد, هيكل, Maʿbad, Mabad, Ma'bad, Maabad, Haykal, Haikal, Hēḵāl, Pl. معابد, هياكل, Hayākil, Maʿābid, Temple
Syrien-Jordanien-Exkursion 2008 der Theologischen und Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Bartelmus und Prof. Dr. Ulrich Hübner (Institut für Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie), Prof. Dr. Anja Pistor-Hatam (Institut für Orientalistik, Lehrstuhl für Islamwissenschaft) und Prof. Dr. Josef Wiesehöfer (Institut für Altertumswissenschaft)