Kappadokien liegt nicht nur geographisch gesehen ziemlich genau in der Mitte der Türkei (jedenfalls wenn man die Ausdehnung Ost–West zum Maßstab nimmt), es steht vielmehr – sieht man von den Metropolen einmal ab – im Zentrum des Interesses jedes kulturhistorisch und/oder an urtümlichen, spektakulären Landschaftsformen interessierten Türkei-Reisenden.
Geomorphologisch gesehen bietet die von dem (erst kurz nach der Zeitenwende erloschenen) Vulkan Erciyes Dağı (Erciyaş Dağı) – dem Argaios (Argäus; Argaeus) der Antike – und anderen, kleineren Vulkanen wie dem Hasan Dağı geschaffene Landschaft westsüdwestlich von Kayseri eine singuläre und spektakuläre Szenerie: Annähernd Vergleichbares zu der außergewöhnlich geformten Landschaft, v.a. aber zu dem, was hier im 1. Jtsd. n.Chr. Christen, die in der unwegsamen Gegend Zuflucht vor Verfolgungen fanden – davor und danach auch andere schutzbedürftige Minderheiten – an "negativer" Architektur und außergewöhnlicher Malerei geschaffen haben, findet man in Eurasien nur noch in Petra (dort freilich beschränkt auf die "negative" Architektur). Nicht umsonst hat die Unesco die ostnordöstlich der Provinzhauptstadt Nevşehir gelegene Gegend um Göreme 1985 zum Weltkulturerbe erklärt.
Stark vereinfacht kann man die Entstehung dieser Landschaft so erklären: Im Verlauf von Jahrmillionen haben der Erciyes Dağı und seine Trabanten bei ihren Ausbrüchen nicht nur Lavaströme ausgestoßen, sondern auch und v.a. vulkanische Asche, und die dabei entstandene Schicht aus Asche (in der sich allerdings auch Lavabrocken und andere Gesteinsarten befanden) hat sich – u.a. dank der Durchfeuchtung durch Niederschläge – im Verlauf von Jahrtausenden so verdichtet, dass zwischen den Vulkanen eine Tafellandschaft entstand, gebildet aus einem relativ festen Konglomerat-Gestein, das Tuff genannt wird. Je nach Menge und Lage des ausgeworfenen und verdichteten Materials waren auf diesem Wege Schichten unterschiedlicher Stabilität in der – zunächst naturgemäß praktisch waagrechten – Platte aus Tuff entstanden.
Tektonische Verschiebungen im Rahmen der sog. Alpidischen Faltung führten dazu, dass sich ein Teil dieser Platte nach Norden hin zum Tal des Kızılırmak neigte. Nunmehr sorgten die Niederschläge nicht mehr für eine Verdichtung der Tuffschicht – im Gegenteil: Infolge der Neigung der Platte floss Wasser ab, es bildeten sich Rinnsale, die zu Bächen wurden, indem sie Gräben in die Schicht zogen, und diese Gräben wurden im Verlauf der Jahrtausende immer tiefer und zu Tälern und Schluchten. Allerdings entstanden nicht nur Täler: Dort, wo das Wasser auf etwas härtere Tuffschichten stieß, blieben Tuffpyramiden stehen; sie geben bis heute manchen Tälern ein unverwechselbares Gepräge.
Die Menschen, die diese Gegend aufsuchten, kamen zunächst aber weniger wegen der phantastischen Landschaft, sondern in erster Linie wegen deren Unwegsamkeit. Unbeschadet ihrer Unwegsamkeit war die Gegend freilich auch relativ fruchtbar (jedenfalls in den Flächen zwischen den Tuffpyramiden), und so war es möglich, hier zu siedeln und Landwirtschaft zu treiben, ohne allzu sehr von den Mächten, die je und je um die Herrschaft über Zentralanatolien kämpften, gestört zu werden.
Am westlichen Rand des Gebietes, das flacher geblieben und damit leichter für potentielle Invasoren zugänglich war, wurde der Umstand, dass es keiner größeren Anstrengungen bedurfte, in dem weichen Tuff Höhlensysteme anzulegen, dem gleichen Schutzbedürfnis folgend dazu genutzt, mehrstöckig angelegte Städte in den Boden einzugraben. Die beiden wohl bekanntesten davon – Derinkuyu und Kaymaklı – befinden sich südlich von Nevşehir an der Straße nach Niğde, eine andere bekannte unterirdische Stadt liegt westsüdwestlich von Nevşehir an der Straße nach Konya unter dem modernen Ort Acıgöl. Aber auch unter dem heutigen Nevşehir wurde 2013 bei Bauarbeiten eine unterirdische Stadt entdeckt: Die Archäologen vermuten, dass es sich bei ihr um die größte unterirdische Stadt in Kappadokien handeln könnte.
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