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Pressemeldung Nr. 93/2009 vom 17.09.2009 | zur Druckfassung | Suche

Atmende Elektronen in der Quantenwelt

Kieler Physiker finden Messmethode zur Untersuchung von Quantenpunkten


Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, eine neue Messmethode (Spektroskopie) zu entwickeln, die es ermöglicht, das Innenleben von Quantenpunkten genau zu untersuchen. Quantenpunkte sind mikroskopisch kleine Halbleiterstrukturen, in denen Elektronen durch ein äußeres Feld eingeschlossen sind. Unter der Leitung von Professor Michael Bonitz erforschten die Kieler Physiker vom Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) die Schwingungen der Elektronen. Mithilfe aufwendiger Computersimulationen fanden sie heraus, dass die Elektronen in Quantenpunkten andere Schwingungsfrequenzen aufzeigen, als bisher angenommen. Heute wird ihre Arbeit in der Zeitschrift Physical Review B veröffentlicht.

"Eine dieser Schwingungen ist die sogenannte Atmungsmode, deren Frequenz wir mithilfe der Computersimulation präzise bestimmen konnten", sagt Bonitz. Die Atmungsmode bezeichnet periodische Expansions- und Kontraktionsbewegungen aller Elektronen (siehe Abb. 1). "Durch die Bestimmung der Frequenz kann die Wissenschaft jetzt zum Beispiel Rückschlüsse ziehen auf die komplizierte räumliche Verteilung, die Abstände der Elektronen voneinander und die Kräfte zwischen ihnen", so Bonitz weiter.

Die Atmungsmode verschwindet auch dann nicht, wenn die Quantenpunkte immer kleiner werden und nur noch wenige Nanometer groß sind. Diese stehen im Zentrum des Interesses der Kieler Forscher. "Wenn die Quantenpunkte kleiner werden, dann ändern sich auch ihre Eigenschaften", sagt Bonitz. "Dann kommen die Gesetze der Quantenphysik zum Tragen". Wegen ihrer winzigen Größe können diese Systeme jedoch nicht direkt experimentell untersucht werden. Die Kenntnis ihrer Atmungsmode liefert nun neue Informationen über die Eigenschaften der Quantenpunkte. "Die fortschreitende Verkleinerung der Halbleiterstrukturen ist etwa für zukünftige Generationen von Computerchips zwingend erforderlich", sagt Bonitz. Denn nur so sei es möglich, Rechengeschwindigkeit und Speicherkapazität immer weiter zu steigern oder auch sogenannte Quantencomputer zu entwickeln.

Die Wissenschaftler stellten darüber hinaus fest, dass in Quantenpunkten nicht nur die Atmungsfrequenz der Elektronen verändert ist, sondern auch ihr gesamter Atmungsvorgang. Neben Expansion und Kontraktion aller Teilchen führt jedes einzelne Teilchen zusätzlich eine eigene Atmungsbewegung durch, bei der es sich mit einer universellen Frequenz ausdehnt und zusammenzieht (siehe Abb. 2 und 3). "Diese Beobachtung hat uns zunächst überrascht", sagt Bonitz. "Inzwischen kennen wir jedoch die Gründe und konnten durch die geschickte Kombination beider Atmungsfrequenzen unsere Methode weiter verbessern."

Die Forschungsarbeiten sind Teil des Sonderforschungsbereiches Transregio 24 "Grundlagen komplexer Plasmen", Greifswald-Kiel.


Hintergrund:
Quantenpunkte sind Halbleiter-Nanostrukturen von wenigen zehn Nanometern Ausdehnung, in denen einige tausend oder auch nur wenige Elektronen durch externe Felder in allen drei Raumdimensionen eingesperrt sind. Die Elektronen treten in Quantenpunkten oft stark miteinander in Wechselwirkung, wodurch sich Quantenpunkte ähnlich wie Atome verhalten. Die Ladungsverteilung in einem Quantenpunkt weist zudem oft eine Schalenstruktur auf (Abb. 1 und 2). Auch dies ist ähnlich wie in Atomen. Daher werden Quantenpunkte auch als "künstliche Atome" bezeichnet.

In einem Quantenpunkt können kollektive Schwingungen der Elektronen angeregt werden, die es ermöglichen, den Zustand des Quantenpunktes zu charakterisieren, so wie jedes Atom durch sein Spektrum eindeutig charakterisiert wird. Insbesondere die Atmungsmode, die gemeinsame periodische Expansion und Kontraktion der Elektronen (siehe Pfeile in Abb. 2), nimmt dabei eine wichtige Rolle ein. Bei der Verringerung der Abmessungen eines Quantenpunktes werden die Abstände zwischen den Elektronen immer kleiner, so dass die Gesetze der Quantentheorie zum Tragen kommen. Gerade diese Quanteneffekte haben einen starken Einfluss auf die Atmungsmode und ihre Frequenz.


Link zur Online-Veröffentlichung, Physical Review B
http://scitation.aip.org

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Abb. 1:
Bildunterschrift: Atmungsmode von sechs klassischen Teilchen, die in einem kreisrunden Feld eingesperrt sind. Die Pfeile veranschaulichen die Bewegungsrichtung bei der Expansion.
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Abb. 2:
Bildunterschrift: Atmungsmode von sechs Elektronen in einem Quantenpunkt, die in einem kreisrunden Feld eingesperrt sind. Die langen Pfeile veranschaulichen die Bewegungsrichtung bei der gemeinsamen Expansion. Die kurzen Pfeile zeigen die zusätzliche Schwingung jedes einzelnen Teilchens.
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Abb. 3:
Bildunterschrift: Animierte Abbildung: Atmungsbewegung von fünf Elektronen in einem Quantenpunkt.
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Kontakt:
Prof. Dr. Michael Bonitz
Institut für Theoretische Physik und Astrophysik
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Telefon: 0431/880-4122
E-Mail: bonitz@theo-physik.uni-kiel.de
www.theo-physik.uni-kiel.de/index-d.html

Dipl.-Phys. Karsten Balzer
Telefon: 0431/880-4070
E-Mail: balzer@theo-physik.uni-kiel.de



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Text / Redaktion: Merle Zeigerer