Ephesus liegt zwar geographisch gesehen durchaus im Nahen Osten – in Klein a s i e n – und muss daher in einer Bilddatenbank zum Nahen Osten mit Bildern vertreten sein. Aber es passt insofern nicht ganz „perfekt“ in das Konzept, das hinter dem Projekt KiBiDaNO steckt, als die Stadt recht eigentlich eine Gründung von Europäern ist und die (noch) vorhandenen Altertümer Zeugnisse der griechisch-römischen Kultur sind, die man im Mittelmeerraum auch andernorts in ähnlicher Form finden kann. Ethnische Aspekte können/dürfen in KiBiDaNO indes schon allein deshalb keine Rolle spielen, als Eroberer (v.a.) von Osten wie von Westen über Tausende von Jahren immer wieder die Geschichte und Kultur des Nahen Ostens entscheidend bestimmt haben. Zweifel an der Notwendigkeit einer Einbeziehung von Ephesos in KiBiDaNO sind trotzdem insofern nicht ganz unberechtigt, als dieser Ort derzeit für jeden an Kulturzeugnissen Interessierten ohne Problem selbst bei Pauschalreisen auf Kreuzfahrtschiffen zugänglich sind: Die Menge einschlägiger Fotos im Internet ist so groß, dass KiBiDaNO im Falle von Ephesus kaum Lücken schließt. Was indes dafür spricht, einige Bilder aus Ephesus trotzdem in KiBiDaNO aufzunehmen, ist zum einen das Alter der Bilder, die vor der Zeit des Massen-Pauschaltourismus entstanden sind, zum anderen die Tatsache, dass es eben nicht das Gleiche ist, wenn eine dorische Säule in einem Gebäude im Nahen Osten und eine andere in einem Gebäude (vielleicht anderen Zwecks) im westlichen Mittelmeerraum steht.
Die Europäer, die Ephesus für einen gewissen Zeitraum zu einem Teil des europäischen Kulturkreises gemacht haben, waren ionische Siedler aus Attika, die wahrscheinlich zum Zweck der Ausweitung ihrer Handelsbeziehungen den Sprung über die Ägäis wagten, deshalb aber nicht auf Grundlagen ihrer Kultur verzichten wollten. Andere ionische Siedler ließen sich nördlich und südlich der heute Kuşadası Körfezi genannten (und einst viel weiter ins Land reichenden) Bucht nieder (in der die Insel Samos liegt), übernahmen von Karern, Lydern und anderen Völkern Gebiete an der Ägäis, gründeten bzw. übernahmen dort Städte wie Ephesus, Priene und Milet und schlossen sich später zum sog. ionischen Bund zusammen. Das System, dass mehrere „Poleis“ einen Bund schlossen ohne einen Potentaten an die Spitze dieser Union zu setzen, kann man als eine Vorstufe von Demokratie deuten. Ob die Jonier bei ihrer „Landnahme“ genauso gewaltsam vorgegangen sind, wie andernorts zuvor die Griechen, die unter Führung von Agamemnon Troja dem Erdboden gleich machten, ist nicht bekannt.
Als Anführer der Ionier, die die Gegend im Umfeld der Mündung des Kaystros (des kleinen Mäander) in die Ägäis besetzten, gilt ein gewisser Androklos, der Sohn eines Königs von Attika gewesen sein soll. Wie er mit den Karern und Lydern umging, die auf dem heute Panayır Daǧi (früher Pion) genannten Zitadellenhügel siedelten, der damals noch unmittelbar ans Meer grenzte, ist nicht bekannt. Sicher weiß man nur, dass letztere die (kleinasiatische) Göttin der Fruchtbarkeit, Kybele, verehrten, und dass die Jonier diesen Kult übernahmen. Nur nannten sie die Fruchtbarkeitsgöttin Artemis – die Römer dann später Diana, wie man u.a. Apg 19,28 entnehmen kann. Im Verlauf dieser Übernahmen wuchsen dieser Göttinnengestalt verschiedene Funktionen zu, andere verschwanden. Das seltsame Phänomen, dass eine Göttin, die gemäß vielen Mythen Jungfrau war und blieb, zugleich Göttin der Fruchtbarkeit sein kann, und als solche u.a. als Geburtshelferin verehrt wird, ist eine Folge des Synkretismus: Siegervölker übernehmen Heiligtümer, widmen diese ihnen vertrauten Göttern bzw. Göttinnen, übernehmen dabei aber zugleich die mit dem Heiligtum verbundenen Rituale und Mythen. Neben der in Artemis umbenannten lokalen Göttin Kybele verehrten die Siedler aber auch weiterhin ihre vertrauten Götter Athene und Apollo, für die ebenfalls Tempel erbaut wurden. Der prächtigste Tempel war seinerzeit indes das Artemision, das bis zu seiner Zerstörung durch den Brandstifter Herostratos (356 n.Chr.) als eines der sieben Weltwunder galt. In diesem Zusammenhang muss auf eine säkulare Variante des Synkretismus hingewiesen werden: Auf der Basis der engen Beziehungen zwischen den Joniern in Griechenland und denen in Kleinasien fand wohl auch eine säkulare Denkform – die ionische Naturphilosophie – in Kleinasien eine Heimat. Einer von deren Vertretern war Heraklit von Ephesus.
