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Pressemeldung Nr. 107/2008 vom 18.11.2008 | english version | zur Druckfassung | Suche

Bisher unbekannte "verwaiste" Gene prägen Arten aus

Kieler Forscher finden einen neuen Mechanismus der Evolution


Dr. Konstantin Khalturin und Professor Thomas Bosch haben herausgefunden, dass so genannte "neue" oder "verwaiste" Gene erheblichen Anteil an der Evolution artspezifischer Merkmale haben. Diese Gene sind charakteristisch für eine bestimmte Tiergruppe oder Tierart. Sie gelten als "neu" oder "verwaist", weil sie nur in dieser Tiergruppe vorkommen und keinen Genen in anderen Tiergruppen zugeordnet werden können. Die Kieler Forscher zeigen in der Ausgabe vom 18.11.08 der wissenschaftlichen Online-Zeitschrift "PLoS Biology", dass ein solches "neues" Gen, das für die Herstellung des Eiweißmoleküles "Hym301" verantwortlich ist, beim Süßwasserpolypen für die Ausprägung morphologischer Unterschiede zwischen nahe verwandten Arten verantwortlich ist.

Der Löwenanteil der Gene kommt in allen Lebewesen gleichermaßen vor und gilt als stammesgeschichtlich stark konserviert. Bisher ging man davon aus, dass Tierarten sich dadurch unterscheiden, dass molekulare Schalter, die in mehr oder weniger gleicher Form in allen Tieren und auch beim Menschen anzutreffen sind, in den einzelnen Arten unterschiedlich an- oder abgeschaltet sind, und dass daher in den Arten der konservierte Anteil der Gene unterschiedlich aktiv ist.

Dieses Bild der Entstehung der Arten wird jetzt erheblich erweitert werden müssen. Das nun veröffentliche Ergebnis zeigt, wie die Gruppe der "verwaisten" Gene, deren Herkunft und Funktion bislang vollkommen unverstanden waren, die Ausbildung von artspezifischen Merkmalen in der Evolution beeinflussen können. Die Beobachtungen sind auf den ersten Blick überraschend, sie könnten der Evolutionsbiologie neue Impulse geben.

Thomas Bosch und sein Team beschäftigen sich seit langem mit verschiedenen Arten von Polypen, die sich unter anderem durch die Art und Weise unterscheiden, wie sie während der Entwicklung die Fangarme ausbilden. Den Wissenschaftler fiel seit einiger Zeit auf, dass in allen Organismen etwa 5 bis 10 % der Gene als "neu" einzuordnen sind, da sie nur in dieser Tiergruppe vorkommen. Wofür diese "verwaisten" Gene gut sind, das war bislang vollkommen unklar. Die Kieler Forscher berichten nun, dass für die charakteristische Entwicklung der Fangarme ein "verwaistes" Gen, das es eben nur bei den Polypen gibt, verantwortlich ist.

Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass die Anpassung an bestimmte Lebensräume, die zur Ausprägung der Arten geführt hat, nicht zuletzt von diesen "verwaisten" Genen abhängt. Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre das ein wesentlicher Fortschritt im Verständnis der Evolution.

Konstantin Khalturin, Friederike Anton-Erxleben, Sylvia Sassmann, Jörg Wittlieb, Georg Hemmrich, Thomas C. G. Bosch: A Novel Gene Family Controls Species-Specific Morphological Traits in Hydra, in: PLoS Biology vom 18.11.08.

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Bildunterschrift: Der kleine Unterschied: Links eine Polypenart (Hydra oligactis), bei der sich die Fangarme asynchron bilden, in der Mitte ein Polyp (Hydra vulgaris), dessen fünf Fangarme alle gleichzeitig und symmetrisch entstehen; rechts: in einem genetisch veränderten Hydra vulgaris Polypen, der zuviel des neu entdeckten Eiweißmoleküles Hym301 produziert, entstehen die Fangarme völlig ungeordnet.
Foto: Friederike Anton-Erxleben, Universität Kiel

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Link zu PLoS Biology:
biology.plosjournals.org/


Kontakt:
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Allgemeine Zoologie
Professor Thomas Bosch
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