Auf Einzelheiten der Geschichte von Ephesus bis zur Zeitenwende einzugehen, würde zu weit führen. Was stabil blieb – unabhängig davon, ob ein Regionalpotentat wie der Lyder Kroisos oder eine „Großmacht“ wie die Perser, die Seleukiden oder später die Römer die Oberherrschaft ausübten – war die Tatsache, dass die Stadt als eine relativ selbständige wirtschaftliche Größe zumeist eine gewisse Unabhängigkeit genoss. Lediglich von den Kriegen zwischen Rom und Mithridates von Pontos wurde Ephesus stark betroffen, doch nicht lange nach einem von Mithridates durchgeführten Pogrom, bei dem etwa 100.000 Bürger umgekommen sein sollen, blühte Ephesus unter Augustus wieder auf und wurde das wichtigste Handelszentrum im Orient. Stabil blieb Ephesus auch in Sachen Religion noch einige Zeit; jedenfalls musste Paulus, der hier eine Zeitlang erfolgreich als christlicher Missionar gewirkt hatte, nach einem Volksaufstand die Stadt verlassen und nach Makedonien fliehen (Apg 19,23-40). Legenden berichten aber auch davon, dass auch der Evangelist Johannes, begleitet von Maria (der MutterJesu), hier erfolgreich als Missionar gewirkt hat. In Aufnahme dieser Legenden wurde unter dem Kaiser Justinian im 6. Jh. über dem angeblichen Grab des Johannes eine Basilika errichtet.
Während sich das Christentum in Ephesus durchsetzte verlor die Stadt wirtschaftlich erheblich an Bedeutung. In religiöser Hinsicht nahm die Bedeutung der Ortes dagegen für eine kurze Zeit zu: 431 n.Chr. fand ein ökumenisches Konzil in Ephesus statt; 449 folgte eine Bischofsversammlung. Der wirtschaftliche Niedergang hatte v.a. einen Grund: Da der Kaystros im Verlauf der Jahrhunderte so viel Geschiebe im Hafen und dem angrenzenden Golf abgelagert hatte, dass der Hafen nicht mehr genutzt werden konnte, Seehandel also kaum mehr möglich war, musste das Zentrum der Stadt verlegt werden, und dies zweimal (im Abstand von etwa 300 Jahren).
Eine erste Berührung mit einem Turkvolk erfuhr die Bevölkerung von Ephesus dann 1090. Auch wenn die Seldschuken schon 1097 wieder von dort vertrieben wurden – auf Dauer war Ephesus (wie auch ganz Kleinasien) dem Druck aus dem Osten nicht gewachsen: Seit 1304 n.Chr. – unterbrochen nur von einer kurzen Besetzung durch die Mongolen unter Timur Leng bzw. Tamerlan (1402-1403) – ist Ephesus (Selçuk) eine türkische Stadt, zunächst als Zentrum des Emirats Aydın, ab 1425 als eine Stadt im Osmanischen Reich und – nach dem 1. Weltkrieg – in der Türkischen Republik. Eingebürgert hat sich mittlerweile, dass man nur die Ruinenstadt Ephesus (Efes) nennt, die angrenzende, aktuell bewohnte Stadt dagegen Selçuk.
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